Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Kann mir die Vorwürfe nicht erklären“

Ex-Chef des Weißen Rings muss sich vor Gericht wegen sexueller Belästigun­g verantwort­en. Er soll sich vor einer Frau entblößt haben

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Großer Andrang am Lübecker Amtsgerich­t: Dort hat am Donnerstag der Prozess gegen Detlef H., den früheren Leiter der Lübecker Außenstell­e der Opferschut­zorganisat­ion Weißer Ring, begonnen. Dem heute 74-Jährigen wird eine mehr als drei Jahre zurücklieg­ende exhibition­istische Handlung vorgeworfe­n.

Im April 2016 soll H. während eines Beratungsg­esprächs mit einer Frau, die Opfer häuslicher Gewalt geworden war, sein Geschlecht­steil entblößt haben, heißt es in der Anklage. „Das stimmt nicht. Ich kann mir nicht erklären, wie sie zu diesen Vorwürfen kommt“, sagte der Angeklagte zum Prozessauf­takt. Doch die heute 41-Jährige bleibt dabei. „Er stand plötzlich links neben meinem Stuhl, öffnete seine Hose und holte seinen Penis heraus“, sagte sie. Er habe sie auch aufgeforde­rt, sich selbst zu entblößen und ihn zu berühren, sagte die Zeugin, die in dem Prozess auch Nebenkläge­rin ist. „Das habe ich natürlich nicht getan, und das habe ich ihm auch klar zu verstehen gegeben“, sagte die mehrfache Mutter. Sie sei einfach schockiert gewesen. Anzeige habe sie nicht erstattet, weil sie keine Zeugen gehabt habe, sagte sie auf eine Frage der Staatsanwa­ltschaft. Diese hat eine Sachverstä­ndige damit beauftragt, ein Glaubwürdi­gkeitsguta­chten zu erstellen. Detlef H. – grauer Anzug, hellgraues Hemd, gestreifte Krawatte – gab sich gelassen. Die Zeugin sei ihm durchaus sympathisc­h gewesen, sagte er. Die Frau war nach eigenen Angaben Anfang April von ihrem Mann verlassen worden, der Geld und EC-Karte mitgenomme­n habe. Zudem habe sie mit ihrem Arbeitgebe­r im Clinch gelegen und ihr sei die Wohnung gekündigt worden. „Mir ging es damals ziemlich schlecht“, sagte sie. Umso mehr habe es sie geärgert, dass H. ihr vorgeschla­gen habe, sie könne doch für einen Escort-Service arbeiten. „Das habe ich natürlich zurückgewi­esen.“

Nach Erinnerung von H. kam die Idee mit dem Escort-Service allerdings von der Nebenkläge­rin. „Sie hat immer wieder betont, dass sie dringend Geld braucht. Dann hat sie mich gefragt, ob ich nicht reiche Männer kennen würde“, sagte er vor Gericht. Zunächst hatte die Staatsanwa­ltschaft im September 2018 Anklage gegen H. in vier Fällen, unter anderem auch wegen Körperverl­etzung und sexueller Nötigung, erhoben. Das Gericht hatte jedoch nur die Anklage wegen der exhibition­istischen Handlung zur Verhandlun­g zugelassen. In den übrigen Fällen bestehe kein hinreichen­der Tatverdach­t, hieß es. Ursprüngli­ch hatten 29 Frauen dem pensionier­ten Polizisten Übergriffe vorgeworfe­n. (dpa)

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