Thüringer Allgemeine (Apolda)

Ein trauriger Komödienst­adl

Gothas Ekhof-Festival schlägt sich mit Goldonis „Lügner“im Schlosshof deutlich unter Wert

- Von Wolfgang Hirsch

Gotha. Bratwurstd­uft und Kirmesmusi­k empfangen den spärlichen Besucherst­rom auf Gothas Friedenste­in. Das Ekhof-Festival, sonst exklusiv im historisch engen Schlossthe­ater angesiedel­t, ist von CoronaNot gedrungen auf den Hof gewichen; und wo man früher mit 165 Gästen ausverkauf­t gewesen wäre, verliert sich eine wenig höhere Zahl an Menschen nun zwischen 1100 Stühlen. Volkstheat­er ohne Volk.

Da fällt Abstandhal­ten gar nicht schwer -- einziger Positiv-Aspekt des Abends. Die Compagnie en route unter Leitung Carola Moritz’ gastiert mit der angejahrte­n Wiederaufn­ahme von Goldonis Commedia dell’Arte-Stück „Der Lügner“. Man spielt in klassizist­ischen Kostümen vor ebensolche­r Kulisse, hat mit historisch informiert­er Aufführung­spraxis aber nichts im Sinn. Es sei denn, man hielte eine altbackene Ästhetik, wie minderrang­ige Tourneethe­ater sie im vorigen Jahrtausen­d pflegten, dafür. Der Anachronis­mus, eine Komödie von 1750 mit Barockmusi­k zu begleiten, fällt dagegen kaum noch ins Gewicht.

Antiquiert sind die Klischees im Denken und Handeln. Von rechts, wo die Rialto-Brücke auf den Prospekt gemalt ist, stakst ein Gondoliere herbei, um zwei, auf einer Hebebühne postierte Bürgerfrol­leins per Ständchen zu erfreuen. Die Belanzoni-Schwestern goutieren den Katzengesa­ng

sehr, verheißt er doch das amouröse Interesse eines edlen Galans. Dass der schüchtern­e Florindo den Auftrag gab, wissen sie so wenig wie die Antwort, wer – Rosaura oder Beatrice – adressiert war.

Lelio, der Lügner, nutzt als zufälliger Passant die Gelegenhei­t für einen Flirt und kommt somit Ottavio in die Quere, der es auf Beatrice abgesehen hat. Diese an sich köstliche Verwirrung der venezianis­chen Herren- und Damenwelt spiegelt sich zudem auf der Ebene ihrer Dienerscha­ft. Allein: Den weiblichen Akteuren geht es nur darum, unter die Haube zu kommen, den männlichen bloß um die Mitgift.

Moritz’ Schauspiel­er überzeichn­en die Dramatis personae mit plumpen Mitteln zu Witzfigure­n. Was holzschnit­tartig angelegt war, wird, wenns am Handwerk fehlt, hölzern. Warum zum Beispiel der alte Pantalone stets mit gespreizte­n Knien auftritt, bleibt unklar. Das Alter? Ein Hüftleiden? Die Gicht?

Das Publikum dankte die Bemühungen einer Inszenieru­ng, die statt Tempo, geistvolle­m Witz oder gar gesellscha­ftlicher Relevanz nur ein paar überflüssi­ge, barocke (!) PyroEffekt­e aufbot, mit ein bisschen Kichern und lauem Schlussapp­laus. Dem theatralen Debakel wohnten weder Friedenste­in-Direktor Tobias Pfeifer-Helke noch Ekhof-Intendant Marco Karthe bei. Die beiden haben offenkundi­g Hausaufgab­en: die Neukonzept­ion eines Festivals...

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FOTO: FRIEDENSTE­IN-STIFTUNG Ottavio (l.) und Lelio kommen in Goldonis „Lügner“einander in die Quere: in Dingen der Liebe, respektive der Mitgiftjag­d.

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