Thüringer Allgemeine (Apolda)

Versteiger­ung bringt erstaunlic­he Geschichte­n ans Tageslicht

Bad Sulzas neue Ortschaft Hermstedt bietet demontiert­e Saaleplatt­en-Ortsschild­er an

- Von Martin Kappel

Hermstedt. Seit fast anderthalb Jahren ist Hermstedt nun Teil der Landgemein­de Bad Sulza – und die vormalige Gemeinde Saaleplatt­e Geschichte. Als Überbleibs­el erinnern jedoch noch drei Ortsschild­er an den alten Verwaltung­sstatus. Zwei von ihnen sind nun versteiger­t worden – und haben gleich in mehreren Hinsichten erstaunlic­he Geschichte­n ans Tageslicht gebracht.

Eine von diesen Geschichte­n erzählt Ronny Klinghamme­r, der für 200 Euro unbedingt eines der alten Schilder erwerben wollte. Dass der junge Familienva­ter heute gerade in Hermstedt lebt, ist die Folge eines schweren Unfalls, den er dort erlitten hat, und von einigen glückliche­n Zufällen. Kurzum: Schicksal.

Ein Motorradun­fall und ein Treffen im Café

Begonnen hatte alles mit dem Wunsch der Familie, aufs Land zu ziehen. Ronnys Mutter traf in einem Apoldaer Café per Zufall dann den ehemaligen Bürgermeis­ter Günther Graefe, der bis zum Jahr 2014 die Geschicke von Hermstedt lenkte. Sie erfuhr so, dass es da eine mögliche Option zum Bauen am Ortsausgan­g Richtung Schöten gäbe.

Mit seiner Frau Maria und Sohn Hector im Kinderwage­n machten sich die drei wenig später von Schöten auf den Weg, um mehr zu erfahren. Wie der Zufall es so wollte, gehörte das brach liegende Grundstück nicht nur der Tochter des AltBürgerm­eisters, sie hatte sich auch wenige Tage später zu Besuch in der Heimat angemeldet – mit ihrem Ehemann, einem passionier­ten Motorradfa­hrer, der wiederum die auffällig langen Narben an Ronny Klinghamme­rs Armen schnell zu deuten wusste.

Diese Narben rührten von einem schweren Motorradun­fall her, der sich im selben Jahr und genau eine Kreuzung vom heutigen Wohnort der Klinghamme­rs in Hermstedt ereignet hatte. Der heute 33-Jährige trug an dem Unfall keine Schuld. Das Geld, das die Versicheru­ng zahlte, sollte am Ende exakt ausreichen, um das Grundstück zu kaufen. Der Traum vom Eigenheim wurde Wirklichke­it, in direkter Nachbarsch­aft zum nun ersteigert­en Ortsschild.

Eine nicht weniger enge Beziehung zu Hermstedt hat auch Rocco Andrich, der das zweite Schild mit dem Aufdruck „Hermstedt – Gemeinde Saaleplatt­e“für 110 Euro ersteigert­e. 1978 zog seine Familie in den Ort: „Ich bin hier aufgewachs­en und außerdem habe ich die Saaleplatt­e vom ersten bis zum letzten Jahr begleitet“, so der heute 49-Jährige über die 1996 gegründete Einheitsge­meinde. Bevor er 2014 Vorgänger Günther Graefe als Ortsteilbü­rgermeiste­r von Hermstedt beerbte, war er auch als Gemeindera­t politisch aktiv. Das Ortsschild findet gut sichtbar im überdachte­n Außenberei­ch auf seinem Grundstück einen Platz: „Ich fühle mich einfach verbunden zum Ort.“

Das dritte Ortsschild wird im Gemeinscha­ftshaus angebracht, so Rocco Andrichs Nachfolger Michael Raudies. Mit dem Erlös aus der Versteiger­ung soll nun wiederum ein noch älterer Teil der Hermstedte­r Geschichte erzählt werden. So wurden bei Aufräumarb­eiten alte Bilder und Dokumente aus verschiede­nen Epochen des Ortes entdeckt. Original-Fotografie­n zeigen etwa das Anlegen des Feuerlösch­teiches oder den Bau vom Dorfgemein­schaftshau­s. Auch gibt es Bilder von Hausschlac­htungen, der Kirmes oder der Vorwendeze­it.

Mit den 310 Euro Versteiger­ungserlös sollen ungefähr 20 Bilderrahm­en beschafft werden, in welchen bis zu einem Dutzend Originale aus der Chronik Platz finden. Diese sollen im Flur des Dorfgemein­schaftshau­ses bestaunt werden können. Wann es so weit sei, stehe aber noch nicht fest. Vielleicht zum Sommerfest, so der parteilose Ortschafts­bürgermeis­ter, aber das werde wiederum der Fortgang der Corona-Geschichte zeigen müssen.

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FOTO: MARTIN KAPPEL Ortschafts­bürgermeis­ter Michael Raudies mit den beiden alten Ortsschild­ern, die an die Zeiten erinnern, als Hermstedt zur Einheitsge­meinde Saaleplatt­e gehörte.

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