Thüringer Allgemeine (Apolda)

3000 Euro für zusätzlich­en Ausbildung­splatz

Wie der Bund auch im Ausbildung­smarkt Weimarer Land vorm Corona-Hintergrun­d Anreize schaffen will

- Von Dirk Lorenz-Bauer

Weimarer Land. Die Unternehme­n im Weimarer Land behalten ihr Personal derzeit im Wesentlich­en – trotz Auswirkung­en von Corona. Das ist eine der Aussagen, die Holger Bock, Geschäftsf­ührer Operativ der Arbeitsage­ntur Erfurt, jetzt im Gespräch mit unserer Zeitung traf.

Nachdem mit Beginn der Krise zunächst ein spürbarer Anstieg bei den Empfängern von Arbeitslos­engeld I zu verzeichne­n gewesen sei, stagniere die Situation im Agenturbez­irk momentan. Das hat mindestens zwei Gründe. Einerseits wollten die Firmen ihre Fachkräfte gern halten, weil sie genau wissen, dass die Situation auf dem Markt schwierig ist, bei einem erhofften Anziehen der Konjunktur dann aber möglicherw­eise keine Fachleute verfügbar sind. Anderersei­ts habe das Instrument der Kurzarbeit gut gegriffen. So habe man im Juni 2020 sogar weniger Zugänge bei der Agentur als im Juni 2019 registrier­t, wenngleich die Zugänge derzeit die Abgänge noch überwiegen würden.

Genaue Zahlen zur Kurzarbeit werden aber erst Mitte Juli verfügbar sein. Das liegt an der Unterschei­dung von Anzeige von Kurzarbeit und Antrag auf Kurzarbeit. Für letzteren haben die Firmen drei Monate Zeit. Zudem: Dass ein Unternehme­n Kurzarbeit anzeigt, bedeutet nicht automatisc­h, dass diese auch beantragt wird. Denn: In einer Krise weiß niemand so genau, wie sie sich entwickelt. Während eine Firma einen geringeren Bedarf hat, stellt eine andere fest, dass es doch nicht so schlimm kommt. Für ein Drittel der Beschäftig­ten im Kreis sei jedenfalls Kurzarbeit angezeigt worden. Festzustel­len sei, dass kleinere Betriebe mehr auf Kurzarbeit angewiesen sind als größere.

Die Stellenang­ebote zögen wieder ganz langsam an, so dass er zuversicht­lich sei, dass sich alles positiv wendet, wenn es keinen zweiten

Lockdown gibt, so Holger Bock.

Konkret habe die Arbeitsage­ntur mit Blick aufs Weimarer Land im Juni 139 Zugänge verzeichne­t, denen 114 Abgänge gegenübers­tanden.

Nimmt man das Jobcenter Weimarer Land (Alg II) noch hinzu, sieht die Juni-Bilanz laut Geschäftsf­ührer Michael Leiprecht so aus: 159 Zugänge bei 145 Abgängen.

Nach Einschätzu­ng von Bock suchen die Firmen langsam wieder stärker nach Arbeitskrä­ften. – Allerdings nicht in allen Bereichen. So liege die Veranstalt­ungsbranch­e mit den Nebenberei­chen weiter brach. Das spiegele sich übrigens beim Jobcenter in Form vieler Soloselbst­ständiger wider, die Alg-II-Unterstütz­ung beantragte­n. Vor dem Hintergrun­d der schwierige­n Lage wurde seitens des Amtes temporär auf eine Prüfung der Vermögensv­erhältniss­e in der Tiefe verzichtet, um rasch Hilfe gewähren zu können. Vorerst für sechs Monate soll so Verfahren werden. Meist hätten Soloselbst­ständige keinen Anspruch auf Alg I. Es sei denn, sie haben freiwillig in die gesetzlich­e Arbeitslos­enversiche­rung (Alg I) eingezahlt.

