Spielstätte des Jahres vorm Aus?
Wie unabgestimmte Sanierungspläne des Landes das Café Wagner in Jena bedrohen
Jena. An der Pandemie liegt‘s nicht. Mit Corona-Hilfen und Kurzarbeit kommt das Café Wagner bislang durch die Krise, in der unter anderem die „Pandemieverkostung“erfunden wurde: der Verkauf veganer und vegetarischer Mittagsgerichte durchs Küchenfenster. Eine „Pandemievertonung!“war für den Sommer auch geplant. Schon 2020 machte man die Terrasse zur Bühne für eine Handvoll Konzerte und Theater. Dafür ging der Jenaer Vereinspreis an den Wagner e.V., der üblicherweise bis zu 100 Konzerte und insgesamt 250 Veranstaltungen im Jahr organisiert.
Und doch wähnt sich der etablierte Ort studentischer Kultur, 2019 zur bundesdeutschen „Spielstätte des Jahres 2019“gekürt, kurz vor dem Aus. Denn das Landesamt für Bau und Verkehr (TLBV) werkelt seit Jahren ergebnislos an der Sanierung der in Landeseigentum befindlichen Villa herum, die dem Kulturverein grundsätzlich hochwillkommen wäre. Nur, dass dessen Zwänge dabei so gar keine Rolle spielen.
Café-Chef: „Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt.“
Jetzt, da eine Sanierung offenbar näher rückt und eine bis zu zweijährige Schließung nach sich ziehen soll, könnte sie zur Auflösung des Vereins führen. Am Ende stünde ein saniertes Haus ohne Nutzer da. Entsprechende Hinweise verhallten bislang im TLBV. Von dort kommen dem Vereinsvorstand zufolge keine Ansagen und Aussagen. Schon gar nicht werde man in die Pläne eingebunden. „Wir bespielen das Haus seit zwanzig Jahren“, sagt Café-Geschäftsführer Oliver Schubert, „sind aber immer das fünfte Rad am Wagen und werden vor vollendete Tatsachen gestellt.“
Das Landesamt beziffert auf Nachfrage den „Kostenrahmen eines Planungsauftrages“mit 1,2 Millionen Euro. So viel hatte das Studentenwerk als Hausverwalter mal beantragt, um unter anderem das Obergeschoss zu erschließen. Seit die Studentenberatung dort 2016 auszog, ist es für die Öffentlichkeit gesperrt. Ein zweiter Fluchtweg fehlt. Auch um Dachgeschoss und Sanitäranlagen drehten sich die Pläne. Inzwischen geht’s um eine noch nicht durchfinanzierte Sanierung vom Keller bis zum Dach. Wie viel das kosten soll und darf, weiß man immer noch nicht. Auch der Baubeginn bleibt unklar. Das hänge „vom Genehmigungsverlauf der Baumaßnahme im Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft sowie von der tatsächlichen Mittelzuweisung ab“.
Der Verein übernahm das Kulturcafé 2001 vom Studentenwerk und schloss mit ihm zuletzt 2018 einen Nutzungsvertrag ab. Der reicht bis nach 2026, endet aber automatisch mit Sanierungsbeginn. Dann bräuchte es ein Ausweichquartier, das in Jena ohnehin schwer zu finden sein wird, erst recht aber, wenn gar nicht klar ist, für wann und für wie lange man es überhaupt suchen sollte. „Es geht ja auch nicht so schnell, sich hier zu verdünnisieren“, betont Theresa Gorgas vom Vorstand.
Fände sich nichts Geeignetes und gäbe es keinen Ausweg, käme die Kulturarbeit und damit der Vereinszweck vollends zum Erliegen. Das überlebte der Wagner e.V. kaum. Eine Hybridlösung lehnt das TLBV ab: Sanierung bei laufendem Betrieb, solange dessen Bereiche nicht direkt betroffen sind. Das sei nicht möglich, weil sämtliche Hausmedien außer Betrieb genommen werden müssen.
Überraschend werden plötzlich die Außenanlagen saniert
Dass das Landesamt sowieso kaum kompromiss- und wenig gesprächsbereit ist, erfährt man im Café Wagner auch aktuell. Nicht nur bleiben wiederholte Einladungen zu Planungsgesprächen unbeantwortet; man bestreitet sogar, dass es solche gab. Es macht auch wenig Hoffnung, was sich derzeit vor den Türen tut. Für 220.000 Euro werden jetzt überraschend die Außenanlagen saniert: die Stützmauer zur Wagnergasse, das Geländer und die Treppen. Hinzu kommen die Regenentwässerung sowie, als Vorgriff auf die Haussanierung, Fernwärme und Trinkwasser. Es war wohl Geld übrig. Laut Wagner e. V. kündigte das TLBV die Arbeiten zunächst für März bis Mai an und sprach jedenfalls von höchstens zwei Monaten Bauzeit. Es gab demnach grünes Licht für acht „Pandemiekonzerte“im August, meistens vom Bundesprogramm „Neustart Kultur“gefördert. Bei einer Bauberatung hieß es dann plötzlich: 12. April bis 22. September. Die längst gebuchten Konzerte würden hinfällig; der Verein machte sich bei Agenturen unglaubwürdig. Vom Café-Betrieb im Freien gar nicht zu reden.
Das TLBV will die ursprünglichen Angaben nicht bestätigen und spricht nur vage von einer mittlerweile derart optimierten Planung, dass Teilbereiche im August „freigegeben werden könnten“, sofern die Bauarbeiten dann dort abgeschlossen sind „und keine Gefährdung für die Besucher besteht“. Der Verein sitzt „so langsam auf glühenden Kohlen“, sagt Benny Krense. „Wenn das mit der Innensanierung so läuft wie draußen, dann gute Nacht!“