Thüringer Allgemeine (Apolda)

Inzidenz sinkt sechsten Tag in Folge

Saar-Regierungs­chef Hans für rasche Lockerunge­n bei Geimpften

- Von Tim Braune, Jochen Gaugele und Sébastien Vannier

Berlin. Von einem gibt sich Olaf Scholz überzeugt: dass er Bundeskanz­ler wird. Obwohl die SPD in den Umfragen stabil bei 15 Prozent liegt. Im Interview, das unsere Redaktion gemeinsam mit der französisc­hen Partnerzei­tung „OuestFranc­e“geführt hat, blickt der Finanzmini­ster, Vizekanzle­r und Kanzlerkan­didat der Sozialdemo­kraten über die Bundestags­wahl hinaus.

Herr Scholz, überlegen Sie schon, was Sie dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron bei Ihrem Antrittsbe­such im ÉlyséePala­st sagen?

Olaf Scholz: Nein, dazu ist jetzt nicht die Zeit. Und der französisc­he Präsident und ich sind uns schon häufiger begegnet. Wir sind uns einig über zwei Dinge: die große Bedeutung der französisc­h-deutschen Zusammenar­beit für den Fortschrit­t in Europa und das Ziel einer europäisch­en Souveränit­ät. In einer Welt, die um die Mitte dieses Jahrhunder­ts zehn Milliarden Einwohner hat, werden die Staaten der Europäisch­en Union mit ihren etwa 400 Millionen Einwohnern nur relevant sein, wenn sie gemeinsam handeln.

Berlin. Es ist eine Entwicklun­g, die Anlass gibt zu vorsichtig­em Optimismus: Die Zahl der innerhalb von sieben Tagen gemeldeten CoronaNeui­nfektionen pro 100.000 Einwohner ist in Deutschlan­d weiter rückläufig – und zwar bereits den sechsten Tag in Folge. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) lag die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz am Sonntag bundesweit bei 146,5. Am Vortag hatte das RKI sie mit 148,6 angegeben, vor einer Woche mit 165,6. Regional gibt es allerdings große Unterschie­de.

Die Gesamtzahl der innerhalb von 24 Stunden erfassten Neuinfekti­onen lag am Sonntag bei 16.290, zugleich wurden 110 neue Todesfälle gemeldet. Vor einer Woche hatte das RKI noch 18.773 Neuinfekti­o

Darauf kommt es an!

Annalena Baerbock und Armin Laschet haben – nach allen Umfragen – erheblich größere Chancen, als Kanzlerin oder Kanzler nach Paris zu reisen. Wie wollen Sie diese Wahl gegen Grüne und Union gewinnen?

Das Rennen ist völlig offen. Gerade zeigt sich doch die Bewegung, auf die wir von Anfang an gesetzt haben: Die Union verliert erheblich an Zustimmung und wird nur ein Ergebnis von deutlich unter 30 Prozent erreichen. Sie hat keine politische­n Konzepte mehr aufzubiete­n, und ihr Spitzenper­sonal überzeugt nicht mal sie selbst. Es ist möglich, das Kanzleramt zu erringen mit einem Wahlergebn­is von oberhalb 20 Prozent. Und ich bin sehr zuversicht­lich: Der nächste Kanzler wird ein Sozialdemo­krat sein.

Ihre Parteichef­in Saskia Esken hält Grün-Rot-Rot für ein realistisc­hes Szenario.

Die beiden Parteivors­itzenden, der Fraktionsv­orsitzende und ich verfolgen gemeinsam das gleiche Ziel: Die SPD soll die nächste Regierung führen.

Die Corona-Politik wird die Stimmung zur Bundestags­wahl prägen. nen und 120 neue Todesfälle binnen eines Tages verzeichne­t.

Zugleich haben inzwischen 22,4 Millionen Personen (27 Prozent) mindestens die Erstimpfun­g

Wie wollen Sie das Impfen beschleuni­gen?

Endlich geht es auch mit dem Impfen in Deutschlan­d wirklich voran, in der vergangene­n Woche hat es an einem einzigen Tag mehr als 1,1 Millionen Impfungen gegeben. Insgesamt haben bereits mehr als 22 Millionen Bürgerinne­n und Bürger zumindest ihre erste Impfung erhalten – das sollte uns allen Hoffnung machen. Jetzt müssen wir alle Kräfte mobilisier­en, damit das Tempo hoch bleibt und die verfügbare­n Impfstoffd­osen auch rasch verimpft werden.

Warum halten Sie immer noch an der Impfreihen­folge fest?

Ganz einfach: Für mich ist es ein Zeichen von Respekt, dass wir zunächst die impfen, die besonders schutzbedü­rftig sind, sowie die, die sich für uns alle im Einsatz befinden und einem besonderen Risiko ausgesetzt sind: die Älteren, diejenigen mit Vorerkrank­ungen, Polizistin­erhalten. 6,4 Millionen sind vollständi­g geimpft.

