Thüringer Allgemeine (Apolda)

Botschafte­n, Demos und Zerstörung

Inhalte werden am Tag der Arbeit schnell von massivem Polizeiein­satz überlagert. Wieder Vandalismu­s in Jena

- Von Kai Mudra, Michael Baar und Fabian Klaus

Erfurt/Jena/Weimar. Susanne Hennig-Wellsow (Linke) steht lässig am Rande des Weimarer Marktplatz­es. Dort läuft am 1. Mai eine der DGBKundgeb­ungen in Thüringen. Was wichtig ist an diesem Tage der Arbeit? „Corona beziehungs­weise Long Covid muss als Berufskran­kheit nicht nur in klassische­n Gesundheit­sberufen, sondern auch in den Bereichen, die gesellscha­ftlich relevant sind, anerkannt werden“, formuliert die Bundesvors­itzende, bis vor wenigen Wochen Fraktionsu­nd Landeschef­in ihrer Partei in Thüringen, eine Forderung im Gespräch mit dieser Zeitung. Das solle für Lehrer, Polizisten aber auch Verkäufer gelten.

Am Tag der Arbeit steht der Vormittag im Zeichen der politische­n Botschafte­n. Sowohl in Erfurt, wo DGB-Chef Sandro Witt eine bessere Finanzieru­ng des öffentlich­en Gesundheit­swesens und des öffentlich­en Dienstes fordert, als auch in Weimar und Jena finden DGBKundgeb­ungen statt. Solche von Querdenker­n und Rechtsextr­emisten werden teilweise verboten. Die übernehmen dennoch im Tagesverla­uf das Kommando und überlagern die inhaltlich­e Befassung mit dem Tag der Arbeit. Die Polizei hatte sich auf Erfurt, Weimar und Jena als Einsatzsch­werpunkte konzentrie­rt. Das zahlt sich im Tagesverla­uf noch aus.

Weimar rückt schließlic­h stärker in den Fokus – weil sich dort immer mehr Personen aus der Querdenker-Szene einfinden. Offenbar schaffen sie es, die großangele­gten Kontrollen der Einfallsst­raßen zu umgehen. Zu den bekanntest­en Größen der Szene in Weimar gehört neben den Anwälten Markus Haintz, Anmelder einer der verbotenen Kundgebung­en, und Ralf Ludwig auch Thomas Brauner, besser bekannt als „Thomas, der Busfahrer“. Brauner hatte Kinder in einem Schulbus, den er fuhr, aufgeforde­rt, die Masken abzunehmen.

In Weimar heizt er die Stimmung gemeinsam mit dem Corona-Kritiker Björn W. aus Thüringen, alias Björn Banane, einem selbst ernannten Ballermann-Sänger, immer wieder an. Zunächst bei einer illegalen Kundgebung am Amtsgerich­t, die in eine 100-Meter-Demo übergeht und von der Polizei rigoros gestoppt wird. Später dann am Schwanseeb­ad, als sich der nächste illegale Aufzug in einem Polizeikes­sel wiederfind­et. Immer mittendrin: Banane und Brauner.

Die Polizei reagiert auf die sich zuspitzend­e Lage in Weimar und verlegt Kräfte aus Erfurt und Jena in die Stadt. Denn dort verläuft der Tag vergleichs­weise ruhig. In Jena ist die Kundgebung der rechtsextr­emen Partei „III. Weg“verboten. Das wird akzeptiert. In Erfurt stehen auf dem Domplatz 240 Rechtsextr­emisten etwa 1000 Demonstran­ten gegenüber – auch hier meldet die Polizei keine Zwischenfä­lle. Abgesehen von gewaltbere­iten Hooligans aus Niedersach­sen und Sachsen-Anhalt, die von Erfurt nur den Bahnhof

sehen. Sofort nach ihrem Eintreffen erfahren sie von der Polizei von ihrer begleitete­n Rückreise im Zug. Ein AfD-Autokorso gegen die Corona-Maßnahmen rollt nahezu störungslo­s durch Erfurt.

In Weimar wiederum zieht sich das Geschehen bis zum Abend hin, weil es 1000 Querdenker in die Stadt geschafft haben. Am Amtsgerich­t, das sein Hausrecht durchsetzt, wird das Ablegen von weißen Rosen und einer Kerze zum Gedenken an den vermeintli­ch gefährdete­n Rechtsstaa­t zunächst verboten – geht dann aber doch an einem Bauzaun. Zwischenze­itlich hat sich schon ein Blumenmeer vor einer Grundschul­e und am Buchenwald­platz gebildet. Hohn für die Holocaustü­berlebende­n: Einige der Teilnehmen­den missbrauch­en das Andenken an Sophie Scholl und legen ihre Rosen vor den in der Stadt aufgestell­ten Bildnissen der Buchenwald­überlebend­en nieder.

Mehrere illegale Ansammlung­en werden zunächst nicht aufgelöst. Grund: Die Polizei muss erst die Einsatzkrä­fte heranbring­en. Mehrfach

kommt Pfefferspr­ay zum Einsatz. Das Geschehen beruhigt sich erst gegen Abend. Irgendwann beginnt es zu regnen. Die Polizei nimmt in Weimar noch eine Frau in Gewahrsam, die einem Platzverwe­is nicht folgen will.

In der Nacht muss die Polizei dann erneut ausrücken – in Jena. Dort haben Unbekannte die Scheiben von zwei Bankfilial­en eingeschla­gen und ein Bild der Verwüstung hinterlass­en. Die Kripo ermittelt. Die Aufarbeitu­ng des 1. Mai wird also noch ein bisschen dauern.

 ?? FOTO: FABIAN KLAUS ?? Als Polizisten einen Aufzug in Weimar stoppen, kommt mehrfach Pfefferspr­ay zum Einsatz. Teilnehmer einer illegalen Kundgebung hatten zuvor versucht, eine Polizeiket­te zu durchbrech­en.
FOTO: FABIAN KLAUS Als Polizisten einen Aufzug in Weimar stoppen, kommt mehrfach Pfefferspr­ay zum Einsatz. Teilnehmer einer illegalen Kundgebung hatten zuvor versucht, eine Polizeiket­te zu durchbrech­en.
 ?? FOTO: KAI MUDRA ?? Deutlich frustriert und mit Widerstand reagierten Hooligans und Neonazis in Erfurt darauf, dass die Polizei sie zurückgesc­hickt hat.
FOTO: KAI MUDRA Deutlich frustriert und mit Widerstand reagierten Hooligans und Neonazis in Erfurt darauf, dass die Polizei sie zurückgesc­hickt hat.
 ?? FOTO: KATJA DÖRN ?? In der Nacht wurden in Jena die Scheiben einer Bankfilial­e von Unbekannte­n zerschlage­n.
FOTO: KATJA DÖRN In der Nacht wurden in Jena die Scheiben einer Bankfilial­e von Unbekannte­n zerschlage­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany