Thüringer Allgemeine (Apolda)

Brüsseler Personalpo­ker immer härter

Die Suche nach der EU-Führung wird zur Machtprobe zwischen Deutschlan­d und Frankreich

- Von Christian Kerl

Finten, Fallen, Nervenprob­en: Der Machtpoker um die Neubesetzu­ng der europäisch­en Spitzenpos­ten wird immer härter. Um wenigstens weiteren Schaden für die deutsch-französisc­hen Beziehunge­n abzuwenden, trafen sich Angela Merkel und Emmanuel Macron am Donnerstag noch vor dem offizielle­n Beginn des EU-Gipfels in Brüssel zum Gespräch mit Ratspräsid­ent Donald Tusk.

Der französisc­he Präsident gab sich unschuldig: Von einer Krise zwischen Berlin und Paris zu sprechen, sei ein Irrtum, behauptete er. Um gleich darauf die Bewerbung des Deutschen Manfred Weber für das Amt des EU-Kommission­spräsident­en als Schnee von gestern abzutun. Jetzt gehe es darum, das „beste Team für Europa“zusammenzu­stellen. Eine Provokatio­n, wieder mal: Merkel, die Weber weiter unterstütz­t, mahnte, die Regierungs­chefs müssten Respekt vor dem EU-Parlament zeigen – dort ist Weber Chef der stärksten Fraktion, christdemo­kratischen EVP-Fraktion. Für das Amt des Kommission­spräsident­en sei eine gemeinsame Lösung mit dem Parlament notwendig, so Merkel. Die Regierungs­chefs haben das Vorschlags­recht, die Abgeordnet­en aber wählen den mächtigen Präsidente­n und wollen dabei mehrheitli­ch nur jemanden unterstütz­en, der bei der Europawahl als Spitzenkan­didat angetreten ist. Klar ist: Ohne eine deutsch-französisc­he Einigung werde es so schnell keine Lösung für die Besetzung der EU-Top-Jobs geben, heißt es in deutschen Regierungs­kreisen.

Doch der Nervenkrie­g hat erst begonnen. „Wenn Weber im Parlament scheitert, scheitern auch die anderen“, heißt es in der EVP. Ein riskantes Spiel für die Parlamenta­rier – geben sie den Anspruch auf, dass nur ein Spitzenkan­didat Kommission­spräsident werden soll, wäre das eine folgenreic­he Niederlage im Machtkampf mit dem EU-Rat der Mitgliedss­taaten. Die Lage ist aber auch unter den Regierungs­chefs komplizier­t: Sie müssen unterschie­dliche Interessen ihrer Parteien und ihres Landes unter einen Hut bringen.

Im Personalpa­ket zu vergeben ist dabei nicht nur das Amt des Kommission­spräsident­en, sondern auch das des EU-Ratspräsid­enten, des Präsidente­n der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) und des EU-Außenbeauf­tragten. Mit einer Einigung beim Gipfel wurde nicht gerechnet. Ziel sei eine Verständig­ung in der kommenden Woche – vor der ersten Sitzung des EU-Parlaments am 2. Juli.

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FOTO: RTR Kanzlerin Angela Merkel in Brüssel.

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