„Ganz klar gegen eine Impfpflicht“
Ministerpräsident Ramelow über die Pandemie, die Folgen für die ostdeutsche Wirtschaft – und den Neuwahltermin
Von Martin Debes und Jan Hollitzer
Erfurt. Fast vier Monate ist es her, dass in Thüringen Bodo Ramelow (Linke) erneut zum Ministerpräsidenten gewählt wurde – und er unmittelbar darauf den Corona-Lockdown für das Land administrieren musste. Kurz vor der Sommerpause zieht er Zwischenbilanz.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), hier bei einer Landtagssitzung im Mai, warnt angesichts neuer Corona-Ausbrüche – etwa in NordrheinWestfalen – vor Leichtsinn.
Angstszenario, sie ist bereits Realität, zum Beispiel in den USA. Solange wir nicht über einen Impfstoff verfügen, gibt es die Pandemie.
das Virus vor allem in Pflegeheimen, Dialysepraxen und Krankenhäusern grassierte. Es deutet einiges darauf hin, dass dort einige Träger und Betreiber die nötigen Hygienemaßnahmen nicht ausreichend umgesetzt haben. Auch wenn das die Betroffenen nicht hören wollen: In diesen Einrichtungen muss deutlich und sofort nachgesteuert werden.
Die Entwicklung ist besorgniserregend. Ich schlage einen Konversionsfonds für Betriebe der Automobilbranche vor, der finanziell den Strukturwandel begleitet, der jetzt durch Corona beschleunigt wird.
Das heißt: Wir helfen nicht nur den Betrieben, neue Produkte zu entwickeln, etwa auf Basis von Wasserstoff oder Solarstrom, sondern fördern auch Vermarktung und Vertrieb. Ich rede hier nicht von Zuschüssen, sondern von sogenannten nachrangigen Darlehen, die als Eigenkapital die Bilanz der Unternehmen stärken.
noch die verlängerte Werkbank von Konzernen, die ihre Steuern im Westen zahlen. Wir sitzen quasi am Ende der Nahrungskette. Diese besondere Situation von Ostdeutschland wird zu selten bei den Entscheidungen in Berlin mitgedacht.
So richtig ich es etwa finde, dass der Bund großzügig Kurzarbeitergeld zahlt, so falsch ist es zugleich, dass damit Geringverdiener – von denen es im Durchschnitt deutlich mehr in Ostdeutschland gibt – zum Gang aufs Sozialamt gezwungen werden, um eine Aufstockung ihres Gehalts zu beantragen. Hier brauchen wir eine Regelung, die das Kurzarbeitergeld automatisch oberhalb des Existenzminimums eines Haushalts hält.
Oder ein anderes Beispiel: So richtig es ist, dass Kommunen ihre Steuerausfälle vom Bund ersetzt bekommen, so falsch ist es, dass dadurch die im Durchschnitt deutlich ärmeren ostdeutschen Kommunen deutlich weniger Geld erhalten. Damit wird dafür gesorgt, dass sich die Schere von Ost und West wieder weiter öffnet. Das kann niemand im 30. Jahr der deutschen Einheit wollen.
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