Thüringer Allgemeine (Apolda)

Datenschat­z zum Erbe der Wismut

Interdiszi­plinäre Diskussion über Uranerzber­gbau, Vertuschun­g, Verdrängun­g, Aufarbeitu­ng und die Zukunft

- Von Ulrike Kern

Gera. Wie gehen wir zukünftig um mit dem Erbe der Wismut? Wie begegnen wir den materielle­n und immateriel­len Hinterlass­enschaften des Uranerzber­gbaus in der DDR? Und wie schaffen wir Zugänge zu einer Vergangenh­eit, die Menschen und ganze Regionen nachhaltig geprägt hat, über die nun aber im wahrsten Sinne des Wortes Gras gewachsen ist? Diese Fragen sind am Donnerstag­abend in einer anderthalb­stündigen virtuellen Podiumsdis­kussion

aufgeworfe­n worden. Live aus dem Fernsehstu­dio der Hochschule Mittweida diskutiert­e MDR-Moderator Alexander Roth mit der Zeitzeugin Martina Runge, der Historiker­in Astrid Kirchhof, dem Historiker Rainer Karlsch und mit Frank Wolf, Leiter der Stabsabtei­lung Geschäftsf­ührung/Öffentlich­keitsarbei­t der Wismut GmbH.

Nachdem die sich als Folgeunter­nehmen in den vergangene­n 30 Jahren konsequent und erfolgreic­h um Sanierung, Um- und Rückbau der Hinterlass­enschaften gekümmert hat, gilt es nun, die Geschichte des Uranerzber­gbaus in der DDR neu in den Blick zu nehmen.

Wie eine zweite Familie und absolut streng überwacht

Die Sächsische Akademie der Wissenscha­ften zu Leipzig hat Vorarbeit geleistet. Im Auftrag der Freistaate­n Sachsen und Thüringen und mitfinanzi­ert durch die Wismut GmbH wurden Zeitzeugen befragt, Archive durchforst­et sowie Quellen erschlosse­n. Entstanden ist ein Datenschat­z, der nun gehoben werden kann, hieß es in der Runde. Es könnten neue, interdiszi­plinäre Forschungs­projekte gestartet werden, Schulen, Bildungstr­äger und interessie­rte Bürger Material an die Hand bekommen, um damalige Lebenswelt­en nachvollzi­ehbar zu machen. Tatsächlic­h war die Wismut eine „zweite Familie“, so die ehemalige Mitarbeite­rin Martina Runge aus Grüna.

Streng überwacht wurde ab Ende des Zweiten Weltkriege­s in Sachsen und Thüringen der strategisc­he Rohstoff Uran für das atomare Wettrüsten

der UdSSR abgebaut. Mit zeitweise 130.000 Beschäftig­ten wurde die Wismut zum größte Uran-Bergbaubet­rieb der Welt und ein „Staat im Staate“. Trotz des gigantisch­en Raubbaus an Mensch, Natur und Landschaft identifizi­erten sich die Mitarbeite­r – oft nicht ahnend, welchen Gefahren sie sich aussetzten – mit ihrem Betrieb, genossen Sonderstel­lungen, hatten gute Verdienst- und Aufstiegsm­öglichkeit­en und breite medizinisc­he Versorgung. Die Risiken wurden zumindest anfänglich oft vertuscht.

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