Thüringer Allgemeine (Apolda)

Union übt sich in Selbstmoti­vation

CDU/CSU und SPD in Umfrage erstmals seit 2017 gleichauf. Youtuber Rezo keilt gegen Laschet. Scholz nennt SPD-Kanzlersch­aft erreichbar

- Von Alessandro Peduto und Alexander Klay

Berlin. Die Kundgebung mit den Granden der Unionspart­eien am vergangene­n Wochenende in Berlin war als Start in die heiße Wahlkampfp­hase von CDU und CSU gedacht. „Kämpfen“lautete die zentrale Botschaft, sowohl in der Rede von Unionskanz­lerkandida­t und CDU-Chef Armin Laschet als auch beim CSU-Vorsitzend­en Markus Söder. „Ich werde kämpfen mit allem, was ich kann“, rief Laschet. Söder machte deutlich, dass er „keinen Bock auf Opposition“habe. Der bayerische Ministerpr­äsident betonte: „Es ist Zeit, endlich zu kämpfen.“Der Wahlkampf der Union müsse „souverän und engagiert, sexy und solide“sein.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), die ihren ersten Auftritt in der laufenden Kampagne der Union hatte, empfahl Laschet klar als ihren Nachfolger. Sie zeigte sich „zutiefst überzeugt“davon, dass der derzeitige Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen nach der Wahl Kanzler wird.

Doch schon kurz nach der kollektive­n Selbstmoti­vation im Berliner Tempodrom gibt es neue Zahlen, die die neue Aufbruchss­timmung bei CDU und CSU dämpfen dürften. Denn fünf Wochen vor der Bundestags­wahl hat die SPD die bislang führende Union in einer Umfrage des Insa-Instituts eingeholt. Im wöchentlic­hen Sonntagstr­end für die „Bild am Sonntag“verlor die Union drei Prozentpun­kte und fällt mit 22 Prozent auf ihren niedrigste­n je von Insa gemessenen Wert. Die Sozialdemo­kraten mit ihrem Kanzlerkan­didaten Olaf Scholz gewannen dagegen zwei Punkte hinzu. Damit lagen Union und SPD erstmals seit April 2017 in der Wählerguns­t wieder gleichauf. Damals hatte die SPD unter ihrem Kanzlerkan­didaten Martin Schulz ein Umfragehoc­h erlebt, das dann allerdings fünf Monate vor der damaligen Bundestags­wahl dahinzusch­melzen begann.

Die Grünen haben in der aktuellen Insa-Umfrage einen Punkt verloren und kommen auf 17 Prozent. Die FDP stieg um einen Punkt auf 13 Prozent, die AfD um einen Punkt auf zwölf Prozent. Die Linke blieb stabil bei sieben Prozent. Scholz würden laut Insa 34 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben direkt zum Kanzler wählen, wenn dies möglich wäre. Das sind fünf Prozentpun­kte mehr als vor einer Woche. Seine persönlich­en Zustimmung­swerte sind damit erheblich gestiegen. Laschet fiel derweil um drei Punkte auf zwölf Prozent und lag damit auf Platz drei hinter Grünen-Spitzenkan­didatin Annalena Baerbock, die unveränder­t auf 13 Prozent kam. Für einen kraftvolle­n Start in den Endspurt sind das wenig ermutigend­e Werte. Diese wurden allerdings von Montag bis Freitag vergangene­r Woche ermittelt, die Zahlen zu den Kandidaten am Freitag. Die Auftritte beim zentralen Wahlkampfs­tart waren somit noch nicht im Meinungsbi­ld der Befragungs­teilnehmer berücksich­tigt.

Scholz, der lachende Favorit in diesen Tagen, zeigte sich hochzufrie­den. „Eine Kanzlersch­aft von einem Sozialdemo­kraten ist jetzt sehr erreichbar geworden“, sagte Scholz der Deutschen Presse-Agentur. Für ihn seien die Umfragewer­te „sehr berührend, denn darin verbirgt sich ja auch eine wachsende Zustimmung der Bürgerinne­n und Bürger zu mir als Person“. Es sei etwas Besonderes „zu sehen, dass sich jetzt auch die Zustimmung zur SPD erhöht“. Auch Grünen-Kanzlerkan­didatin Baerbock sieht für ihre Partei angesichts der Umfragewer­te für die Bundestags­wahl alle Chancen offen. „Dieses Mal ist es richtig, richtig eng. Damit ist alles offen“, sagte Baerbock am Wochenende.

Hingegen sehen sich die Unionspart­eien und insbesonde­re Kanzlerkan­didat Laschet erneut heftiger Kritik im Netz ausgesetzt: Der deutschlan­dweit bekannte Youtuber Rezo, der bereits in der Vergangenh­eit durch massive Attacken gegen CDU und CSU aufgefalle­n war, hat am Sonnabend ein neues Video veröffentl­icht. Lügen, Respektlos­igkeiten, Versagen sind darin die Hauptvorwü­rfe, die der Mann mit dem blau gefärbten Haarschopf gegen die Union erhebt.

Sprachlich wendet sich Rezo erneut vor allem an jüngere Zuschauerg­ruppen. „Es geht um das Scheitern und Verkacken in essenziell­en Skills, die man als Politiker in einem hohen Amt haben sollte“, sowie um Respektlos­igkeiten und klare Unwahrheit­en gegenüber der Bevölkerun­g, fasst der Youtuber seinen knapp halbstündi­gen Film zusammen. Das Video hat nach nicht einmal einem Tag bereits rund 700.000 Abrufe.

Nachdem bereits Rezos „Zerstörung der CDU“im Europawahl­kampf 2019 viel Aufmerksam­keit erregt hatte und auch die damalige Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r öffentlich dazu Stellung bezog, folgte jetzt in der heißen Phase vor der Bundestags­wahl der Film „Zerstörung Teil 1: Inkompeten­z“. Eine Fortsetzun­g soll folgen.

„Der Wahlkampf muss souverän und engagiert, sexy und solide sein.“

Markus Söder, CSU-Chef

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FOTO:JOHN MACDOUGALL / AFP Daumen hoch, auch wenn es schwerfäll­t: Kanzlerin Angela Merkel applaudier­t dem Kanzlerkan­didaten Armin Laschet beim offizielle­n Wahlkampfs­tart.

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