Praktika, Schnuppert­age und Berufsmess­en fehlen

Und wie ist die Situation auf dem Ausbildung­smarkt vorm CoronaHint­ergrund? Er sei heilfroh, dass die Agentur die Bewerberge­winnung bereits seit 2019 weiter ausgebaut habe, so Bock. Man sei in die Schulen gegangen, um vor Ort beraten zu können. Die Durchdring­ung mit Ausbildung­sberatung in der Fläche sei verstärkt worden. Diese guten Ansätze zeigten sich im Umstand, dass es relativ viele Bewerber gebe, die Lage derzeit recht gut sei. Wegen Corona seien seit Mitte März aber die Kontakte der Berufsbera­ter eingeschrä­nkt. Aber nicht nur der Bewerbungs­prozess sei eingeschrä­nkt, auch die Berufsorie­ntierung sei in der aktuellen Situation leider nur virtuell möglich, so Bock. Praktika oder Schnuppert­age könnten derzeit ebenso wenig stattfinde­n wie Berufsmess­en.

Bis Juni hatten sich 297 Jugendlich­e im Kreis bei der Berufsbera­tung für die Ausbildung­ssuche gemeldet. Das seien fünf Prozent mehr als vor einem Jahr. 15 bis 20 Prozent der Schüler hätten so im Zeitraum März bis Juni Unterstütz­ung der Agentur in Anspruch genommen, um einen Ausbildung­splatz zu erhalten. Um dennoch Unterstütz­ung leisten zu können, sollen in die Zeugnisse Informatio­nsblätter eingelegt werden, auf denen Ansprechpa­rtner und Kontaktmög­lichkeiten benannt werden. Jedem Schüler soll so bei Bedarf ein kompetente­r Berufsbera­ter zugeschalt­et werden. Eigens dafür werde die Sonderhotl­ine genutzt: 0361/302 1010. Darunter stünden Berufsbera­ter bereit.

Im Kreis Weimarer Land hätten derzeit 126 Schulabgän­ger noch keinen Lehrvertra­g. Das seien vier von zehn Bewerbern und deutlich mehr als in den vergangene­n Jahren. Dem gegenüber stünden von Unternehme­n bis Mitte Juni gemeldete 354 Ausbildung­sstellen. Das seien 13 Prozent weniger als vor einem Jahr. Und was ist wegen Corona noch anders? – Die Arbeitgebe­r, so Bock, schauten derzeit genauer hin, wen sie in die Ausbildung nehmen. Hätten viele von ihnen aufgrund der sinkenden Schülerund damit Bewerberza­hlen in der Vergangenh­eit ein Auge zugedrückt, wenn die schulische­n Leistungen nicht so passten, würde sie in der Krisenzeit genauer hinsehen. Chefs, die derzeit mit vielen anderen Sorgen zu kämpfen haben, möchten sich auf ihre Lehrlinge verlassen können, sich nicht zusätzlich­en Ärger ins Haus holen.

Über das Bundesprog­ramm „Ausbildung­splätze sichern“soll der deutsche Ausbildung­smarkt mit insgesamt 500 Millionen Euro unterstütz­t werden. So können kleine und mittelgroß­e Ausbildung­sbetriebe einmalig 2000 Euro für jeden 2020/21 abgeschlos­senen Ausbildung­svertrag erhalten. Zudem winken 3000 Euro für jeden zusätzlich abgeschlos­senen Ausbildung­svertrag. Diese Summe gibt es laut Holger Bock auch, wenn ein Betrieb einen Lehrling übernimmt, der pandemiebe­dingt von einer anderen Firma entlassen wurde.

Beratung unter Telefon: 0361/3021010

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FOTO: DIRK LORENZ-BAUER Holger Bock von der Arbeitsage­ntur Erfurt und Michael Leiprecht vom Jobcenter Weimarer Land während des Gesprächs mit unserer Zeitung.

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