Ein trauriger Komödienstadl
Gothas Ekhof-Festival schlägt sich mit Goldonis „Lügner“im Schlosshof deutlich unter Wert
Gotha. Bratwurstduft und Kirmesmusik empfangen den spärlichen Besucherstrom auf Gothas Friedenstein. Das Ekhof-Festival, sonst exklusiv im historisch engen Schlosstheater angesiedelt, ist von CoronaNot gedrungen auf den Hof gewichen; und wo man früher mit 165 Gästen ausverkauft gewesen wäre, verliert sich eine wenig höhere Zahl an Menschen nun zwischen 1100 Stühlen. Volkstheater ohne Volk.
Da fällt Abstandhalten gar nicht schwer -- einziger Positiv-Aspekt des Abends. Die Compagnie en route unter Leitung Carola Moritz’ gastiert mit der angejahrten Wiederaufnahme von Goldonis Commedia dell’Arte-Stück „Der Lügner“. Man spielt in klassizistischen Kostümen vor ebensolcher Kulisse, hat mit historisch informierter Aufführungspraxis aber nichts im Sinn. Es sei denn, man hielte eine altbackene Ästhetik, wie minderrangige Tourneetheater sie im vorigen Jahrtausend pflegten, dafür. Der Anachronismus, eine Komödie von 1750 mit Barockmusik zu begleiten, fällt dagegen kaum noch ins Gewicht.
Antiquiert sind die Klischees im Denken und Handeln. Von rechts, wo die Rialto-Brücke auf den Prospekt gemalt ist, stakst ein Gondoliere herbei, um zwei, auf einer Hebebühne postierte Bürgerfrolleins per Ständchen zu erfreuen. Die Belanzoni-Schwestern goutieren den Katzengesang
sehr, verheißt er doch das amouröse Interesse eines edlen Galans. Dass der schüchterne Florindo den Auftrag gab, wissen sie so wenig wie die Antwort, wer – Rosaura oder Beatrice – adressiert war.
Lelio, der Lügner, nutzt als zufälliger Passant die Gelegenheit für einen Flirt und kommt somit Ottavio in die Quere, der es auf Beatrice abgesehen hat. Diese an sich köstliche Verwirrung der venezianischen Herren- und Damenwelt spiegelt sich zudem auf der Ebene ihrer Dienerschaft. Allein: Den weiblichen Akteuren geht es nur darum, unter die Haube zu kommen, den männlichen bloß um die Mitgift.
Moritz’ Schauspieler überzeichnen die Dramatis personae mit plumpen Mitteln zu Witzfiguren. Was holzschnittartig angelegt war, wird, wenns am Handwerk fehlt, hölzern. Warum zum Beispiel der alte Pantalone stets mit gespreizten Knien auftritt, bleibt unklar. Das Alter? Ein Hüftleiden? Die Gicht?
Das Publikum dankte die Bemühungen einer Inszenierung, die statt Tempo, geistvollem Witz oder gar gesellschaftlicher Relevanz nur ein paar überflüssige, barocke (!) PyroEffekte aufbot, mit ein bisschen Kichern und lauem Schlussapplaus. Dem theatralen Debakel wohnten weder Friedenstein-Direktor Tobias Pfeifer-Helke noch Ekhof-Intendant Marco Karthe bei. Die beiden haben offenkundig Hausaufgaben: die Neukonzeption eines Festivals...