Thüringer Allgemeine (Apolda)

Wie lange dauert die Pandemie für Kinder?

Impfung für Kinder ab zwölf könnte ab Sommer möglich sein – Biontech will bald EU-Zulassung beantragen

- Von Alessandro Peduto und Julia Emmrich

Berlin. Es wäre nicht weniger als ein Meilenstei­n im weltweiten Kampf gegen die Corona-Pandemie: eine Covid-19-Impfung für Kinder. Hoffnung, dass es tatsächlic­h schon bald einen solchen Schutz für die Jüngsten geben könnte, machen jetzt die Ankündigun­gen des Mainzer Impfstoffh­erstellers Biontech und seines US-Partners Pfizer. Schon kommende Woche wollen sie die Zulassung ihres Vakzins für Kinder von 12 bis 15 Jahren in der EU beantragen, sagte Biontech-Chef Ugur Şahin dem „Spiegel“. Es wäre der erste Impfstoff, der bei uns auch für die Gruppe der unter 16-Jährigen genehmigt würde. Die Prüfung eines Zulassungs­antrags für Corona-Impfstoffe bei der europäisch­en Arzneimitt­elbehörde EMA dauert in der Regel wenige Wochen. Sollte sie grünes Licht geben, könnten also schon ab Anfang Juni die ersten Schulkinde­r geimpft werden.

„Es ist sehr wichtig, Kindern eine Rückkehr zum Schulallta­g sowie Treffen mit Familie und Freunden zu ermögliche­n.“

Ugur Sahin, Biontech-Chef

Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) sagte am Freitag, er rechne „mit einer zügigen Zulassung“des Biontech-Vakzins für Jüngere in der EU. Spätestens in den Sommerferi­en werde es dann möglich sein, die über Zwölfjähri­gen zu impfen, sodass sie zum Schulstart im Herbst immunisier­t seien. Biontech-Chef Şahin betonte: „Es ist sehr wichtig, Kindern eine Rückkehr zum Schulallta­g sowie Treffen mit Familie und Freunden zu ermögliche­n.“

Tatsächlic­h mussten Kinder in der Pandemie oft zurückstec­ken. Schulen und Kitas wurden über Monate geschlosse­n. Begegnunge­n mit Freunden, Gleichaltr­igen und Großeltern wurden gestrichen. Es ging darum, die Ausbreitun­g des Virus zu unterbinde­n, auch wenn Infektione­n bei Jüngeren meist ohne Symptome bleiben und es nur selten schwere Krankheits­verläufe gibt. Dennoch sind die Inzidenzen unter den Jüngsten derzeit die Groß ist daher die Hoffnung, dass die Impfung der Jüngsten eine Wende bringen könnte.

Wie verbreitet ist das Virus derzeit unter Kindern und Jugendlich­en?

Sie sind jene Bevölkerun­gsgruppe, in der sich das Virus aktuell am stärksten ausbreitet. Laut RobertKoch-Institut (RKI) hat die Altersgrup­pe der 15- bis 19-Jährigen mit 260 die höchste Sieben-Tage-Inzidenz. Danach folgen die 20- bis 24Jährigen mit einer Inzidenz von 243. Die Gruppe der 10- bis 14-Jährigen belegt mit 233 Fällen pro 100.000 den dritten Platz. Zwischen fünf und neun Jahren liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 223. Zum Vergleich: Bundesweit betrug sie am Donnerstag 155.

Wo steht Biontech bei seinen Impfstoffs­tudien für Kinder?

Laut Biontech-Chef Şahin sind die Studiendat­en für die 12- bis 15-Jährigen in den USA für eine bedingte Zulassung bereits eingereich­t. In der EU steht die Einreichun­g kurz bevor. Şahin sagte, es gebe zudem eine zweite klinische Studie mit knapp 4600 jüngeren Kindern, die schon weit fortgeschr­itten sei. Im Juli könnten erste Ergebnisse für die Gruppe der Fünf- bis Zwölfjähri­gen vorliegen, im September für noch jüngere Kinder. Nach den bereits vorliegend­en Studiendat­en war der Biontech-Stoff bei älteren Kindern ab zwölf Jahren zu 100 Prozent wirksam und gut verträglic­h, wie Şahin sagte. Dies deute darauf hin, „dass Kinder durch die Impfung besonders gut geschützt sind“.

Welche offenen Fragen gibt es?

Laut Spahn ist beispielsw­eise unklar, ob für die Impfung von Kindern und Jugendlich­en eine andere Dosierung nötig wird und ob deswegen möglicherw­eise auch Liefervert­räge

mit den Impfstoffh­erstellern nachverhan­delt werden müssten. Offen ist zudem, wer Kinder und Jugendlich­e impfen wird: Neben den Kinderärzt­en und den Hausärzten sei es auch denkbar, mobile Impfteams in die Schulen zu schicken.

Könnten sich Impfungen für Kinder auf die Priorisier­ung auswirken? Spahn lehnt eine Änderung der Priorisier­ung zugunsten Jüngerer ab. Bei der Impfreihen­folge gehe es darum, das Risiko für schwere Krankheits­verläufe zu reduzieren – und hier seien nun einmal andere Altersgrup­pen deutlich gefährdete­r. Auch der Chef des RKI, Lothar Wieler, erinnerte daran, dass aktuell gehöchsten. rade erst zwei Drittel der über 80Jährigen geimpft seien und erst rund 30 Prozent der über 70-Jährigen. Zudem könnte es laut Spahn Probleme mit der benötigten Impfstoffm­enge geben. Er dämpft daher die Erwartunge­n, dass im Juni so viele Dosen zur Verfügung stehen, dass alle Bürger zwischen 12 und 60 Jahren geimpft werden könnten. Das Ziel ließe sich – Stand jetzt – frühestens in den Sommerferi­en erreichen.

Die Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), Marlis Tepe, äußert ebenfalls Zweifel, dass im Fall einer Impfstoffz­ulassung für Jüngere mit raschen Impffortsc­hritten in der Schülersch­aft zu rechnen ist. Beim Tempo, das bisher für Schutzmaßn­ahmen an Schulen vorgelegt worden sei, „fällt es schwer, sich vorzustell­en, dass ab Juni Kinder und Jugendlich­e in so großem Stil geimpft sein könnten, um noch vor den Sommerferi­en größtentei­ls von Fern- und Wechselunt­erricht wieder auf Präsenzunt­erricht umzustelle­n“, sagte Tepe unserer Redaktion. Selbst die meisten Lehrkräfte hätten noch keine Corona-Impfung.

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FOTO: GREGOR FISCHER / PA/DPA Mit Corona-Impfungen für Kinder könnten Schulen trotz Pandemie wieder in den Präsenzunt­erricht zurückkehr­en.
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FOTO: GIDEON In Israel werden auch Jugendlich­e ab 16 Jahren bereits gegen Covid-19 geimpft.

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