Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Es macht arm, niemanden zu brauchen“ „U

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nabhängigk­eitstag“feiern heute die USA. Vielleicht schauen wir zur Feier des Tages in der Familie den alten Film „Independen­ce Day“an. Ich glaube, die Kinder kennen den noch nicht.

Da kämpft eine Truppe von unvollkomm­enen, schwachen Menschen gegen die Gefahr aus dem All. Spoiler-Alarm: In dem Film ist es die Hingabe eines unvollkomm­enen, notorische­n Säufers, die am Ende die Welt rettet. Ausgerechn­et ein schwer erträglich­er Mensch, ein Abhängiger, schafft Freiheit. Ich mag Filme, wenn die Helden nicht so geradlinig sind.

Sie siegen am Ende, weil jemand da war, der sie beraten, ihnen geholfen oder auf den richtigen Weg gebracht hat. Besonders interessan­t ist, wenn die Stärke des Helden zugleich seine Schwäche ist.

Auch Helden wie wir brauchen Gemeinscha­ft, die uns formt: Nur wo ich Freunde, Familie und Gemeinde habe, kann ich der Held werden, der ich sein soll – trotz meiner offensicht­lichen Schwächen. Denn wir alle brauchen es getragen zu werden. In der Bibel heißt es: „Einer trage des andern Last. So werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“

„Unabhängig­keitstag“zu feiern darf nie bedeuten, Unabhängig­keit von anderen Menschen zu feiern. Nicht abhängig von Hilfe zu sein, mag verlocken. Viele schämen sich gar, Hilfe anzunehmen oder darum zu bitten. Doch es macht arm, niemanden zu brauchen. Wer niemanden braucht, liebt auch niemanden.

Zum christlich­en Glauben gehört die Aussage: Gott ist die Liebe. Dies spiegelt sich darin wieder, dass Gott sich als verletzlic­her

Gott zeigt. Einer, der weint, der die Wände hochgeht, wenn er verlassen wird; ein Gott, der leidet, wenn er allein ist. Aber auch einer, der anpackt, einer der unsere Lasten schultert. Manche mögen einwenden: So ein Verhalten ist eines Gottes unwürdig. Ein richtiger Gott müsste unbewegt über dieser Welt thronen. Der wüsste alles immer im Voraus und vor allem besser, der wäre nicht abhängig von seinen Gefühlen zu uns kleinen Geschöpfen. Aber, so finde ich, das wäre kein Gott der Liebe. Die Liebe ist Gottes Superkraft und zugleich auch seine Schwäche.

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