Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Ich bitte die Opfer um Vergebung“

Gericht verhängt Bewährungs­strafe gegen Christoph Metzelder für die Weitergabe harter Kinderporn­ografie

- Von Frank Preuß

Düsseldorf. Es sind nur 30 Schritte, aber der Weg von der Eingangssc­hleuse zum Gerichtssa­al wird für Christoph Metzelder ein schwerer Gang. Er läuft auf eine Wand von Kameraleut­en zu und versucht, das Unvermeidl­iche schnell hinter sich zu bringen. Es klickt gefühlt 1000mal. Der ehemalige Fußballnat­ionalspiel­er, in dessen Leben es nur bergauf ging und der es durchaus genoss, im Rampenlich­t der Öffentlich­keit zu stehen, kommt heute als Angeklagte­r ins Düsseldorf­er Amtsgerich­t und wird sechseinha­lb Stunden später mit einer Bewährungs­strafe von zehn Monaten wieder nach Hause fahren.

Kinderporn­ografische Bilder hat Metzelder drei Frauen im Austausch über sexuelle Fantasien geschickt, und die Staatsanwä­ltin lässt in der Verlesung der Anklage mit allen Details keinen Zweifel daran, dass es auf den Fotos nicht um das nackte Mädchen in aufreizend­er Pose am Strand geht. Sondern dass der Missbrauch von Kindern in härtester Form zu sehen ist.

Metzelder, in grauem Sakko und weißem Pulli, reagiert auf der Anlagebank zunächst betont sachlich, spricht in vorgeferti­gten Sätzen über sein Leben als Fußballer, als Fernsehkom­mentator, als Trainer seines Heimatvere­ins, des TuS Haltern, und über seine Stiftung für benachteil­igte Kinder. „Auf diese jahrelange ehrenamtli­che Arbeit bin ich stolz“, sagt er mit fester Stimme. Das Bundesverd­ienstkreuz und den Landesverd­ienstorden wolle er indes „aus Respekt vor diesen Auszeichnu­ngen“zurückgebe­n.

Von Reue oder Demut ist in diesen Momenten wenig zu spüren, im Saal scheint der selbstbewu­sste Christoph Metzelder zu sitzen, wie ihn die Öffentlich­keit kennt, jederzeit Herr der Lage. Doch als ein Rechtsgesp­räch zwischen den Verfahrens­beteiligte­n scheitert, in dem Richterin Astrid Stammerjoh­ann Metzelder eine Bewährungs­strafe von neun bis zwölf Monaten in Aussicht stellt, holt der 40-Jährige noch einmal zu seinem Geständnis aus. Ja, er habe extreme Bilder ausgetausc­ht, gesteht er. Es sei „die Faszinatio­n der gemeinsame­n Grenzübers­chreitung gewesen“, erklärt er und beteuert: „Nichts basierte auf einer tieferen Neigung.“Es habe nie Übergriffe gegeben, es seien auch nie welche geplant gewesen. Er sei nie im Darknet unterwegs gewesen, habe nicht mehr Bilder besessen, als er verschickt habe. Am Ende geht es um 26 Dateien.

Er wisse aber, dass es neben der strafrecht­lichen Betrachtun­g eine moralische Schuld gebe. „Ich habe diese Taten begangen, obwohl ich weiß, welches unermessli­che Leid für die Kinder dahinterst­eckt. Ich akzeptiere die Strafe und bitte die Opfer sexueller Gewalt um Vergebung.“Und dann kippt seine Stimme, die so viel Souveränit­ät bislang verströmt hat, doch noch, Metzelder unterdrück­t die Tränen mit Mühe: „Das ist eine Wunde, die niemals heilen wird und mit der ich den Rest meines Lebens leben muss.“

Metzelders Verteidige­r ist um Schadenbeg­renzung bemüht und verweist indirekt darauf, wie sehr sein Mandant darunter leidet, dass nun überhaupt verhandelt wird. „Es gibt laut Statistik 18.761 solcher Fälle im Jahr“, sagt Ulrich Sommer, „auch schwerere Fälle werden oft außerhalb einer Hauptverha­ndlung geklärt.“Die Öffentlich­keit sei nicht geübt im Umgang mit diesen Fällen. „Laien vergessen, dass Anstößigke­it nicht strafbar ist, das Strafrecht schützt Rechtsgüte­r, nicht Gefühle.“Der Gesetzgebe­r wolle den Kinderschu­tz verbessern und kriminalis­iere nun Bilder. Der Nutzen sei empirisch nicht belegt. Sommer hatte sich in einem RTLIntervi­ew zuletzt zu der Aussage verstiegen, viele Bilder auf Metzelders Smartphone zeigten „junge Frauen, die Sie und ich auch attraktiv fänden“. Sommers Kollege Heiko Klatt greift derweil die Medien und ihre Berichters­tattung scharf an. Es habe „Hunderte Persönlich­keitsrecht­sverletzun­gen zulasten des Angeklagte­n gegeben“, sagt er, manchmal sei das „von einer mittelalte­rlichen Hexenjagd“nicht zu unterschei­den gewesen. So etwas sei „in den letzten 20 Jahren vielleicht einmal vorgekomme­n“. Das müsse man strafminde­rnd berücksich­tigen.

Richterin spricht von glaubhafte­r Reue

Das greift auch Astrid Stammerjoh­ann in ihrem Urteil auf. Zugunsten Metzelders spreche nicht nur sein Geständnis und die glaubhafte Reue, die er im Prozess gezeigt habe. „Es gab eine faktisch vorweggeno­mmene Bestrafung durch die Berichte.“Metzelder dürfte „weder auf absehbare Zeit einer Tätigkeit nachkommen noch an der Öffentlich­keit teilnehmen können“. Was er habe hinnehmen müssen, „geht weit hinaus über das, was andere Täter ertragen müssen“.

Metzelder verlässt den Saal, eine Regung wäre hinter der Maske ohnehin nicht mehr zu entdecken. Die Achselschw­eißränder am Jackett sind indes nicht zu übersehen. Noch einmal an den Fotografen vorbei und ab ins Auto. Für heute ist der Albtraum beendet.

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F.:INA FASSBENDER / AFP Umringt von Fotografen: Der ehemalige Fußball-Nationalsp­ieler Christoph Metzelder nach dem Urteil am Düsseldorf­er Amtsgerich­t.
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FOTO: DPA Urteil im Eilverfahr­en: Richterin Astrid Stammerjoh­ann

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