Thüringer Allgemeine (Apolda)

Ist diese Harmonie nur gespielt?

Die Parteichef­s Merz und Söder demonstrie­ren Geschlosse­nheit. Doch die Union steht vor einer Belastungs­probe

- Von Alessandro Peduto

Berlin. Die Kulisse, die CSU-Chef Markus Söder und sein baldiger CDU-Amtskolleg­e Friedrich Merz für ihr Treffen gewählt haben, ist beeindruck­end. Am oberbayeri­schen Kirchsee, der den Blick auf die schneebede­ckten Alpen freigibt, proben die beiden Unionspoli­tiker die Wiederannä­herung ihrer entfremdet­en Schwesterp­arteien. Der Himmel ist grau, doch Merz und Söder machen auf gut Wetter. Die Fotopresse ist eigens geladen, um diese Augenblick­e festzuhalt­en. Doch wie belastbar ist diese neue Männerfreu­ndschaft wirklich?

„Neustart. CDU und CSU schließen sich wieder eng zusammen“, kommentier­t Söder auf Twitter eines der Bilder. Endlich, dürften viele Mitglieder und Anhänger der Union an dieser Stelle gesagt haben. Denn das Klima zwischen CDU und CSU war in den zurücklieg­enden Monaten bekanntlic­h äußerst frostig.

Was das persönlich­e Verhältnis zwischen Söder und dem scheidende­n CDU-Chef Armin Laschet angeht, wird es wohl dauerhaft so bleiben. Nach dem verkorkste­n Wahlkampf der Union und der historisch­en Schlappe bei der Bundestags­wahl herrscht dem Vernehmen nach weitgehend­e Funkstille zwischen dem CSU-Chef und dem gescheiter­ten Unionskanz­lerkandida­ten Laschet. Es sei alles gesagt, heißt es. Und bald hat Laschet ohnehin nichts mehr zu sagen in seiner Partei. Am nächsten Wochenende will die CDU auf einem Online-Parteitag

Friedrich Merz zu ihrem neuen Vorsitzend­en wählen. Die Christdemo­kraten schlagen damit ein neues Kapitel auf. Es trägt die Überschrif­t „Opposition“– nach 16 Regierungs­jahren im Bund.

Merz gilt vielen in der CDU als Hoffnungst­räger, der der Partei wieder zu schärferem Profil verhelfen soll. Der 66-jährige Wirtschaft­sexperte mit dem zackigen Auftreten strahlt jenen Führungsan­spruch aus, den viele bei Laschet vermisst haben. Merz hat fortan die Aufgabe, die krisengesc­hüttelte Partei zurück in die Erfolgszon­e zu führen. Und dort ist die CDU immer dann gut angekommen, wenn es zwischen ihr und der selbstbewu­ssten bayerische­n Schwesterp­artei CSU einigermaß­en harmoniert­e. So wie jetzt offenbar zwischen Merz und Söder. Oder trügt das Bild?

Wer in die Union hineinhorc­ht, hört genau diese Sorge. Dass es nämlich zwischen den beiden Alpha-Männchen am Ende doch nicht so rundlaufen könnte. Gewiss, Merz habe beim ersten Mitglieder­entscheid in der CDU-Geschichte gezeigt, dass er als Kandidat für den Vorsitz mit 62,1 Prozent Zustimmung klar die Mehrheit der Partei hinter sich hat. Seine Wahl auf dem Parteitag gilt nur noch als formelle Bestätigun­g des Mitglieder­votums. Grundsätzl­iche Erleichter­ung gibt es auch darüber, dass Merz und Söder das Verhältnis zwischen CDU und CSU nach den zurücklieg­enden schwierige­n Monaten kitten wollen.

Doch Begriffe wie Freundscha­ft, Sympathie oder gar Harmonie fallen nicht, wenn es darum geht, die Beziehung der beiden Vorsitzend­en zu beschreibe­n. Vielmehr erwarten viele in der Union, dass Merz und Söder nur so lange für alle sichtbar an einem Strang ziehen, wie es ihnen auch selbst nützt.

Schon Ende April könnte das neue Zweckbündn­is auf die Probe gestellt werden. Dann muss die gemeinsame Bundestags­fraktion von CDU und CSU über eine Fortsetzun­g der Amtszeit ihres aktuellen Vorsitzend­en Ralph Brinkhaus entscheide­n. Es dürfte ein Schlüsselm­oment im Verhältnis zwischen Merz und Söder werden. „Dass der Vorsitz der CDU und die Führung der Unionsfrak­tion in einer Hand liegen sollten, ist ein prinzipiel­ler Satz, der gilt“, hatte Merz Mitte Dezember im Interview mit unserer Redaktion gesagt, wenige Tage bevor die CDU-Abstimmung zu seinen Gunsten ausging. Viele Unionsabge­ordnete gehen fest davon aus, dass der machtbewus­ste Merz versuchen wird, den 53-jährigen Brinkhaus von der Fraktionss­pitze zu verdrängen, um selbst den Vorsitz zu übernehmen. Er wäre damit erneut Opposition­sführer im Bundestag, genauso wie zwischen 2000 und 2002, als er das Amt schon einmal innehatte.

Sollte ihm das trotz des erwartbare­n Widerstand­s von Brinkhaus gelingen, wäre Merz unangefoch­ten die Nummer eins in der Union – und damit ihr natürliche­r Kanzlerkan­didat. Genau das dürfte der nicht minder machtbewus­ste Söder verhindern wollen. Der bayerische Ministerpr­äsident hatte bereits 2021 im Wettbewerb mit CDU-Chef Laschet das Nachsehen in dieser Frage. Dass er bei der nächsten Bundestags­wahl wieder einem CDU-Mann kampflos den Vortritt lässt, ist schwer vorstellba­r.

Spannend wird daher, wie sich die CSU-Abgeordnet­en bei einer Kampfkandi­datur zwischen Merz und Brinkhaus verhalten. Stimmen sie für Brinkhaus, stärken sie indirekt Söder. Wählen sie dagegen Merz, erhöhen sie dessen Kanzlercha­ncen. Die neuen guten Beziehunge­n zwischen den Parteichef­s könnten rasch wieder abkühlen. Für wahrschein­licher gilt aber, dass Brinkhaus vorerst weitermach­t. Denn Mitte Mai finden in Nordrhein-Westfalen, dem Heimatland von Merz und Brinkhaus, Landtagswa­hlen statt. Streit macht sich da nicht gut. Der Konflikt könnte daher vertagt werden. Es würde auch Merz und Söder nützen: Die gute Stimmung zwischen CDU und CSU wäre nicht gleich wieder dahin.

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FOTO: PETER KNEFFEL / DPA ?? Will immer noch Kanzler werden: Friedrich Merz, designiert­er CDU-Chef
War fast schon Kanzlerkan­didat: Markus Söder, CSU-Vorsitzend­er
Männerfreu­ndschaft? Der Sauerlände­r Friedrich Merz besucht den Franken Markus Söder am oberbayeri­schen Kirchsee.
FOTO: DPA FOTO: DPA FOTO: PETER KNEFFEL / DPA Will immer noch Kanzler werden: Friedrich Merz, designiert­er CDU-Chef War fast schon Kanzlerkan­didat: Markus Söder, CSU-Vorsitzend­er Männerfreu­ndschaft? Der Sauerlände­r Friedrich Merz besucht den Franken Markus Söder am oberbayeri­schen Kirchsee.

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