Wirtschaft begrüßt Mieten-Urteil
Bundesrichter ermöglichen Kürzung der Zahlungen bei staatlich verfügter Schließung
Gera/Erfurt/Karlsruhe. Das Urteil des Bundesgerichtshofes zu einem möglichen Anspruch auf eine Verringerung der Mieten für gewerbliche genutzte Räume bei einer Zwangsschließungsanordnung des Staates ist in der Thüringer Wirtschaft auf Zustimmung gestoßen.
„Grundsätzlich ist das eine gute Entscheidung für unsere Betriebe, weil sie Rechtssicherheit schafft“, sagte der Sprecher des Handwerkskammer für Ostthüringen, Andre Kühne, gestern auf Anfrage unserer Zeitung. Damit würden etwa Bäcker oder Schuhmacher in Zeiten, in denen ihnen wegen einer Schließung in der Pandemie der Umsatz und die Einnahmen wegbrechen finanziell entlastet.
„Natürlich sind in den zurückliegenden Lockdowns viele Vermieter etwa den bei ihnen eingemieteten Friseuren und Friseurinnen entgegengekommen, wenn die Salons über Wochen dicht waren“, räumte Kühne ein. Das sei aber eine Kulanzentscheidung der Vermieter gewesen ohne einen verbindlichen Rechtsanspruch. Das habe sich mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes nun geändert.
Mit dem Urteil werde Rechtsklarheit geschaffen, begrüßte auch die Hauptgeschäftsführerin der Industrieund Handelskammer (IHK) Erfurt, Cornelia Haase-Lerch, die Entscheidung der Karlsruher Richter. „Sie haben einen klaren Kriterienkatalog vorgegeben, auf dessen Grundlage nun im Einzelfall Lösungen gefunden werden müssen“, sagte Haase-Lerch. Zudem hätten die Bundesrichter vorgegeben, dass es eine gerechte Risikoverteilung zwischen den gewerblichen Mietern und ihren Vermietern geben soll. Auf der Basis dieser höchstrichterlichen Entscheidung müssten nun beide Seiten Lösungen anstreben.
„Diese BGH-Entscheidung entspricht in vollem Umfang unserer Rechtsauffassung“, sagte der Landesgeschäftsführer des Handelsverbandes Thüringen, Knut Bernsen. Das sei auch Grundlage von Rechtsgutachten gewesen, die man zu Beginn der Pandemie den Mitgliedern für entsprechende Verhandlungen zur Verfügung gestellt habe.
Immerhin hätten mit Stand Ende letzten Jahres noch immer rund 60
Prozent der Händler keine abschließende Lösung mit ihren Vermietern erreichen können.
„Das Urteil spiegelt nun den Anspruch auf einen Ausgleich zwischen den Interessen beider Seiten wider“, so Bernsen. Es müsse immer im Einzelfall und mit Blick auf schlüssige Argumente beider Seiten entschieden werden. Das gelte natürlich auch für Händler, die Hilfen erhalten hätten mit dem Hinweis auf laufende Mietkosten.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu entscheiden, ob ein Mieter von gewerblich genutzten Räumen für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der Covid-19-Pandemie zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß Paragraf 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.