Brodeln im Talkessel
In Teutschenthal findet am Wochenende ein Motocross-WM-Lauf statt. Mittendrin ist der Thüringer Henry Jacobi
Nein, es brodelt noch nicht. Dafür hämmert und sägt es im Talkessel, Motoren tuckern. Ein Schwarzhaariger, nur mit einem Handtuch bekleidet, schlendert vorbei. Die Dusche ruft. Der Aufbau des Fahrerlagers für den Lauf zur MotocrossWeltmeisterschaft am Wochenende in Teutschenthal bei Halle ist in vollem Gange.
Ein paar Stufen hinauf, der Turm ist erklommen und der Blick frei auf die 1635 Meter lange Strecke. Schweres Gerät präpariert sie noch, schiebt das erdige Auf und Ab in die richtige Form. Ein Paar, das namentlich nicht genannt werden möchte, schaut sich die Arbeiten an, wartet. Die Frau hält einen Brautstrauß in der Hand. Vor wenigen Stunden war die Trauung der Südwestdeutschen, samt Fotoshooting auf der Rennstrecke. Die verschmutzten Sandaletten derBrautzeugendavon–dasist wahre Motocross-Liebe.
Jetzt ist er endlich da: Henry Jacobi. Ein Erinnerungsfoto mit ihm soll ins Hochzeitsalbum. Der smarte Thüringer schnappt sich den etwa fünfjährigen Sprössling der beiden, das Klick ertönt und die junge Familie zieht glücklich ihrer Wege.
Ein Stau auf der A 9 hat die Ankunft der deutschen Motocross-Hoffnung für die MX2Rennen zum Pressetermin verzögert. Von Bad Sulza aus ist er nach Teutschenthal gefahren. Mit Krafttanken bei der Familie war aber nicht viel, verrät Jacobi. „Ich bin erst diese Nacht um ein Uhr angereist, konnte nicht mal die Oma besuchen.“Aus der niederländischen Wahlheimat Gouda ist er gekommen. „Wo der Käse herkommt“, sagt der 22-Jährige. Und der Sitz seines F&H Kawasaki Racing Teams ist. Wer erfolgreich sein will, muss nah beim Team sein. Deshalb hat er die Heimat verlassen.
Und Henry Jacobi ist in dieser Saison erfolgreich, liegt auf Rang vier der Gesamtwertung in der MX2-Klasse, in der Motorräder mit einem Hubraum bis zu 250 ccm zulässig sind. Gute Ergebnisse sind für ihn Pflicht, weil er im kommenden Jahr in die MXGP (450 ccm) wechseln muss, da er dann das Höchstalter von 23 Jahren überschreitet. „Es sieht gut aus, dass ich in einem sehr guten Team unterkomme“, sagt er. Genaueres verraten, dürfe er noch nicht.
Doch noch gilt die volle Konzentration der Gegenwart und die heißt für Jacobi MX2 in Teutschenthal. „Auf dieses Rennen fiebere ich das ganz Jahr lang hin.“Schon als Kind sei er in den Talkessel gepilgert, hätte die tolle Atmosphäre in sich aufgezogen, versucht, „Autogramme der Superhelden zu ergattern“. Dass er heute selbst einer von ihnen ist, sieht er ein bisschen anders. „Ich habe ja noch keinen großen Titel gewonnen.“
In Sachsen-Anhalt hat er sich einen Podest-Platz vorgenommen. Auf der Strecke, der er auf einer Schwierigkeits-Skala bis zehn eine Acht geben würde, sei ein guter Start entscheidend. Bei dem haperte es im Saisonverlauf immer einmal wieder. „Aber wir haben geübt“, sagt Jacobi. Notfalls, versichert das Organisations-Team des MSC Teutschenthal, sei auch für ausreichend Platz zum Überholen gesorgt.
30.000 Motocross-Fans, davon 3000 Camper, erwarten der MSC-Vereinsvorsitzende JensUwe Jahnke und Geschäftsführer Andreas Kosbahn am Sonnabend und Sonntag. Neben den beiden MX-Klassen werden noch die Talente des Europameisterschafts-Laufs in der EMX125 und EMX250 an den Start gehen. Insgesamt stammen die Fahrer aus 32 Nationen. Acht Rennen sowie zwei Zeitläufe um die besten Startplätze in den MX-Klassen stehen an. Los geht es am Sonnabend ab 7.45 Uhr mit den Trainings und den Zeitläufen. Der Renn-Sonntag beginnt um 9.45 Uhr.
Und warum sollten auch Nicht-Motocross-Fans zum 26. WM-Lauf nach Teutschenthal kommen? „Ganz einfach“, sagt Henry Jacobi, „die Stimmung ist so, wie wenn RB Leipzig gerade ein Tor geschossen hat“. Nur sei eben alles etwas verrückter, familiärer. Es herrscht FestivalStimmung, wenn der Talkessel brodelt. Ein einmaliges Erlebnis.