Botschaften, Demos und Zerstörung
Inhalte werden am Tag der Arbeit schnell von massivem Polizeieinsatz überlagert. Wieder Vandalismus in Jena
Erfurt/Jena/Weimar. Susanne Hennig-Wellsow (Linke) steht lässig am Rande des Weimarer Marktplatzes. Dort läuft am 1. Mai eine der DGBKundgebungen in Thüringen. Was wichtig ist an diesem Tage der Arbeit? „Corona beziehungsweise Long Covid muss als Berufskrankheit nicht nur in klassischen Gesundheitsberufen, sondern auch in den Bereichen, die gesellschaftlich relevant sind, anerkannt werden“, formuliert die Bundesvorsitzende, bis vor wenigen Wochen Fraktionsund Landeschefin ihrer Partei in Thüringen, eine Forderung im Gespräch mit dieser Zeitung. Das solle für Lehrer, Polizisten aber auch Verkäufer gelten.
Am Tag der Arbeit steht der Vormittag im Zeichen der politischen Botschaften. Sowohl in Erfurt, wo DGB-Chef Sandro Witt eine bessere Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens und des öffentlichen Dienstes fordert, als auch in Weimar und Jena finden DGBKundgebungen statt. Solche von Querdenkern und Rechtsextremisten werden teilweise verboten. Die übernehmen dennoch im Tagesverlauf das Kommando und überlagern die inhaltliche Befassung mit dem Tag der Arbeit. Die Polizei hatte sich auf Erfurt, Weimar und Jena als Einsatzschwerpunkte konzentriert. Das zahlt sich im Tagesverlauf noch aus.
Weimar rückt schließlich stärker in den Fokus – weil sich dort immer mehr Personen aus der Querdenker-Szene einfinden. Offenbar schaffen sie es, die großangelegten Kontrollen der Einfallsstraßen zu umgehen. Zu den bekanntesten Größen der Szene in Weimar gehört neben den Anwälten Markus Haintz, Anmelder einer der verbotenen Kundgebungen, und Ralf Ludwig auch Thomas Brauner, besser bekannt als „Thomas, der Busfahrer“. Brauner hatte Kinder in einem Schulbus, den er fuhr, aufgefordert, die Masken abzunehmen.
In Weimar heizt er die Stimmung gemeinsam mit dem Corona-Kritiker Björn W. aus Thüringen, alias Björn Banane, einem selbst ernannten Ballermann-Sänger, immer wieder an. Zunächst bei einer illegalen Kundgebung am Amtsgericht, die in eine 100-Meter-Demo übergeht und von der Polizei rigoros gestoppt wird. Später dann am Schwanseebad, als sich der nächste illegale Aufzug in einem Polizeikessel wiederfindet. Immer mittendrin: Banane und Brauner.
Die Polizei reagiert auf die sich zuspitzende Lage in Weimar und verlegt Kräfte aus Erfurt und Jena in die Stadt. Denn dort verläuft der Tag vergleichsweise ruhig. In Jena ist die Kundgebung der rechtsextremen Partei „III. Weg“verboten. Das wird akzeptiert. In Erfurt stehen auf dem Domplatz 240 Rechtsextremisten etwa 1000 Demonstranten gegenüber – auch hier meldet die Polizei keine Zwischenfälle. Abgesehen von gewaltbereiten Hooligans aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, die von Erfurt nur den Bahnhof
sehen. Sofort nach ihrem Eintreffen erfahren sie von der Polizei von ihrer begleiteten Rückreise im Zug. Ein AfD-Autokorso gegen die Corona-Maßnahmen rollt nahezu störungslos durch Erfurt.
In Weimar wiederum zieht sich das Geschehen bis zum Abend hin, weil es 1000 Querdenker in die Stadt geschafft haben. Am Amtsgericht, das sein Hausrecht durchsetzt, wird das Ablegen von weißen Rosen und einer Kerze zum Gedenken an den vermeintlich gefährdeten Rechtsstaat zunächst verboten – geht dann aber doch an einem Bauzaun. Zwischenzeitlich hat sich schon ein Blumenmeer vor einer Grundschule und am Buchenwaldplatz gebildet. Hohn für die Holocaustüberlebenden: Einige der Teilnehmenden missbrauchen das Andenken an Sophie Scholl und legen ihre Rosen vor den in der Stadt aufgestellten Bildnissen der Buchenwaldüberlebenden nieder.
Mehrere illegale Ansammlungen werden zunächst nicht aufgelöst. Grund: Die Polizei muss erst die Einsatzkräfte heranbringen. Mehrfach
kommt Pfefferspray zum Einsatz. Das Geschehen beruhigt sich erst gegen Abend. Irgendwann beginnt es zu regnen. Die Polizei nimmt in Weimar noch eine Frau in Gewahrsam, die einem Platzverweis nicht folgen will.
In der Nacht muss die Polizei dann erneut ausrücken – in Jena. Dort haben Unbekannte die Scheiben von zwei Bankfilialen eingeschlagen und ein Bild der Verwüstung hinterlassen. Die Kripo ermittelt. Die Aufarbeitung des 1. Mai wird also noch ein bisschen dauern.