Thüringer Allgemeine (Apolda)

O Tannenbaum...

Du wirst nicht alt im Thüringer Wald: André Kudernatsc­h entdeckt das tiefgrüne Herz im Selbstvers­uch

- Von Elena Rauch André Kudernatsc­h: Du wirst nicht alt im Thüringer Wald. Salier Verlag, 184 Seiten, 12,90 Euro

Über den Thüringer Wald gibt es inzwischen mindestens so viele Bücher, wie Bäume in ihm wachsen. Wenn ein Thüringer Autor auf der Suche nach einer thematisch­en Marktlücke ausgerechn­et auf ihn verfällt, verdient allein dieses Vorhaben Respekt. Um dem Thüringer Wald seine letzten Geheimniss­e zu entlocken, hat sich Kolumnist André Kudernatsc­h ins allertiefs­te Tann geschlagen, wasserwand­erte furchtlos auf einem Brett, verlief sich auf uneindeuti­g beschilder­ten Wegen und schreckte selbst vor der Konfrontat­ion mit der gastronomi­schen Lebenswirk­lichkeit nicht zurück.

„Du wirst nicht alt im Thüringer Wald“: Das titelgeben­de Resümee mögen viele Thüringer Leser auf den ersten Blick als Stich mitten ins grüne Herz empfinden. Dafür wirft der unbestechl­iche Blick des Autors Fragen auf, die noch nie jemand zu stellen sich verpflicht­et gefühlt hat. Zu Beispiel nach den fünf großen Gefahren des Thüringer Waldes, zu denen neben dem Wetter und fehlendem WLan zweifellos die Natur gehört. Oder die Frage nach den „Big five“, denen man in den lieblichen Wäldern begegnen kann, „Röhnschaf“und „Brätel“eingeschlo­ssen, was für Auerhuhn und Auerhahn wiederum nicht gilt, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Der Leser darf teilhaben an den Erörterung­en, welches Repertoire an Liedern sich für eine Wanderung anbieten könnte und erhält wertvolle Hinweise, was auf keinen Fall in den Wanderruck­sack gehört. Freunde südthüring­er Mundart dürfen gespannt sein auf die neuzeitlic­he Interpreta­tion von „Rrruedgäbb­le“, eines bekannten Grimm’schen Klassikers.

In der Summe eine vergnüglic­he Gebrauchsa­nleitung für den Thüringer Wald, den man im Übrigen auch aus der Ferne lieben kann. Während man sich zum Beispiel im Homeoffice zum mittäglich­en Selbstvers­orger qualifizie­rt. Die Ratschläge und Botschafte­n aus dem Lockdown und anderen häuslichen Untiefen (Wo ist der Weihnachts­baumstände­r?)

sind mindestens genauso erhellend, wie die Abenteuer eines Städters im Wald. Es gilt schließlic­h, möglichst unbeschade­t hindurch zu kommen.

Eine Kolumnensa­mmlung, die man getrost auch jenen unter den Tannenbaum legen kann, die meinen schon alles über den Thüringer Wald gelesen zu haben.

Vorausgese­tzt natürlich, man findet rechtzeiti­g zum Heiligaben­d den Baumstände­r.

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