Union übt sich in Selbstmotivation
CDU/CSU und SPD in Umfrage erstmals seit 2017 gleichauf. Youtuber Rezo keilt gegen Laschet. Scholz nennt SPD-Kanzlerschaft erreichbar
Berlin. Die Kundgebung mit den Granden der Unionsparteien am vergangenen Wochenende in Berlin war als Start in die heiße Wahlkampfphase von CDU und CSU gedacht. „Kämpfen“lautete die zentrale Botschaft, sowohl in der Rede von Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet als auch beim CSU-Vorsitzenden Markus Söder. „Ich werde kämpfen mit allem, was ich kann“, rief Laschet. Söder machte deutlich, dass er „keinen Bock auf Opposition“habe. Der bayerische Ministerpräsident betonte: „Es ist Zeit, endlich zu kämpfen.“Der Wahlkampf der Union müsse „souverän und engagiert, sexy und solide“sein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die ihren ersten Auftritt in der laufenden Kampagne der Union hatte, empfahl Laschet klar als ihren Nachfolger. Sie zeigte sich „zutiefst überzeugt“davon, dass der derzeitige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nach der Wahl Kanzler wird.
Doch schon kurz nach der kollektiven Selbstmotivation im Berliner Tempodrom gibt es neue Zahlen, die die neue Aufbruchsstimmung bei CDU und CSU dämpfen dürften. Denn fünf Wochen vor der Bundestagswahl hat die SPD die bislang führende Union in einer Umfrage des Insa-Instituts eingeholt. Im wöchentlichen Sonntagstrend für die „Bild am Sonntag“verlor die Union drei Prozentpunkte und fällt mit 22 Prozent auf ihren niedrigsten je von Insa gemessenen Wert. Die Sozialdemokraten mit ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz gewannen dagegen zwei Punkte hinzu. Damit lagen Union und SPD erstmals seit April 2017 in der Wählergunst wieder gleichauf. Damals hatte die SPD unter ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz ein Umfragehoch erlebt, das dann allerdings fünf Monate vor der damaligen Bundestagswahl dahinzuschmelzen begann.
Die Grünen haben in der aktuellen Insa-Umfrage einen Punkt verloren und kommen auf 17 Prozent. Die FDP stieg um einen Punkt auf 13 Prozent, die AfD um einen Punkt auf zwölf Prozent. Die Linke blieb stabil bei sieben Prozent. Scholz würden laut Insa 34 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben direkt zum Kanzler wählen, wenn dies möglich wäre. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als vor einer Woche. Seine persönlichen Zustimmungswerte sind damit erheblich gestiegen. Laschet fiel derweil um drei Punkte auf zwölf Prozent und lag damit auf Platz drei hinter Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock, die unverändert auf 13 Prozent kam. Für einen kraftvollen Start in den Endspurt sind das wenig ermutigende Werte. Diese wurden allerdings von Montag bis Freitag vergangener Woche ermittelt, die Zahlen zu den Kandidaten am Freitag. Die Auftritte beim zentralen Wahlkampfstart waren somit noch nicht im Meinungsbild der Befragungsteilnehmer berücksichtigt.
Scholz, der lachende Favorit in diesen Tagen, zeigte sich hochzufrieden. „Eine Kanzlerschaft von einem Sozialdemokraten ist jetzt sehr erreichbar geworden“, sagte Scholz der Deutschen Presse-Agentur. Für ihn seien die Umfragewerte „sehr berührend, denn darin verbirgt sich ja auch eine wachsende Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu mir als Person“. Es sei etwas Besonderes „zu sehen, dass sich jetzt auch die Zustimmung zur SPD erhöht“. Auch Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock sieht für ihre Partei angesichts der Umfragewerte für die Bundestagswahl alle Chancen offen. „Dieses Mal ist es richtig, richtig eng. Damit ist alles offen“, sagte Baerbock am Wochenende.
Hingegen sehen sich die Unionsparteien und insbesondere Kanzlerkandidat Laschet erneut heftiger Kritik im Netz ausgesetzt: Der deutschlandweit bekannte Youtuber Rezo, der bereits in der Vergangenheit durch massive Attacken gegen CDU und CSU aufgefallen war, hat am Sonnabend ein neues Video veröffentlicht. Lügen, Respektlosigkeiten, Versagen sind darin die Hauptvorwürfe, die der Mann mit dem blau gefärbten Haarschopf gegen die Union erhebt.
Sprachlich wendet sich Rezo erneut vor allem an jüngere Zuschauergruppen. „Es geht um das Scheitern und Verkacken in essenziellen Skills, die man als Politiker in einem hohen Amt haben sollte“, sowie um Respektlosigkeiten und klare Unwahrheiten gegenüber der Bevölkerung, fasst der Youtuber seinen knapp halbstündigen Film zusammen. Das Video hat nach nicht einmal einem Tag bereits rund 700.000 Abrufe.
Nachdem bereits Rezos „Zerstörung der CDU“im Europawahlkampf 2019 viel Aufmerksamkeit erregt hatte und auch die damalige Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer öffentlich dazu Stellung bezog, folgte jetzt in der heißen Phase vor der Bundestagswahl der Film „Zerstörung Teil 1: Inkompetenz“. Eine Fortsetzung soll folgen.
„Der Wahlkampf muss souverän und engagiert, sexy und solide sein.“
Markus Söder, CSU-Chef