Urlauber warten lange auf ihr Geld
In Zeiten von Corona werden Reisen oft abgesagt. Doch Veranstalter ignorieren häufig die Verbraucherrechte
Berlin. Viele Erholungssuchende kennen das Problem: Immer mehr Länder sind auf dem Höhepunkt der Urlaubssaison wieder zu Hochinzidenzgebieten geworden, und die Beschränkungen – hauptsächlich für Nichtgeimpfte – erschweren Ferienfreuden. Was sollten Kunden tun, die nicht reisen können oder wollen oder deren Buchung vom Veranstalter gekündigt wurde? Antworten auf wichtige Fragen:
Wann dürfen Urlauber Pauschalreisen kostenlos stornieren? Grundsätzlich gilt: Eine kostenlose Stornierung von Pauschalreisen ist in der Regel möglich, wenn ein Land als Risikogebiet eingestuft wird. Verbraucher sollten sich dabei an den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes orientieren, empfiehlt die Verbraucherzentrale Niedersachsen. Doch diese Einschätzung hat sich während der Pandemie verändert. Letztendlich ausschlaggebend für eine kostenlose Stornierung sei „die juristische Frage, ob außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände vorliegen“, erklärt das Auswärtige Amt.
Wie ist die Lage derzeit?
Beispiel Spanien. In weiten Teilen gilt das Land Hochinzidenzgebiet, seit Sonntag sind lediglich Barcelona, Valencia, die Kanaren sowie die Regionen Kastilien-La Mancha und Asturien davon ausgenommen: Ergibt sich aus der Einstufung als Hochinzidenzgebiet das Recht, die Pauschalreise ohne Stornogebühren abzusagen? Das kann möglich sein. Aber eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es dazu noch nicht. Ob unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen, wie es das Pauschalreiserecht vorsieht, ist umstritten. Eine Reisewarnung gilt als starkes Indiz für außergewöhnliche Umstände.
Vor der Pandemie bedeutete die Warnung de facto ein kostenloses Stornorecht. Als aber lange Zeit jedes Corona-Risikogebiet eine Reisewarnung bekam, änderte sich dieser Automatismus. Aktuell kommt es auch darauf an, ob die Warnung zum Zeitpunkt der Buchung bestand. Das Risiko war dann bekannt. Dieser Auffassung ist auch das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Deutschland.
Was heißt das konkret für Spanien? Die Reisewarnung ist ein Indiz für außergewöhnliche Umstände, aber nicht das einzige. Die vom Gesetz geforderten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände müssen laut EVZ objektiv gegeben sein und auch zum Zeitpunkt der Reise bestehen. Entscheidend sei die Situation vor Ort.
Erster Faktor: Für Spanien wird nun formal erneut eine Reisewarnung ausgesprochen. Die Warnungen waren für einfache Risikogebiete aufgehoben worden, nicht aber für Hochinzidenzgebiete.
Zweiter Faktor: Ungeimpfte müssen laut Einreiseverordnung der Bundesregierung mindestens fünf Tage in Quarantäne, wenn sie aus einem Hochrisikogebiet heimkehren. Nach Ansicht des EVZ dürfte dieser Punkt nicht in die Beurteilung einfließen, weil die Quarantäne erst zu Hause ansteht. Es gibt aber auch Juristen, die in einer Quarantäne eine Störung der Geschäftsgrundlage nach Paragraf 313 BGB sehen. Hier bleibt abzuwarten, wie Gerichte das bewerten werden.
Dritter Faktor: Angesichts der hohen Fallzahlen in Spanien besteht ein höheres Infektionsrisiko. Zudem führen die Behörden wieder strengere Maßnahmen ein. „Das sind alles Faktoren, mit denen Urlauber bei der Buchung ihrer Spanien-Reise noch nicht rechnen mussten“, sagt der Reiserechtler Paul Degott aus Hannover. Seine Einschätzung: „Pauschalurlauber haben eher gute Chancen, kostenlos von ihrer Reise zurücktreten zu können.“Das EVZ sieht das ähnlich: „Reisende können aus unserer Sicht kurz bevorstehende Pauschalreisen in Länder, für die eine Reisewarnung ausgesprochen wird, grundsätzlich unter Berufung auf außergewöhnliche Umstände kostenlos stornieren.“
Dagegen sagt eine Sprecherin des Deutschen Reiseverbands: „Die Hochstufung eines Zielgebietes in ein Hochinzidenzgebiet begründet aus Sicht des Deutschen Reiseverbands nicht automatisch das Recht auf eine kostenlose Stornierung.“Sie verweist auf das Ausstehen eines höchstrichterlichen Urteils.
Was passiert, wenn der Veranstalter die Reise absagt?
Kann ein Veranstalter die Reise nicht wie geplant stattfinden lassen, muss er laut Verbraucherzentrale Niedersachsen die Kosten komplett zurückerstatten.
Wann kommt die Erstattung? Normalerweise muss das Geld innerhalb von 14 Tagen zurückgezahlt werden, sagt Thomas Laske, Jurist bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Doch teilweise dauere es derzeit bis zu sechs Monate. Dabei helfe nur, den Veranstalter immer wieder auf die eigenen Rechte hinzuweisen, rät Laske. „Beharrlichkeit zahlt sich aus.“Dafür gibt es Musterbriefe, die etwa der Automobilclub ADAC und die Verbraucherzentralen im Internet anbieten.
Wie sieht es mit Gutscheinen aus? Oft werde der Eindruck vermittelt, als hätten Kunden nur die Wahl zwischen einem Gutschein und einer Umbuchung. Das ist laut Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) aber Verbrauchertäuschung. Nach dem Gesetz sei der Erstattungsanspruch vorrangig.
Wie reagieren die Veranstalter?
„Im Falle von Hochinzidenzgebieten bieten wir die Reisen weiter an und der Gast entscheidet, ob er reisen möchte oder das Angebot einer kostenlosen Umbuchung bzw. Stornierung nutzt und sich das Geld zurückerstatten lässt“, so Tui. Automatische Reiseabsagen erfolgten nur bei Virusvariantengebieten.
Was sagen die Airlines?
Ryanair versichert, bei ausgefallenen Flügen je nach Wunsch eine Rückerstattung, Umbuchung oder einen Gutschein anzubieten. Bei Easyjet heißt es: „Die überwiegende Mehrheit der Kunden kann ihre Buchungen online selbst verwalten und dort eine Umbuchung, einen Gutschein oder eine Rückerstattung beantragen.“Bei Eurowings können Passagiere ihren Flug bis 40 Minuten vor Abflug umbuchen oder für Flüge mit Abflugdatum vor dem 31. August mit sieben Tagen Vorlauf einen Voucher anfordern.