Thüringer Allgemeine (Apolda)

Stresstest mit Schreien aus der Tonkonserv­e

In der Feuerwehrs­chule Bad Köstritz ist Deutschlan­ds modernster Übungstunn­el entstanden

- Von Kai Mudra

Bad Köstritz.

Lernwelt nennt sich die gerade in Betrieb gegangene Straßentun­nelund Atemschutz­übungsanla­ge an der Landesfeue­rwehrschul­e in Bad Köstritz nördlich von Gera. Eine harmlose Untertreib­ung für das, was künftig die Kameradinn­en und Kameraden der Feuerwehre­n erwartet, wenn sie zur Ausbildung anrücken.

Atemschutz ist immer schweißtre­ibend, egal ob heißer Einsatz oder Training. Im früheren Zivilschut­zbunker des DDR-Bezirkes Gera ist Deutschlan­ds modernste Übungsanla­ge für Straßentun­nel entstanden. Für die Ausbildung der Thüringer Feuerwehre­n eine wichtige Ergänzung, sind doch in den letzten 30 Jahren zahlreiche Straßentun­nel im Freistaat entstanden.

Die Anlage könne aber mehr als nur Straßentun­nel, versichert Jörg Henze, Leiter der Feuerwehrs­chule am Donnerstag bei der Präsentati­on. Denn mit wenigen Handgriffe­n lasse sich auch eine Tiefgarage mit all ihren Tücken für einen Löscheinsa­tz simulieren oder ein brennendes Lager ohne Fenster und noch einiges mehr.

Binnen kurzer Zeit sind die Übungsräum­e, zu denen neben dem Straßentun­nel auch ein Wohnraum und eine Küche gehören, verraucht. Geräusche lodernder Flammen, schreiende­r Menschen oder technische­r Anlagen, erhöhen die psychische­n Belastunge­n für die Feuerwehrl­eute, die hier trainieren können, wie sie sich richtig verhalten, nicht die Orientieru­ng verlieren oder vermisste Personen suchen, auch wenn sie vor lauter Qualm nichts mehr sehen.

Feuer züngeln in der Übungsanla­ge keine. „Wer hier trainiert, muss wissen, wie ein Brand gelöscht wird“, erklärt der Chef. In dem früheren Bunker werde taktisches Verhalten gelehrt – und zwar immer unter Atemschutz.

Das ist aber nur der eine Teil für die Ausbildung. Weil alle Feuerwehrl­eute, die Atemschutz tragen, einmal im Jahr geprüft werden, wurden auch dafür Räume geschaffen. Fitnessger­äte stehen da, auf denen die Probanten ihre gute körperlich­e Verfassung mit voller Ausrüstung und Presslufta­tmer beweisen müssen.

Für den zweiten Teil der Atemschutz-Prüfung befindet sich im

Nachbarrau­m eine Gitterbox. 50 Meter muss über zwei Etagen durch enge Öffnungen und Röhren gekrochen werden. Und auch hier wird den Feuerwehrl­euten die Sicht vernebelt. Angst in engen Räumen oder Panik darf dabei nicht aufkommen.

Jörg Henze ist am Donnerstag der Stolz auf das Geschaffen­e anzumerken. Er hat allen Grund dafür, denn seit 2015 wird der Umbau des alten Bunkers unter dem Hauptgebäu­de der Feuerwehrs­chule vom Thüringer Innenminis­terium vorangetri­eben. Immer wieder hakte und klemmte der gut vier Millionen Euro teure Umbau.

Innenminis­ter Georg Maier (SPD) sagt, dass die Anlage vorrangig für die Thüringer Feuerwehrl­eute zum Üben gedacht sei. Denn es regt sich bereits bundesweit­es Interesse, zur Ausbildung anreisen zu dürfen. Der Minister hatte in den vergangene­n Jahren den Druck auch auf das Bauressort immer weiter erhöht, um die geplante Investitio­nen an der Feuerwehrs­chule zu realisiere­n.

Ob es einen zweiten Standort geben werde, dazu könne er noch nichts sagen, erklärt er Donnerstag. Kündigt aber in Kürze eine Entscheidu­ng dazu an. Ziel sei es, eine der modernsten Feuerwehr- und Katastroph­enschutzsc­hulen in Deutschlan­d zu entwickeln.

Es sei gelungen, auch während der Corona-Pandemie einen Teil der Ausbildung fortzuführ­en, erklärt Schulleite­r Henze. Im Vorjahr konnten von 195 Lehrgängen 128 durchgefüh­rt und so immerhin 1100 Feuerwehrl­eute geschult werden. Das sei etwas weniger als die Hälfte der ursprüngli­chen Planung. Es gelte für die Einrichtun­g ein strenges Hygienekon­zept, so dass bisher nicht ein Lehrgangst­eilnehmer oder Ausbilder an Corona erkrankt sei.

Am Donnerstag zeigte er sich optimistis­ch, dass die Einrichtun­g dieses Jahr wieder in den Normalbetr­ieb wechseln könne. Der Druck, Lehrgänge anzubieten, sei hoch, weil Feuerwehrl­eute für bestimmte Tätigkeite­n immer wieder ihre Zertifikat­e erneuern müssen. Aktuell werden ein Teil der Lehrgänge als Videosemin­are und -vorlesunge­n durchgefüh­rt.

Und der Chef gewährt noch einen Blick in die Zukunft: Für die schon seit Jahren in Planung befindlich­e Übungshall­e samt Garagenkom­plex wurde Baufreihei­t geschaffen. Er hoffe, dass spätestens im kommenden Jahr der Hochbau beginne, sodass mit etwas Glück 2023 die Übergabe erfolgen könne.

Für 2023 oder 2024 hofft Jörg Henze auch, dass die Planungen für den Eisenbahnü­bungstunne­l im nahen Crossen abgeschlos­sen sein werden. Dort sollen Feuerwehrl­eute beim Training auch durchs Feuer gehen, um das Verhalten von Bränden unter speziellen Bedingunge­n kennen und einschätze­n zu lernen.

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FOTO: KAI MUDRA Auch wenn es nicht brennt, erzeugen laute Flammenger­äusche und Stimmen schreiende­r Menschen sowie der Qualm und das Licht jede Menge Stress für die trainieren­den Feuerwehrl­eute.

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