Dürfen Autofahrer bald ohne Prüfung Motorrad fahren?
Verkehrsminister Scheuer will Regeln lockern
Motorradfahren soll künftig auch ohne speziellen Führerschein möglich sein. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will die Fahrerlaubnis-Verordnung so verändern, dass Inhaber des Führerscheins der Klasse B – das ist der normale Autoführerschein – auch ohne weitere Prüfung kleinere Motorräder der Klasse A1 fahren dürfen.
„Ziel ist es, mehr Mobilität insbesondere im ländlichen Raum zu ermöglichen und gleichzeitig die Verkehrssicherheit sicherzustellen“, teilte das Verkehrsministerium dazu am Donnerstag mit. Man wolle den Zugang zu Leichtkrafträdern erleichtern. Dies sei in anderen EU-Staaten wie beispielsweise Österreich möglich.
Experten sehen die Pläne kritisch. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat sieht beispielsweise „keine hinreichenden Gründe, den Zugang zur zweitgefährlichsten Fahrzeugklasse auf deutschen Straßen zu lockern“. Im Jahr 2017 starben laut Statistischem Bundesamt 66 Fahrer solcher Leichtkrafträder bei Unfällen. A1-Motorräder hätten bei den „Hauptverursachern von Unfällen mit Personenschaden den traurigen Platz 2“belegt, teilten die Verkehrsexperten dem Ministerium in einer Stellungnahme mit.
Die verkehrspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, Ingrid Remmers, forderte sogar Scheuers Rücktritt: „Dieser Minister handelt nicht nur mit Steuergeldern grob fahrlässig, sondern auch mit Menschenleben. Ein Rücktritt ist überfällig“, sagte sie. SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann sagte unserer Redaktion, es gebe keine Notwendigkeit für die geplante Veränderung. „Wenn wir sie unbedingt machen wollen, dann bitte nur mit einer unabhängigen Prüfung der praktischen Fahrfähigkeiten“, sagte sie.
In die Fahrzeugklasse A1 fallen Motorräder mit maximal 15 PS und 125 Kubikzentimeter Hubraum. Solche Maschinen kosten knapp 5000 Euro und fahren bis zu 120 Stundenkilometer schnell. Normalerweise ist dafür ein Führerschein der Klasse A1 nötig, den man ab 16 Jahren machen kann. Dafür sind aber Unterricht in Theorie und Praxis und eine echte Fahrprüfung nötig.
Die Verordnung von Minister Scheuer sieht zwar ein Mindestalter von 25 Jahren und den Besitz des Autoführerscheins über fünf Jahre vor. Laut dem bisher vorliegenden Entwurf plant er aber nur eine „Fahrerschulung“. Sie soll nur vier praktische Unterrichtsstunden und eine theoretische Stunde von jeweils 90 Minuten umfassen. Anschließend soll die Fahrschule eine „Teilnahmebescheinigung“ausstellen, mit der die Fahrerlaubnis beantragt werden kann.
„Die geplante Schulung ist völlig unzureichend“, urteilt Dieter Quentin, der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. „Es muss eine umfangreiche Schulung im öffentlichen Straßenverkehr geben, vor allem auf der Landstraße. Denn gerade dort verunglücken viele Motorradfahrer allein durch Fahrfehler und ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer“, sagte er unserer Redaktion. Der Fahrlehrer findet, dass eine Theoriestunde überhaupt nicht ausreiche. „Es gibt keinen Grund, dass Fahrer eines 125er-Motorrads nicht den vollen Unterricht eines Motorradfahrschülers bekommen sollen. Da gibt es keinen Unterschied.“
Scheuers Pläne gehen auf eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2006 zurück. Danach steht es den Mitgliedstaaten frei, die Regeln für das Fahren mit kleinen Motorrädern bis 125 Kubikzentimeter Hubraum zu verändern. Sie müssen die EU-Verordnung aber nicht umsetzen.
Das Argument des Ministeriums, in Österreich sei eine entsprechende Regelung bereits in Kraft, ist nach Ansicht des Verkehrssicherheitsrats wenig überzeugend. Vielmehr habe die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in einer Stellungnahme vom Februar festgestellt, dass es im Nachbarland „eine Zunahme der Zulassungszahlen und eine höhere Unfallbelastung durch den vereinfachten Zugang zur Fahrerlaubnis“gebe. Die dem Verkehrsministerium unterstellte Behörde habe deshalb die Einführung eines vereinfachten Zugangs zum Führerschein nicht befürwortet.