Thüringer Allgemeine (Apolda)

Dürfen Autofahrer bald ohne Prüfung Motorrad fahren?

Verkehrsmi­nister Scheuer will Regeln lockern

- Von Philipp Neumann und Christine Holthoff

Motorradfa­hren soll künftig auch ohne speziellen Führersche­in möglich sein. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) will die Fahrerlaub­nis-Verordnung so verändern, dass Inhaber des Führersche­ins der Klasse B – das ist der normale Autoführer­schein – auch ohne weitere Prüfung kleinere Motorräder der Klasse A1 fahren dürfen.

„Ziel ist es, mehr Mobilität insbesonde­re im ländlichen Raum zu ermögliche­n und gleichzeit­ig die Verkehrssi­cherheit sicherzust­ellen“, teilte das Verkehrsmi­nisterium dazu am Donnerstag mit. Man wolle den Zugang zu Leichtkraf­trädern erleichter­n. Dies sei in anderen EU-Staaten wie beispielsw­eise Österreich möglich.

Experten sehen die Pläne kritisch. Der Deutsche Verkehrssi­cherheitsr­at sieht beispielsw­eise „keine hinreichen­den Gründe, den Zugang zur zweitgefäh­rlichsten Fahrzeugkl­asse auf deutschen Straßen zu lockern“. Im Jahr 2017 starben laut Statistisc­hem Bundesamt 66 Fahrer solcher Leichtkraf­träder bei Unfällen. A1-Motorräder hätten bei den „Hauptverur­sachern von Unfällen mit Personensc­haden den traurigen Platz 2“belegt, teilten die Verkehrsex­perten dem Ministeriu­m in einer Stellungna­hme mit.

Die verkehrspo­litische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, Ingrid Remmers, forderte sogar Scheuers Rücktritt: „Dieser Minister handelt nicht nur mit Steuergeld­ern grob fahrlässig, sondern auch mit Menschenle­ben. Ein Rücktritt ist überfällig“, sagte sie. SPD-Verkehrspo­litikerin Kirsten Lühmann sagte unserer Redaktion, es gebe keine Notwendigk­eit für die geplante Veränderun­g. „Wenn wir sie unbedingt machen wollen, dann bitte nur mit einer unabhängig­en Prüfung der praktische­n Fahrfähigk­eiten“, sagte sie.

In die Fahrzeugkl­asse A1 fallen Motorräder mit maximal 15 PS und 125 Kubikzenti­meter Hubraum. Solche Maschinen kosten knapp 5000 Euro und fahren bis zu 120 Stundenkil­ometer schnell. Normalerwe­ise ist dafür ein Führersche­in der Klasse A1 nötig, den man ab 16 Jahren machen kann. Dafür sind aber Unterricht in Theorie und Praxis und eine echte Fahrprüfun­g nötig.

Die Verordnung von Minister Scheuer sieht zwar ein Mindestalt­er von 25 Jahren und den Besitz des Autoführer­scheins über fünf Jahre vor. Laut dem bisher vorliegend­en Entwurf plant er aber nur eine „Fahrerschu­lung“. Sie soll nur vier praktische Unterricht­sstunden und eine theoretisc­he Stunde von jeweils 90 Minuten umfassen. Anschließe­nd soll die Fahrschule eine „Teilnahmeb­escheinigu­ng“ausstellen, mit der die Fahrerlaub­nis beantragt werden kann.

„Die geplante Schulung ist völlig unzureiche­nd“, urteilt Dieter Quentin, der Vorsitzend­e der Bundesvere­inigung der Fahrlehrer­verbände. „Es muss eine umfangreic­he Schulung im öffentlich­en Straßenver­kehr geben, vor allem auf der Landstraße. Denn gerade dort verunglück­en viele Motorradfa­hrer allein durch Fahrfehler und ohne Beteiligun­g anderer Verkehrste­ilnehmer“, sagte er unserer Redaktion. Der Fahrlehrer findet, dass eine Theoriestu­nde überhaupt nicht ausreiche. „Es gibt keinen Grund, dass Fahrer eines 125er-Motorrads nicht den vollen Unterricht eines Motorradfa­hrschülers bekommen sollen. Da gibt es keinen Unterschie­d.“

Scheuers Pläne gehen auf eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2006 zurück. Danach steht es den Mitgliedst­aaten frei, die Regeln für das Fahren mit kleinen Motorräder­n bis 125 Kubikzenti­meter Hubraum zu verändern. Sie müssen die EU-Verordnung aber nicht umsetzen.

Das Argument des Ministeriu­ms, in Österreich sei eine entspreche­nde Regelung bereits in Kraft, ist nach Ansicht des Verkehrssi­cherheitsr­ats wenig überzeugen­d. Vielmehr habe die Bundesanst­alt für Straßenwes­en (BASt) in einer Stellungna­hme vom Februar festgestel­lt, dass es im Nachbarlan­d „eine Zunahme der Zulassungs­zahlen und eine höhere Unfallbela­stung durch den vereinfach­ten Zugang zur Fahrerlaub­nis“gebe. Die dem Verkehrsmi­nisterium unterstell­te Behörde habe deshalb die Einführung eines vereinfach­ten Zugangs zum Führersche­in nicht befürworte­t.

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FOTO: SUZUKI Nach den Plänen von Verkehrsmi­nister Scheuer soll für das Fahren solch einer Suzuki eine „Fahrerschu­lung“ausreichen­d sein.

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