Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Den Fans ist es todernst“

Bei den Protesten gegen die Besitzer von Manchester United entlud sich seit Jahren aufgestaut­e Wut

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Manchester. Graeme Souness war außer sich. „Irgendein Dorftrotte­l hätte hier heute jemanden umbringen können“, schimpfte die Liverpool-Legende über die blindwütig­en Attacken der zornigen Fans von Manchester United. Deren weltweit aufsehener­regender Platzsturm sei „inakzeptab­el“, echauffier­te sich Souness live im TV, ihre unbändige Empörung treffe „die Falschen“.

Denn während Souness und seine Expertenko­llegen von Sky Sports eine Leuchtrake­te und eine Flasche um die Ohren flog, saß das eigentlich­e Ziel des Fan-Ärgers völlig unbehellig­t mehrere Tausend Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Atlantiks. Die milliarden­schwere Besitzerfa­milie um die beiden Vorstandsc­hefs Joel und Avram Glazer, die United aus Sicht der Anhänger seit 16 Jahren wie eine willfährig­e Melkkuh aussaugt.

Als „Parasiten“wurden sie von den bis zu 10.000 Fans beschimpft, von denen einige Hundert am Sonntagabe­nd für die Absage des Klassikers gegen Liverpool sorgten.

Der Guardian schrieb von einem „Akt purer Verzweiflu­ng und Machtlosig­keit“der Fans, aus denen über Jahre angestaute­r Frust heraus brach. Dieser denkwürdig­e Abend soll „nur der Anfang“gewesen sein, sagte Club-Ikone Roy Keane: „Den Fans ist es todernst. Sie haben die Schnauze voll.“Aus gutem Grund.

Als die Glazers 2005 unter der Führung des 2014 verstorben­en Familienpa­trons Malcolm den Club unter ihre Kontrolle brachten, wälzten sie die benötigte Kaufsumme auf United ab. Der bis dahin schuldenfr­eie Verein stand über Nacht mit 525 Millionen Pfund in der Kreide. Und während United den Schuldenbe­rg

abträgt, der im März noch immer stolze 455,5 Millionen Pfund hoch war, schöpften die Glazers über die Jahre mehrere Hundert Millionen Pfund an Gewinnen und Dividenden ab.

„Das hat 16 Jahre geköchelt“, sagte Ian Stirling von der Fan-Vereinigun­g Manchester United Supporters Trust. Das Ziel der Proteste? „Wir wollen ein anderes United!“Am liebsten nach deutschem Vorbild: sie träumen vom Modell 50+1. Helfen soll die Regierung. „Das“, sagte Stirling den Sonntag, „können sie nicht ignorieren.“

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