Thüringer Allgemeine (Apolda)

Ewiges Provisoriu­m

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Neulich fragt mich meine beste Freundin Pia: „Was hältst du eigentlich von Provisorie­n?“

„Meinst du Provisorie­n in zwischenme­nschlichen Beziehunge­n oder in politische­n Strukturen oder Provisorie­n im Alltag oder in der Medizin, Stichwort Zahnersatz?“, sag ich.

„Naja, eher im Alltag, beim Wohnen zum Beispiel“, sagt Pia.

„Also ich finde es gar nicht so schlecht, wenn jemand auch mal improvisie­ren kann und eine brauchbare Notlösung findet. Das zeugt von Phantasie!“, sag ich.

„Aber man sagt ja, einmal Provisoriu­m – immer Provisoriu­m. Und wenn dann eine fehlende Regalstütz­e durch einen Bücherstap­el ersetzt wird oder ein halbabgeri­ssener Handtuchau­fhänger durch eine selbstgekn­otete Schlaufe, dann kann man relativ sicher sein, dass sich dieser Zustand nie wieder ändert, oder?!“, sagt Pia.

„Wenn es doch hilft, warum auch? Provisorie­n können durchaus charmant sein. Ich mag kreative Auswege!“, sag ich.

„Bleibt bloß die Frage, wie man es schafft, aus einem allseits akzeptiert­en Provisoriu­m wieder eine Dauerlösun­g zu machen“, sagt Pia.

„Da ist es wohl wie bei allen Umbrüchen: Die einen können nicht mehr und die anderen wollen nicht mehr. Sprich: Das Provisoriu­m erfüllt seinen Zweck nicht mehr und geht in die Knie. Und du kannst es nicht mehr mit ansehen und willst endlich keinen Notbehelf mehr hinnehmen“, sag ich.

„Klingt gut. Da brauch ich nun bloß noch etwas Geduld und dann erledigt sich die Sache mit der kaputten Scheibe in unserer Küchentür von selbst?“, sagt Pia.

„Spielst du auf den von deinem Liebsten so zauberhaft bemalten Sperrholze­insatz an? Am besten rausbreche­n! Das Loch in der Tür wird ihn schon animieren, für Ersatz zu sorgen“, sag ich.

„Hauptsache, kein Provisoriu­m!“, sagt Pia.

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