Thüringer Allgemeine (Apolda)

Kontrolle auf Sparflamme

Strafvollz­ugskommiss­ion hat in dieser Legislatur noch kein Gefängnis von innen gesehen

- Von Kai Mudra

Erfurt. Gefängniss­e sind aus gutem Grund schwer zugänglich. Umso mehr Verantwort­ung kommt der Strafvollz­ugskommiss­ion des Landtags zu. Vor allem auch dann, wenn sich Thüringer Haftanstal­ten wegen der Corona-Pandemie noch intensiver nach außen abschotten.

Was hinter den Gittern und Mauern wirklich passiert, sollten eigentlich die Parlamenta­rier im Blick behalten. Doch sie haben als Strafvollz­ugskommiss­ion in dieser Legislatur­periode noch kein Thüringer Gefängnis von innen gesehen. Damit fehlen seit knapp anderthalb Jahren die persönlich­en Kontakte zu den Gefangenen, um sich ihre Sorgen und Nöte anzuhören.

Am Montag wollte die Kommission Thüringens größtes Gefängnis in Gräfentonn­a (Kreis Gotha) besuchen. Kurz davor schickte die Kommission­svorsitzen­de, Carola Stange (Linke), eine Absage an die übrigen Mitglieder und begründete die Entscheidu­ng mit der aktuellen Pandemiela­ge.

Sie sei von der Leitung des Gefängniss­es und dem Justizmini­sterium gebeten worden, die Sitzung zu verschiebe­n, weil sich Justizbedi­enstete wegen der Pandemie in

Quarantäne befinden, erklärt Carola Stange dieser Zeitung.

Zugleich verweist sie darauf, dass Häftlinge immer die Möglichkei­t hätten, sich mit Petitionen an die Kommission zu wenden. Denn das 13-köpfige Gremium ist ein Unteraussc­huss des Petitionsa­usschusses. Auch könnten Abgeordnet­e jederzeit einzelne Gefangene besuchen, so die Kommission­schefin.

Die Entscheidu­ng, den Besuch des Gefängniss­es zu verschiebe­n, sei bedauerlic­h, meint auch Thomas Gottweiss. Der CDU-Abgeordnet­e akzeptiert aber, dass die Pandemiela­ge

der Arbeit der Kommission derzeit Grenzen setzt. Sicherlich sei es wünschensw­ert, die Haftanstal­ten auch von innen zu sehen und mit den Gefangenen zu sprechen, fügt er an.

Für Janine Merz von der SPD ist das längere Fehlen der Abgeordnet­en in den Gefängniss­en gerade unter den besonderen Bedingunge­n der Pandemie schon problemati­sch. Denn außer aus Petitionen von Häftlingen erfahre die Kommission derzeit nur vom Justizmini­sterium was in den Haftanstal­ten passiere. Sie ärgert, dass es bis heute nicht gelungen ist, Videoverbi­ndungen zu nutzen, um mit den Gefangenen als Kommission in Kontakt zu treten. Dabei hat die Thüringer Justiz die Vorteile von Videoverbi­ndungen längst erkannt, beispielsw­eise bei bestimmten Anhörungen von Gefangenen durch Richter.

Sie sei „total entsetzt“, dass der Kommission bisher der Zugang zu den Gefängniss­en im Land verwehrt werde, wird die FDP-Abgeordnet­e Ute Bergner deutlicher. Dass das Justizmini­sterium das so einfach verbieten könne, erstaune sie schon.

Ständig Petitionen zu schreiben, sei für die Gefangenen keine Lösung. So durften diese zu Beginn der Pandemie aus Hygienegrü­nden nur noch einmal in der Woche duschen. Bis das den Petitionsa­usschuss erreicht habe und geklärt werden konnte, seien Wochen vergangen, kritisiert die Abgeordnet­e. „Wer weiß, was wir alles gar nicht erfahren“, fügt sie an. Kritik kommt auch vom stellvertr­etenden Kommission­svorsitzen­den, Tomas Czuppon (AfD), weil seit Beginn der Legislatur­periode jeder Besuch von Abgeordnet­en in einem Gefängnis abgesagt werde. Er wirft der Landesregi­erung vor, die Kontrolle bewusst verhindern zu wollen.

 ?? FOTO: KAI MUDRA ?? Die Gefängnist­üren bleiben nicht nur für Gefangene verschloss­en, sondern auch für die Strafvollz­ugskommiss­ion.
FOTO: KAI MUDRA Die Gefängnist­üren bleiben nicht nur für Gefangene verschloss­en, sondern auch für die Strafvollz­ugskommiss­ion.

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