Wie lange dauert die Pandemie für Kinder?
Impfung für Kinder ab zwölf könnte ab Sommer möglich sein – Biontech will bald EU-Zulassung beantragen
Berlin. Es wäre nicht weniger als ein Meilenstein im weltweiten Kampf gegen die Corona-Pandemie: eine Covid-19-Impfung für Kinder. Hoffnung, dass es tatsächlich schon bald einen solchen Schutz für die Jüngsten geben könnte, machen jetzt die Ankündigungen des Mainzer Impfstoffherstellers Biontech und seines US-Partners Pfizer. Schon kommende Woche wollen sie die Zulassung ihres Vakzins für Kinder von 12 bis 15 Jahren in der EU beantragen, sagte Biontech-Chef Ugur Şahin dem „Spiegel“. Es wäre der erste Impfstoff, der bei uns auch für die Gruppe der unter 16-Jährigen genehmigt würde. Die Prüfung eines Zulassungsantrags für Corona-Impfstoffe bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA dauert in der Regel wenige Wochen. Sollte sie grünes Licht geben, könnten also schon ab Anfang Juni die ersten Schulkinder geimpft werden.
„Es ist sehr wichtig, Kindern eine Rückkehr zum Schulalltag sowie Treffen mit Familie und Freunden zu ermöglichen.“
Ugur Sahin, Biontech-Chef
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Freitag, er rechne „mit einer zügigen Zulassung“des Biontech-Vakzins für Jüngere in der EU. Spätestens in den Sommerferien werde es dann möglich sein, die über Zwölfjährigen zu impfen, sodass sie zum Schulstart im Herbst immunisiert seien. Biontech-Chef Şahin betonte: „Es ist sehr wichtig, Kindern eine Rückkehr zum Schulalltag sowie Treffen mit Familie und Freunden zu ermöglichen.“
Tatsächlich mussten Kinder in der Pandemie oft zurückstecken. Schulen und Kitas wurden über Monate geschlossen. Begegnungen mit Freunden, Gleichaltrigen und Großeltern wurden gestrichen. Es ging darum, die Ausbreitung des Virus zu unterbinden, auch wenn Infektionen bei Jüngeren meist ohne Symptome bleiben und es nur selten schwere Krankheitsverläufe gibt. Dennoch sind die Inzidenzen unter den Jüngsten derzeit die Groß ist daher die Hoffnung, dass die Impfung der Jüngsten eine Wende bringen könnte.
Wie verbreitet ist das Virus derzeit unter Kindern und Jugendlichen?
Sie sind jene Bevölkerungsgruppe, in der sich das Virus aktuell am stärksten ausbreitet. Laut RobertKoch-Institut (RKI) hat die Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen mit 260 die höchste Sieben-Tage-Inzidenz. Danach folgen die 20- bis 24Jährigen mit einer Inzidenz von 243. Die Gruppe der 10- bis 14-Jährigen belegt mit 233 Fällen pro 100.000 den dritten Platz. Zwischen fünf und neun Jahren liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 223. Zum Vergleich: Bundesweit betrug sie am Donnerstag 155.
Wo steht Biontech bei seinen Impfstoffstudien für Kinder?
Laut Biontech-Chef Şahin sind die Studiendaten für die 12- bis 15-Jährigen in den USA für eine bedingte Zulassung bereits eingereicht. In der EU steht die Einreichung kurz bevor. Şahin sagte, es gebe zudem eine zweite klinische Studie mit knapp 4600 jüngeren Kindern, die schon weit fortgeschritten sei. Im Juli könnten erste Ergebnisse für die Gruppe der Fünf- bis Zwölfjährigen vorliegen, im September für noch jüngere Kinder. Nach den bereits vorliegenden Studiendaten war der Biontech-Stoff bei älteren Kindern ab zwölf Jahren zu 100 Prozent wirksam und gut verträglich, wie Şahin sagte. Dies deute darauf hin, „dass Kinder durch die Impfung besonders gut geschützt sind“.
Welche offenen Fragen gibt es?
Laut Spahn ist beispielsweise unklar, ob für die Impfung von Kindern und Jugendlichen eine andere Dosierung nötig wird und ob deswegen möglicherweise auch Lieferverträge
mit den Impfstoffherstellern nachverhandelt werden müssten. Offen ist zudem, wer Kinder und Jugendliche impfen wird: Neben den Kinderärzten und den Hausärzten sei es auch denkbar, mobile Impfteams in die Schulen zu schicken.
Könnten sich Impfungen für Kinder auf die Priorisierung auswirken? Spahn lehnt eine Änderung der Priorisierung zugunsten Jüngerer ab. Bei der Impfreihenfolge gehe es darum, das Risiko für schwere Krankheitsverläufe zu reduzieren – und hier seien nun einmal andere Altersgruppen deutlich gefährdeter. Auch der Chef des RKI, Lothar Wieler, erinnerte daran, dass aktuell gehöchsten. rade erst zwei Drittel der über 80Jährigen geimpft seien und erst rund 30 Prozent der über 70-Jährigen. Zudem könnte es laut Spahn Probleme mit der benötigten Impfstoffmenge geben. Er dämpft daher die Erwartungen, dass im Juni so viele Dosen zur Verfügung stehen, dass alle Bürger zwischen 12 und 60 Jahren geimpft werden könnten. Das Ziel ließe sich – Stand jetzt – frühestens in den Sommerferien erreichen.
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, äußert ebenfalls Zweifel, dass im Fall einer Impfstoffzulassung für Jüngere mit raschen Impffortschritten in der Schülerschaft zu rechnen ist. Beim Tempo, das bisher für Schutzmaßnahmen an Schulen vorgelegt worden sei, „fällt es schwer, sich vorzustellen, dass ab Juni Kinder und Jugendliche in so großem Stil geimpft sein könnten, um noch vor den Sommerferien größtenteils von Fern- und Wechselunterricht wieder auf Präsenzunterricht umzustellen“, sagte Tepe unserer Redaktion. Selbst die meisten Lehrkräfte hätten noch keine Corona-Impfung.