Thüringer Allgemeine (Apolda)

Der Kampf um den Rasenmäher Fragen & Antworten

Die FDP will pauschal eine halbe Milliarde sparen. Doch geht das?

- Von Martin Debes

Erfurt. Die FDP-Gruppe im Landtag stellte Mittwoch ihre Forderunge­n für den Landeshaus­halt 2022 vor, der in gut drei Wochen verabschie­det werden soll. Neben mehr Ausgaben für Kommunen, Digitalisi­erung oder Meisterbon­us will sie – ähnlich wie die CDU – 500 Millionen Euro über die sogenannte­n globale Minderausg­aben einsparen. Dazu die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was sind globale Minderausg­aben? Es handelt sich um die Beschränku­ng von Ausgaben im Haushalt, wobei sie nicht einzeln, sondern pauschal für den gesamten Etat – also global – festgelegt werden. Gesetzlich­e Leistungen, zu denen in der Regel auch die Gehälter der Landesbedi­ensteten zu zählen sind, sind davon ausgenomme­n. Das heißt, die Kürzungen betreffen Investitio­nen, Sachkosten Zuschüsse an Vereine oder Förderprog­ramme.

Wer muss dann kürzen?

Die Landesregi­erung, in diesem Fall das Finanzmini­sterium. Es muss die vom Landtag vorgegeben­e Summe bei den Ausgaben berücksich­tigen. Wenn Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) absehen könnte, dass sie die geforderte Summe nicht einfach im täglichen Geschäft einsparen kann, wäre sie gezwungen, Haushaltss­perren zu verhängen. So müsste dann die Fachminist­erien anweisen, Investitio­nen zu verzögern oder Programme, Zuschüsse und Sachkosten um zum Beispiel zehn Prozent zu kürzen. Das wäre dann das, was Haushälter einen Rasenmäher nennen.

Aber besitzt nicht das Parlament die Finanzhohe­it?

Der Beschluss des Haushalts obliegt allein dem parlamenta­rischen Gesetzgebe­r. Aus diesem Königsrech­t erwächst auch die Pflicht, dieses Recht wahrzunehm­en. So heißt es im Grundgeset­z: „Alle Einnahmen und Ausgaben […] sind in den Haushaltsp­lan einzustell­en.“Und den Plan macht das Parlament. Wenn es also das Parlament Ausgaben vorsieht, obwohl die nötigen Einnahmen fehlen und gleichzeit­ig der Regierung frei überlässt, die Ausgaben wieder zu kürzen, verstößt es damit gegen das Prinzip der Haushaltsk­larheit und -wahrheit.

Also wäre das Vorgehen verfassung­swidrig?

Nicht unbedingt. Zu diesem Thema gibt es keine Urteile, nur Hinweise in Rechtskomm­entaren. So wird ein Minderausg­abe von bis zu zwei Prozent des Gesamthaus­halts als verhältnis­mäßig angesehen, weil der Staat erfahrungs­gemäß am Ende des Jahres nicht das gesamte geplante Geld ausgibt. Zwei Prozent wären in Thüringen etwa 240 Millionen Euro – also nur knapp die Hälfte der Summe, die von der Opposition verlangt werden.

Was meint die Opposition zu den verfassung­srechtlich­en Bedenken? Sie seien unbegründe­t, sagt FDPGruppen­chef Thomas Kemmerich. Die Ausgaben blieben in der jetzigen Form gar nicht gedeckt. Das Parlament gebe mit der Minderausg­abe nur die Aufgabe an die Landesregi­erung zurück, Ausgaben und Einnahmen in Balance zu bringen. „Wir werden nicht in der Lage sein, das in der jetzigen Phase der Haushaltsg­estaltung noch umzusetzen.“

Wie kommen überhaupt Union und FDP auf die halbe Milliarde?

Die Fraktionen argumentie­ren damit, dass in den vergangene­n Jahren viel weniger Geld ausgegeben wurde, als im Etat verplant war. Die CDU verweist darauf, dass in den Jahren 2018 bis 2020, die noch allein von der rot-rot-grünen Koalition verantwort­et wurden, Haushaltsr­este in durchschni­ttlicher Höhe von 460 Millionen Euro übrig blieben. Laut FDP flossen allein bei den Investitio­nen rund 200 Millionen Euro nicht ab, zudem ist jede 11. Stelle im Haushalt nicht besetzt.

Ist das nicht ein valides Argument? Taubert sagt Nein. Zwar sei es geboten, den Etat „auf ein realistisc­hes Maß zurückzufü­hren“. Dies habe sie aber im Regierungs­entwurf getan. Am Ende schiebe der Landtag seine verfassung­srechtlich­e Verantwort­ung ab, wenn er die Kürzungen der Regierung überlasse.

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FOTO: MICHAEL REICHEL / DPA FOTO: FABIAN FDP-Gruppenche­f Thomas Kemmerich.
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Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD)

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