3000 Euro für zusätzlichen Ausbildungsplatz
Wie der Bund auch im Ausbildungsmarkt Weimarer Land vorm Corona-Hintergrund Anreize schaffen will
Weimarer Land. Die Unternehmen im Weimarer Land behalten ihr Personal derzeit im Wesentlichen – trotz Auswirkungen von Corona. Das ist eine der Aussagen, die Holger Bock, Geschäftsführer Operativ der Arbeitsagentur Erfurt, jetzt im Gespräch mit unserer Zeitung traf.
Nachdem mit Beginn der Krise zunächst ein spürbarer Anstieg bei den Empfängern von Arbeitslosengeld I zu verzeichnen gewesen sei, stagniere die Situation im Agenturbezirk momentan. Das hat mindestens zwei Gründe. Einerseits wollten die Firmen ihre Fachkräfte gern halten, weil sie genau wissen, dass die Situation auf dem Markt schwierig ist, bei einem erhofften Anziehen der Konjunktur dann aber möglicherweise keine Fachleute verfügbar sind. Andererseits habe das Instrument der Kurzarbeit gut gegriffen. So habe man im Juni 2020 sogar weniger Zugänge bei der Agentur als im Juni 2019 registriert, wenngleich die Zugänge derzeit die Abgänge noch überwiegen würden.
Genaue Zahlen zur Kurzarbeit werden aber erst Mitte Juli verfügbar sein. Das liegt an der Unterscheidung von Anzeige von Kurzarbeit und Antrag auf Kurzarbeit. Für letzteren haben die Firmen drei Monate Zeit. Zudem: Dass ein Unternehmen Kurzarbeit anzeigt, bedeutet nicht automatisch, dass diese auch beantragt wird. Denn: In einer Krise weiß niemand so genau, wie sie sich entwickelt. Während eine Firma einen geringeren Bedarf hat, stellt eine andere fest, dass es doch nicht so schlimm kommt. Für ein Drittel der Beschäftigten im Kreis sei jedenfalls Kurzarbeit angezeigt worden. Festzustellen sei, dass kleinere Betriebe mehr auf Kurzarbeit angewiesen sind als größere.
Die Stellenangebote zögen wieder ganz langsam an, so dass er zuversichtlich sei, dass sich alles positiv wendet, wenn es keinen zweiten
Lockdown gibt, so Holger Bock.
Konkret habe die Arbeitsagentur mit Blick aufs Weimarer Land im Juni 139 Zugänge verzeichnet, denen 114 Abgänge gegenüberstanden.
Nimmt man das Jobcenter Weimarer Land (Alg II) noch hinzu, sieht die Juni-Bilanz laut Geschäftsführer Michael Leiprecht so aus: 159 Zugänge bei 145 Abgängen.
Nach Einschätzung von Bock suchen die Firmen langsam wieder stärker nach Arbeitskräften. – Allerdings nicht in allen Bereichen. So liege die Veranstaltungsbranche mit den Nebenbereichen weiter brach. Das spiegele sich übrigens beim Jobcenter in Form vieler Soloselbstständiger wider, die Alg-II-Unterstützung beantragten. Vor dem Hintergrund der schwierigen Lage wurde seitens des Amtes temporär auf eine Prüfung der Vermögensverhältnisse in der Tiefe verzichtet, um rasch Hilfe gewähren zu können. Vorerst für sechs Monate soll so Verfahren werden. Meist hätten Soloselbstständige keinen Anspruch auf Alg I. Es sei denn, sie haben freiwillig in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung (Alg I) eingezahlt.
Praktika, Schnuppertage und Berufsmessen fehlen
Und wie ist die Situation auf dem Ausbildungsmarkt vorm CoronaHintergrund? Er sei heilfroh, dass die Agentur die Bewerbergewinnung bereits seit 2019 weiter ausgebaut habe, so Bock. Man sei in die Schulen gegangen, um vor Ort beraten zu können. Die Durchdringung mit Ausbildungsberatung in der Fläche sei verstärkt worden. Diese guten Ansätze zeigten sich im Umstand, dass es relativ viele Bewerber gebe, die Lage derzeit recht gut sei. Wegen Corona seien seit Mitte März aber die Kontakte der Berufsberater eingeschränkt. Aber nicht nur der Bewerbungsprozess sei eingeschränkt, auch die Berufsorientierung sei in der aktuellen Situation leider nur virtuell möglich, so Bock. Praktika oder Schnuppertage könnten derzeit ebenso wenig stattfinden wie Berufsmessen.
Bis Juni hatten sich 297 Jugendliche im Kreis bei der Berufsberatung für die Ausbildungssuche gemeldet. Das seien fünf Prozent mehr als vor einem Jahr. 15 bis 20 Prozent der Schüler hätten so im Zeitraum März bis Juni Unterstützung der Agentur in Anspruch genommen, um einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Um dennoch Unterstützung leisten zu können, sollen in die Zeugnisse Informationsblätter eingelegt werden, auf denen Ansprechpartner und Kontaktmöglichkeiten benannt werden. Jedem Schüler soll so bei Bedarf ein kompetenter Berufsberater zugeschaltet werden. Eigens dafür werde die Sonderhotline genutzt: 0361/302 1010. Darunter stünden Berufsberater bereit.
Im Kreis Weimarer Land hätten derzeit 126 Schulabgänger noch keinen Lehrvertrag. Das seien vier von zehn Bewerbern und deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. Dem gegenüber stünden von Unternehmen bis Mitte Juni gemeldete 354 Ausbildungsstellen. Das seien 13 Prozent weniger als vor einem Jahr. Und was ist wegen Corona noch anders? – Die Arbeitgeber, so Bock, schauten derzeit genauer hin, wen sie in die Ausbildung nehmen. Hätten viele von ihnen aufgrund der sinkenden Schülerund damit Bewerberzahlen in der Vergangenheit ein Auge zugedrückt, wenn die schulischen Leistungen nicht so passten, würde sie in der Krisenzeit genauer hinsehen. Chefs, die derzeit mit vielen anderen Sorgen zu kämpfen haben, möchten sich auf ihre Lehrlinge verlassen können, sich nicht zusätzlichen Ärger ins Haus holen.
Über das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“soll der deutsche Ausbildungsmarkt mit insgesamt 500 Millionen Euro unterstützt werden. So können kleine und mittelgroße Ausbildungsbetriebe einmalig 2000 Euro für jeden 2020/21 abgeschlossenen Ausbildungsvertrag erhalten. Zudem winken 3000 Euro für jeden zusätzlich abgeschlossenen Ausbildungsvertrag. Diese Summe gibt es laut Holger Bock auch, wenn ein Betrieb einen Lehrling übernimmt, der pandemiebedingt von einer anderen Firma entlassen wurde.
Beratung unter Telefon: 0361/3021010