„Ohne Flüchtlinge gäbe es viele Mannschaften nicht mehr“
Integration im Thüringer Fußball: Trainer Mirko Spangenberg über seine Erfahrungen mit Rassismus – und was man dagegen tun kann
Mirko Spangenberg (48) ist ein bekanntes Gesicht im Thüringer Fußball. Als Spieler war er 22 Jahre lang aktiv, nach seinen Anfängen als Junior in Bad Langensalza von 1985 bis 2000 beim ESV Lok Erfurt und von 2000 bis 2007 beim FC Erfurt Nord. Danach ging es für ihn als Trainer bei Lok, dann bei Arnstadt und Mühlhausen in der Thüringenliga und nun wieder bei Nord weiter. Dort trainiert er seit anderthalb Jahren die A-Junioren.
Dort hat er mehrere Flüchtlinge in seinen Team, die mitunter mit fremdenfeindlichen Beschimpfungen konfrontiert sind. Er sprach mit uns über die Problematik, warum sie auf dem Land größer ist als in der Stadt, Mentalitätsunterschiede und darüber, dass sich die Trainer heutzutage auch mit den Eltern der Spieler befassen müssen.
Sie haben schon einige Männermannschaften trainiert. Haben Sie dort Beleidigungen oder Drohungen rassistischer Art erlebt?
Im Männerbereich habe ich das nicht wahrgenommen. Möglich, dass ich es wegen des höheren Zuschaueraufkommens nicht gehört habe, aber ich kann außerhalb des normalen Rahmens nicht von Beleidigungen berichten.
Was ist der normale Rahmen?
Man will den Gegner ärgern, ihn verbal aus der Reserve locken, ob als Spieler oder als Trainer. Sprüche wird es immer geben. Ich war selbst kein Engel auf dem Platz. Aber wenn man den Gegner mal beleidigt, sollte man sich nach dem Spiel entschuldigen und die Hand geben. Auch da sind wiederum die Trainer gefragt, den respektvollen Umgang miteinander vorzuleben.
Ein respektvoller Umgang, der beim Spiel der A-JuniorenKreisoberliga zwischen Herbsleben und Lok Erfurt II scheinbar nicht vorhanden war. Die LokSpieler fühlten sich von Gegner und Zuschauern mehrfach rassistisch beleidigt und brachen das Spiel ab, Herbsleben bestreitet die Vorwürfe. Eine Woche später traten Sie mit dem FC Erfurt Nord nicht in Herbsleben an.
Das hatte aber andere Gründe. Wir waren organisatorisch ins Kreispokalfinale der Männer, das am selben Abend stattfand, und den Kindergarten-Cup am Tag danach eingebunden. Zudem haben mir einige Spieler gefehlt. Also haben wir das Spiel kurzfristig absagen müssen.
Ähnlich wie Lok hat auch Ihr Nachwuchsteam viele Spieler mit Migrationshintergrund im Team. Wurden diese jemals wegen ihrer kulturellen Herkunft beleidigt?
Bei Auswärtsspielen gab es das zwei-, dreimal, ja. Das war immer in ländlichen Gegenden, in der Stadt ist es kein Problem, da haben fast alle Mannschaften mehrere Migranten im Kader.
Welche Worte sind gefallen und wie haben Ihre Spieler darauf reagiert?
Das waren Worte wie „Ziegenficker“ und „Kanake“, immer von einzelnen Zuschauern. Das geht natürlich gar nicht, das würden wir Deutschen auch nicht mit uns machen lassen. Die ausländischen Spieler sind meistens noch emotionaler dabei, für sie ist ihre Mannschaft wie Familie. Da kann ein Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen und sie sind dann nur noch schwer einzufangen, selbst vom Trainer. Deshalb habe ich, gerade wenn ich keinen Betreuer dabei habe, immer ein mulmiges Gefühl, wenn ich mit meiner Mannschaft zu einem Spiel aufs Dorf fahre.
Ist die Situation in den genannten Fällen eskaliert?
Nein. Ich versuche, meine Spieler für solche Situationen zu sensibilisieren und vorzubereiten, auch das gehört zur Trainertätigkeit. Ich bin direkt auf die gegnerischen Offiziellen zugegangen und wir konnten uns darauf verständigen, die betreffenden Zuschauer des Spiels zu verweisen beziehungsweise ruhigzustellen. . So konnte es in Absprache mit dem Schiedsrichter weitergehen und wir haben davon abgesehen, es im Spielbericht zu vermerken.
Thomas Münzberg, Geschäftsführer des Thüringer FußballVerbandes, hält es aber für sinnvoll, genau das zu tun, damit der Verband davon erfährt und entsprechend reagieren und sanktionieren kann.
Grundsätzlich hat er recht. Die Frage ist, wo fängt Rassismus an? Das ist ein schmaler Grat und muss klar definiert sein. Zudem sollte man einen Verein nicht für das Fehlverhalten eines Zuschauers abstempeln. Vielmehr wäre es wichtig, dass die Trainer auf diese Zuschauer, die oftmals Angehörige von Spielern sind, positiv Einfluss nehmen. Genau wie ich emotionale Eltern von Migranten dabei habe, die ich beruhigen muss. Vom Verband würde ich mir diesbezüglich übrigens wünschen, dass es im Vorfeld der Saison Zusammenkünfte gibt, bei denen sich die Trainer über solche Probleme austauschen können. Denn das Wichtigste darf man bei dieser Diskussion nicht aus den Augen verlieren ...
Ohne Flüchtlinge gäbe es viele Mannschaften nicht mehr. Ob es im Nachwuchs ist, wo Vereine wie Nord, Lok oder Borntal zu mindestens der Hälfte aus ihnen bestehen und ohne sie nicht spielfähig wären. Da gäbe es dann eben nur noch eine Kreisoberliga mit drei oder vier Mannschaften, die sich aus Spielgemeinschaften mehrerer Vereine zusammensetzen. Oder bei den Männern, wo etwa die Erfurter Kickers zwei Mannschaften haben, ohne ihre Migranten aber nicht mal eine hätten. Insofern ist Toleranz von allen Seiten angebracht, damit es unseren Fußball auch in Zukunft, gerade in den unteren Klassen, nicht kaputt macht.