Filmabnahme: Antenne für Westfernsehen in Apolda übersehen
Kinoexperte Frank Müller über einen gesperrten Bahnhof, 15 Minuten Apolda im Film und die Bevorzugung von Karl-Marx-Stadt
Apolda. Wer sich mit Frank Müller unterhält, sollte sich etwas Zeit nehmen. Denn Apoldas Kino-Film-Experte hat in jedem Fall Interessantes, ja manch Kurioses zu erzählen.
Den Anlass zum Treffen mit unserer Zeitung gibt der 17. Juli. Vor 60 Jahren nämlich fand die Uraufführung des Kinostreifens „Wo der Zug nicht lange hält“statt. Das Ereignis sollte an besagtem Tag 2020 in Apolda eigentlich eine entsprechende Würdigung erfahren. Wegen Corona und er damit verbundenen Umstände wird das aber nichts.
Ursprünglich sollte der Streifen seine DDR-Uraufführung in Apolda erleben. Daraus wurde nichts. Vielmehr zeigte man ihn am 15. Juli zuerst im damaligen Karl-MarxStadt. Dort fanden zu jener Zeit nämlich die Arbeiterfestspiele statt. Einen Tag drauf lief er bei der Ostseewoche beziehungsweise beim Zehnjährigen des Progress-Filmverleihs.
Erst danach sah ihn das Apoldaer Publikum und zwar in der Filmbühne „Kristallpalast“. Vorstellungen gab es dort 19 und 21 Uhr. Die ersten Eintrittskarten seien im Wesentlichen über den FDGB vergeben worden, erinnert sich Frank Müller. Gezeigt wurde der Film am 17. Juli aber zuerst im Auerstedter Kulturzentrum, das noch recht neu war. In der Folge stand „Wo der Zug nicht lange hält“eine Woche lang im „Kristallpalast“dann auf dem Kinoprogramm, bevor er Ende Dezember 1960 vorerst letztmalig in Apolda zu sehen war.
Erst 2005 organisierte Frank Müller mittels einer Kopie aus dem Bundesfilmarchiv eine Wiederaufführung im Kulturzentrum Schloss Apolda.
Dass ein Drehteam überhaupt nach Apolda kam, habe im Wesentlichen mit dem Umstand zu tun gehabt, dass es hinterm Bahnhof in Richtung Leipzig damals noch eine langgezogene Schienen-Kurve gegeben habe. Für das Abfilmen eines Zuges sei das offenbar ideal gewesen, weshalb die Wahl auf Apolda fiel.
Die Bahnstrecke sei wegen der Dreharbeiten natürlich gesperrt gewesen. Die Züge in Richtung Halle /
Leipzig hätten die Behörden damals umgeleitet. Zudem hätten die Filmleute in Apolda das kleinstädtische Flair vorgefunden, nach dem sie offenbar gesucht hatten. Auch ein Freitreppe gab es am Bahnhof, über die die Protagonisten im Film gehen, bevor sie dank szenenkürzender Filmschnitte quasi ohne Umwege plötzlich in der Teichgasse landen. Aber all das werde im Film nicht thematisiert. Es geht rein um die Örtlichkeit. Die Stadt habe im Film keinen Namen. Kurzum: Wer Apolda nicht kennt, wird ihr die Ecken im Film nicht zuordnen können.
Von den rund 80 Filmminuten haben etwa 15 Minuten was mit der Apoldaer Lokalität zu tun. Drehorte in der Stadt waren unter anderem: Bahnsteige, Bahnhofshalle,
Bahnhofsvorplatz, Freitreppe, Marktplatz, Brückenborn, Teichgasse, Dornburger Straße … Im Vorspann sei ein Haus zu sehen mit einer Dachwohnung, sagt Frank Müller. Dort werde ein Spion genutzt, also ein Spiegel, mit dem man sehen kann, wer unten klingelte.
Auch eine Fernsehantenne sei zu sehen, die so ausgerichtet gewesen sei, dass man Westfernsehen damit empfangen konnte. Bei der Filmabnahme sei das aber offenbar keinem aufgefallen, feixt Frank Müller auch heute noch. Die Familie, der die Antenne gehört habe, sei jedenfalls froh gewesen, dass es niemandem auffiel. Erinnert sei, dass etwa die FDJ (Freie Deutsche Jugend) „Ochsenkopf“-Aktionen startet, um die politisch unliebsamen Antennen ausfindig zu machen und abzubrechen.
Für die Szene des einfahrenden Zuges sei der übrigens eigens über den Bahnsteig in falscher Richtung – also aus Leipzig – gelenkt worden. Üblicherweise kam an diesem Bahnsteig immer der Zug aus Richtung Weimar vorbei.
Gesucht wurden von den Filmleuten damals rund zweihundert Personen, die als Komparsen zum Einsatz kommen sollten.
Besonders erfolgreich sei der Schwarz-Weiß-Film übrigens nicht gewesen, so Frank Müller.
Ach ja, was für ein Film ist das eigentlich genau? Ein Liebesfilm, der sich um ein junges Paar dreht, das in einer kleinen Stadt sein Glück sucht.