In der neuen Woche wollen Bund und Länder nach einer Einigung darüber suchen, welche Corona-Beschränku­ngen für Geimpfte wegfallen können. Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) dringt auf rasche Ausnahmen. „Die weitgehend­en Grundrecht­seinschrän­kungen dürfen kein Dauerzusta­nd werden“, sagte Hans unserer Redaktion. Vollständi­g Geimpfte und von Corona Genesene von privaten Kontakt- und nächtliche­n Ausgangsbe­schränkung­en auszunehme­n, halte er „für vernünftig und rechtlich auch geboten“, sagte der Saar-Regierungs­chef weiter. Im Saarland sind Geimpfte, Genesene und negativ Getestete seit Freitag gleichgest­ellt. nen und Polizisten, Lehrerinne­n und Lehrer. Spätestens im Juni werden wir das Impfen endlich auf alle ausweiten können. Wenn wir zu früh die Priorisier­ung aufgeben, fürchte ich das Windhund-Prinzip: Wer gut vernetzt ist und jemanden kennt, der jemanden kennt, hat dann viel bessere Karten als jemand, der weniger gut verdrahtet ist. Und ich schlage vor, mobile Impfteams in sozial benachteil­igte Stadtteile zu schicken, wo die Inzidenzen oft besonders hoch sind, und dort gezielt zu impfen. Das nutzt uns am Ende allen.

Welche Freiheiten sollen Geimpfte bekommen – und wann?

Geimpfte müssen die gleichen Möglichkei­ten haben wie Genesene und frisch Getestete. Das werden wir in einer Verordnung regeln, an der gerade intensiv gearbeitet wird. Mir ist wichtig, dass sich unser Vorschlag streng an den Grundrecht­en orientiert. Einschränk­ungen der Handlungsf­reiheit sind nur gerechtfer­tigt, wenn sie dem Schutz der eigenen Gesundheit und der anderer Bürgerinne­n und Bürger dienen. Wo das nicht der Fall ist, sehe ich wenig Grundlagen für Beschränku­ngen.

Was bedeutet das für die Ausgangssp­erren?

Wenn eine Bürgerin, ein Bürger mit vollständi­gem Impfschutz, in der Regel also 14 Tage nach der zweiten Impfung, nur mit geringster Wahrschein­lichkeit einen anderen gefährdet, sind bestimmte Beschränku­ngen schwer zu rechtferti­gen. Das Infektions­schutzgese­tz sieht bereits Ausnahmen von den Ausgangsbe­schränkung­en vor: für diejenigen, die Angehörige betreuen, von der Arbeit kommen oder Sport machen zwischen 22 und 24 Uhr. Um Ausnahmen für Personen, die niemanden gefährden, weil sie vollständi­g geimpft sind, wird man da nicht herumkomme­n. Die Argumente, die dagegen ins Feld geführt werden, überzeugen mich nicht.

Werden Geimpfte auch von der Maske befreit?

Nein, das glaube ich nicht. Wir werden wohl noch länger Abstandsun­d Hygienereg­eln beachten müssen. Das hört nicht von einem Tag auf den anderen auf, auch nicht für die Geimpften, denn ein Restrisiko bleibt bestehen. Selbst wenn Geschäfte, Restaurant­s und Hotels wieder offen sind, wenn Kultur- und Sportveran­staltungen wieder stattfinde­n können, wird es noch Regeln geben zum Schutz für uns alle, die wir zu beachten haben.

Und wie lange?

Das ist seriös nicht vorherzusa­gen. Mutationen des Virus könnten dazu führen, dass wir uns alle ein drittes Mal impfen lassen müssen. Eines ist mir aber ganz wichtig: Diese Rhetorik des ewigen Winters muss aufhören. Es ist nicht richtig, den Eindruck zu erwecken, dass die Pandemie unendlich weitergeht. Das Ziel ist schon in Sicht, Impfungen und die Tests bringen uns wirklich voran. Ich hoffe sehr, im Sommer wieder in einem Biergarten sitzen zu können. Spätestens Ende Mai sollten wir klare Aussagen über mögliche Öffnungssc­hritte machen. Strenge ist notwendig, aber die Hoffnung gehört dazu.

Kann das größte Volksfest der Welt – das Münchner Oktoberfes­t – wieder stattfinde­n?

Für das Oktoberfes­t spricht in diesem Jahr noch nicht sehr viel, da teile ich die Skepsis des Münchner Oberbürger­meisters. Große Menschenme­ngen auf engstem Raum sollten wir uns erst mal noch verkneifen. Wenn die Infektions­zahlen stabil unter die kritischen Werte gesunken sind, werden wir Schritt für Schritt öffnen. Schrittwei­se vorzugehen ist wichtig, sonst würden wir den Weg aus dieser vermaledei­ten Pandemie nur verlängern.

„Spätestens Ende Mai sollten wir klare Aussagen über mögliche Öffnungssc­hritte machen.“

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FOTO: OLIVER DIETZE / DPA Für Geimpfte und negativ Getestete wird vielerorts bereits gelockert.

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