„Diskutiert mit mir auf inhaltlicher Ebene“
Jung und politisch: Die SPD-Bundestagskandidatin Annika Klose spricht über das Stimmungstief ihrer Partei
In der Beitragsreihe „Jung und politisch“möchte die funky-Redaktion herausfinden, warum junge Politikerinnen und Politiker parteipolitisch aktiv sind und welche Ziele sie verfolgen. Annika Klose (29) war fünf Jahre lang Vorsitzende der Berliner Jusos. Bei der Bundestagswahl im September kandidiert sie im Wahlkreis Berlin-Mitte nun erstmals für die SPD. Warum sie glaubt, dass der Klimawandel kein Generationenkonflikt ist und welches Fazit sie aus den letzten vier Jahren GroKo zieht, erzählt sie im Interview.
Warum hast du gerade die SPD als Partei auserwählt?
Zunächst bin ich zu den Jusos gekommen, der Jugendorganisation der SPD. Diese ist noch deutlich weiter links von der SPD einzuordnen. Mir gefallen die Grundwerte der SPD: Freiheit, Gleichheit, Solidarität. An den Jusos mag ich, dass sie zum einen im Hier und Jetzt etwas verändern wollen, aber auch das große Ganze im Blick behalten. In die SPD bin ich schließlich auch eingetreten und dort nach und nach aktiver geworden. An meiner Grundhaltung hat sich aber nichts geändert.
Welche Herausforderungen bringt ein junges Alter in der Politik mit sich?
Für mich war es ein langer Weg bis zur Bundestagskandidatin der SPD. Für die SPD ist es ein großer Schritt, dass wir jetzt so viele junge Kandidatinnen haben. Ich habe 2018/2019 schon für das Europäische Parlament kandidiert, wie viele junge Frauen in der SPD. Damals wurde keine Einzige von uns aufgestellt. Bundesweit sind danach junge Frauen aufgestanden, weil immer gesagt wurde, die SPD muss jünger, weiblicher und digitaler werden. In der Praxis wurde das dann aber nicht umgesetzt. Auch mir wurde schon oft gesagt: Du bist doch noch so jung, geh doch erst mal zehn Jahre arbeiten, gründe eine Familie. Das sind keine inhaltlichen Argumente. Diskutiert mit mir auf inhaltlicher Ebene, setzt euch mit dem, was ich möchte und fordere, auseinander und nicht nur mit meinem Alter. Ich habe den Eindruck, dass sich durch den Frust und die Auseinandersetzungen, die wir seit Jahren geführt haben, etwas verändert hat.
Die SPD fiel bei der Bundestagswahl 2017 auf ein Rekordtief. Wie kann sie wieder mehr Stimmen gewinnen?
Langsam klettern wir aus dem Keller. Ich glaube schon, dass eben auch jüngere, linkere Kandidatinnen und Kandidaten einen Beitrag dazu leisten können. Die Leute müssen sehen, dass wir nicht mehr dieselbe SPD sind wie noch vor 20 Jahren. Um die SPD langfristig aus diesem Stimmungsloch herauszuholen, ist es das Wichtigste, endlich mal aus einer Regierungskoalition mit der CDU rauszukommen und Mehrheiten zu haben.
Eine deiner wichtigsten Positionen ist der Kampf gegen rechts. Was muss die Politik gegen rechte Strukturen unternehmen?
Ich glaube, dass die Politik zu lange auf dem rechten Auge blind war. Insbesondere rechte Strukturen bei der Bundeswehr konnten zu lange im Verdeckten operieren. Die Erkenntnisse aus dem NSU-Untersuchungsausschuss wurden bis heute nicht komplett umgesetzt. Das ist ein großes Problem. Ich habe den Eindruck, dass die vielen rechten Netzwerke, die aufgedeckt wurden, schon zu einem Aufschrecken geführt haben. Aber es ist wichtig, dranzubleiben und nicht von verrückten Einzeltätern zu sprechen. Man muss anerkennen, dass es diese Strukturen gibt. Wir müssen außerdem die Zivilgesellschaft stärken, die den Protest organisiert.
2018 haben die Jusos sich mit der Kampagne #NoGroKo gegen die große Koalition gestellt. Welches Fazit würdest du nun ziehen?
Die #NoGroKo-Kampagne war wirklich besonders. Wir haben vielen jungen Leuten die Hoffnung gegeben, dass es auch anders laufen kann. Die GroKo kam letztendlich trotzdem, aber das Gefühl ist geblieben. Wir haben eine neue Parteispitze gewählt, mit der niemand gerechnet hätte. Wir haben jetzt viele junge Juso-Kandidatinnen und -Kandidaten, die aufgestellt wurden, und wir haben beschlossen, dass wir Hartz IV abschaffen wollen. Wir haben das Beste aus diesen Jahren herausgeholt, insbesondere in der Pandemie war ich sehr dankbar, dass die SPD da war. Mit dem Kurzarbeitergeld wurden 2,2 Millionen Jobs gerettet. Die SPD war fleißig, trotzdem kann man nicht zufrieden sein. Zusammen mit den Konservativen ist es schwer, etwas am grundsätzlichen Rahmen zu verändern. Konservativ zu sein, heißt, alles so
zu bewahren, wie es ist. Deutschland hat eine Regierung verdient, die etwas verändern möchte.
Die GroKo hat eine schwache Klimabilanz. Wie wollen du und deine Partei der Jugend zeigen, dass man ihr zuhört?
Einiges wurde mit dem neuen Klimaschutzgesetz beschlossen, aber nicht genug, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Außerdem muss man thematisieren, was mit den Jobs passiert, die man so nicht aufrechterhalten kann. Wenn wir die Mehrheit der Bevölkerung mitnehmen möchten, geht es auch darum, eben diese Jobs zu erhalten oder neue zu schaffen. Wir müssen die Auflagen vor allem in der Produktion erhöhen, damit Unternehmen verpflichtet sind, nachhaltiger zu produzieren. Damit nicht am Ende erst im Supermarkt entschieden werden muss: Nehme ich jetzt das klimafreundliche Produkt oder spare ich 30 Cent? Wir müssen nur Produkte zur Auswahl stellen, die auch entsprechend konform sind. Das wäre mein Ziel.
Warum glaubst du dabei, dass der Klimawandel kein Generationenkonflikt ist?
Auch ältere Menschen wollen das Klima schützen. Die Zustimmungswerte in Umfragen zu „Wir müssen Klimaschutz machen“sind bei den Jungen am höchsten, aber liegen auch bei Älteren bei über 60 Prozent. Deswegen ist es kein Generationenkonflikt, sondern ein Konflikt zwischen Arm und Reich. Viele fragen sich: Wie soll ich das finanzieren? Da müssen wir ansetzen.