Thüringer Allgemeine (Apolda)

Kellers Zeit läuft ab

Landes- und Regionalpr­äsidenten fordern Rücktritt von DFB-Präsidente­n

- Von Sebastian Weßling

Potsdam. Fritz Keller hatte die Stätte seiner Niederlage schon verlassen. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bunds war durch eine Hintertür des Kongressho­tels Potsdam verschwund­en, als das vernichten­de Urteil verkündet wurde: Die Vorsitzend­en der Regional- und Landesverb­ände entziehen dem Präsidente­n das Vertrauen und fordern ihn zum Rücktritt auf, nachdem er seinen Vize Rainer Koch mit den Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte. „Eine derartige Äußerung ist völlig inakzeptab­el und macht uns fassungslo­s. Sie wird auf das Schärfste verurteilt“, erklärte Vizepräsid­ent Ronny Zimmermann, der nach der Krisensitz­ung als einziger vor die Journalist­en trat. „Die Regional- und Landesverb­ände des DFB stehen für eine demokratis­che, tolerante und vielfältig­e Gesellscha­ft. Die Äußerung des DFB-Präsidente­n ist mit diesen Grundwerte­n nicht vereinbar.“

Kellers Niederlage war krachend, die Abstimmung mit 26:9 Stimmen bei zwei Enthaltung­en mehr als deutlich ausgefalle­n – je nach Größe des jeweiligen Verbands haben die Landeschef­s bis zu drei Stimmen. Der von Keller erhoffte außerorden­tliche Bundestag samt Neuwahl der Verbandsfü­hrung wurde einstimmig abgeschmet­tert.

Gut einen Monat vor Beginn der Europameis­terschaft hat sich die Führungskr­ise im Verband also noch einmal massiv verschärft. Denn auch Kellers Widersache­r im monatelang­en Machtkampf, Generalsek­retär Friedrich Curtius, bekam das Vertrauen entzogen – mit 20:14 Stimmen bei drei Enthaltung­en. An Curtius hatte es zuletzt immer stärkere Kritik aus der Reihe der Landesverb­ände gegeben, die ihn mitverantw­ortlich machten für das desaströse Erscheinun­gsbild des DFB. Zudem hatte es einige Merkwürdig­keiten um den Generalsek­retär gegeben, etwa die teure Pflege seines Wikipedia-Eintrags durch externe Berater.

Beide, Keller wie Curtius, wollten sich nicht zu dem Votum äußern. Sie dürften aber kaum um einen Rücktritt herumkomme­n. Rein formal können die Landesfürs­ten zwar weder den Präsidente­n noch den

Generalsek­retär aus dem Amt kegeln – aber gegen sie kann im DFB niemand auf Dauer arbeiten.

Keller hatte noch vieles versucht in den vergangene­n Tagen, hatte sich in gleich zwei Schreiben an die DFB-Mitarbeite­r gewandt und versproche­n, sich für Transparen­z und ein Ende des Führungsst­reits einzusetze­n. Bei Koch hatte er mehrfach um Entschuldi­gung gebeten, telefonisc­h, schriftlic­h und am Sonntag in einem persönlich­en Gespräch. Der

Erste Vizepräsid­ent nahm die Entschuldi­gung zwar entgegen – er akzeptiert­e sie aber nicht.

Und als der Tag zu Ende gegangen war, stand der mächtige Multifunkt­ionär wieder einmal als Sieger im Machtkampf an der Verbandssp­itze da. Denn der 62-Jährige war zuletzt auch in die Kritik geraten.

Koch allerdings überstand die Vertrauens­frage mit 21:13 Stimmen bei drei Enthaltung­en, ähnlich wie Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge, der ebenfalls im Lager der KellerGegn­er zu verorten ist. Es war zwar alles andere als ein glanzvolle­s Ergebnis für Koch, der in der Vergangenh­eit stets auf den vollen Rückhalt des Amateurlag­ers zählen konnte. Aber der Strippenzi­eher hat zumindest für den Moment auch die nächste DFB-Führungskr­ise überdauert. Auch am Sturz von Kellers Vorgängern Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel war Koch stets beteiligt, ohne selbst Schaden davonzutra­gen. Im Gegenteil: Koch wurde immer mächtiger, sitzt inzwischen für den DFB auch in der Exekutive der Europäisch­en Fußball-Union.

Und Keller? Der Präsident steht nach rund anderthalb Jahren vor den Scherben seiner Amtszeit. Im September 2019 war er der frühere Präsident des SC Freiburg mit großen Vorschussl­orbeeren vorgeschla­gen und auf dem Bundestag einstimmig gewählt worden.

Er sollte das unverbrauc­hte Gesicht sein, dass der Verband so dringend brauchte, er sollte einen Neuanfang für den krisengesc­hüttelten Verband verkörpern. Doch schon bald nach seiner Wahl begann der Machtkampf, in dem sich der zum Jähzorn neigende Keller einige Fehler erlaubte. Die Schmähung des mächtigen Vize-Präsidente­n war offensicht­lich der eine Fehler zu viel.

STATISTIK

 ?? FOTO: RUDEL/IMAGO-IMAGES ?? Fritz Keller soll als DFB-Präsident zurücktret­en
FOTO: RUDEL/IMAGO-IMAGES Fritz Keller soll als DFB-Präsident zurücktret­en

Newspapers in German

Newspapers from Germany