Kellers Zeit läuft ab
Landes- und Regionalpräsidenten fordern Rücktritt von DFB-Präsidenten
Potsdam. Fritz Keller hatte die Stätte seiner Niederlage schon verlassen. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bunds war durch eine Hintertür des Kongresshotels Potsdam verschwunden, als das vernichtende Urteil verkündet wurde: Die Vorsitzenden der Regional- und Landesverbände entziehen dem Präsidenten das Vertrauen und fordern ihn zum Rücktritt auf, nachdem er seinen Vize Rainer Koch mit den Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte. „Eine derartige Äußerung ist völlig inakzeptabel und macht uns fassungslos. Sie wird auf das Schärfste verurteilt“, erklärte Vizepräsident Ronny Zimmermann, der nach der Krisensitzung als einziger vor die Journalisten trat. „Die Regional- und Landesverbände des DFB stehen für eine demokratische, tolerante und vielfältige Gesellschaft. Die Äußerung des DFB-Präsidenten ist mit diesen Grundwerten nicht vereinbar.“
Kellers Niederlage war krachend, die Abstimmung mit 26:9 Stimmen bei zwei Enthaltungen mehr als deutlich ausgefallen – je nach Größe des jeweiligen Verbands haben die Landeschefs bis zu drei Stimmen. Der von Keller erhoffte außerordentliche Bundestag samt Neuwahl der Verbandsführung wurde einstimmig abgeschmettert.
Gut einen Monat vor Beginn der Europameisterschaft hat sich die Führungskrise im Verband also noch einmal massiv verschärft. Denn auch Kellers Widersacher im monatelangen Machtkampf, Generalsekretär Friedrich Curtius, bekam das Vertrauen entzogen – mit 20:14 Stimmen bei drei Enthaltungen. An Curtius hatte es zuletzt immer stärkere Kritik aus der Reihe der Landesverbände gegeben, die ihn mitverantwortlich machten für das desaströse Erscheinungsbild des DFB. Zudem hatte es einige Merkwürdigkeiten um den Generalsekretär gegeben, etwa die teure Pflege seines Wikipedia-Eintrags durch externe Berater.
Beide, Keller wie Curtius, wollten sich nicht zu dem Votum äußern. Sie dürften aber kaum um einen Rücktritt herumkommen. Rein formal können die Landesfürsten zwar weder den Präsidenten noch den
Generalsekretär aus dem Amt kegeln – aber gegen sie kann im DFB niemand auf Dauer arbeiten.
Keller hatte noch vieles versucht in den vergangenen Tagen, hatte sich in gleich zwei Schreiben an die DFB-Mitarbeiter gewandt und versprochen, sich für Transparenz und ein Ende des Führungsstreits einzusetzen. Bei Koch hatte er mehrfach um Entschuldigung gebeten, telefonisch, schriftlich und am Sonntag in einem persönlichen Gespräch. Der
Erste Vizepräsident nahm die Entschuldigung zwar entgegen – er akzeptierte sie aber nicht.
Und als der Tag zu Ende gegangen war, stand der mächtige Multifunktionär wieder einmal als Sieger im Machtkampf an der Verbandsspitze da. Denn der 62-Jährige war zuletzt auch in die Kritik geraten.
Koch allerdings überstand die Vertrauensfrage mit 21:13 Stimmen bei drei Enthaltungen, ähnlich wie Schatzmeister Stephan Osnabrügge, der ebenfalls im Lager der KellerGegner zu verorten ist. Es war zwar alles andere als ein glanzvolles Ergebnis für Koch, der in der Vergangenheit stets auf den vollen Rückhalt des Amateurlagers zählen konnte. Aber der Strippenzieher hat zumindest für den Moment auch die nächste DFB-Führungskrise überdauert. Auch am Sturz von Kellers Vorgängern Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel war Koch stets beteiligt, ohne selbst Schaden davonzutragen. Im Gegenteil: Koch wurde immer mächtiger, sitzt inzwischen für den DFB auch in der Exekutive der Europäischen Fußball-Union.
Und Keller? Der Präsident steht nach rund anderthalb Jahren vor den Scherben seiner Amtszeit. Im September 2019 war er der frühere Präsident des SC Freiburg mit großen Vorschusslorbeeren vorgeschlagen und auf dem Bundestag einstimmig gewählt worden.
Er sollte das unverbrauchte Gesicht sein, dass der Verband so dringend brauchte, er sollte einen Neuanfang für den krisengeschüttelten Verband verkörpern. Doch schon bald nach seiner Wahl begann der Machtkampf, in dem sich der zum Jähzorn neigende Keller einige Fehler erlaubte. Die Schmähung des mächtigen Vize-Präsidenten war offensichtlich der eine Fehler zu viel.
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