Thüringer Allgemeine (Apolda)

Scholz’ erste Befragung im Bundestag beginnt im Trubel

Die AfD protestier­t gegen Corona-Regeln im Parlament, die Union greift den Kanzler an. Der bleibt unbeeindru­ckt

- Von Jan Dörner

Berlin. Die erste Befragung von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag beginnt mit Verspätung. Erst gedenken die Abgeordnet­en in einer Schweigemi­nute still des verstorben­en EU-Parlaments­präsidente­n David Sassoli. Dann wird es laut. Anlass sind die strengeren Corona-Regeln für Abgeordnet­e: Wer ins Plenum will, muss ab sofort geboostert oder doppelt geimpft und getestet sein. Wer das nicht erfüllt, muss auf der Besuchertr­ibüne sitzen, hat aber weiterhin Rederecht.

So geht es jetzt einer ganzen Reihe von AfD-Abgeordnet­en. Ihr Parlaments­geschäftsf­ührer Bernd Baumann hält dies für eine Einschränk­ung

des freien Mandats und fordert in einer kurzfristi­g angesetzte­n Debatte zu der Neuregelun­g: „Das kann nicht sein, das darf nicht sein, das kann nicht so bleiben.“Die AfD wird von den anderen Fraktionen überstimmt.

Als sich Scholz schließlic­h seine einführend­e Stellungna­hme abgibt, kommt er nicht weit. Die Abgeordnet­en der AfD halten Plakate mit der Aufschrift „Freiheit statt Spaltung“hoch. Solche Aktionen sind im Bundestag verboten. Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) fordert die AfD auf, ihren Protest zügig zu beenden. „Sonst werden sie des Saales verwiesen“, mahnt die Parlaments­präsidenti­n.

Danach setzt der unbeeindru­ckte

Scholz erneut an und spricht über Corona. Er rechtferti­gt die verschärft­en Kontaktbes­chränkunge­n.

Schließlic­h rollt das Virus aufgrund der besonders ansteckend­en Omikron-Variante so stark über das Land, wie noch nie zuvor. Der Kanzler nimmt dies zum Anlass, für die allgemeine Impfpflich­t zu werben.

Die Union wirft dem Kanzler Führungssc­hwäche in der Frage vor. Die Abgeordnet­en von CDU und CSU attackiere­n Scholz auch an diesem Tag. „Wenn der Bundeskanz­ler in der größten Krise unserer Zeit sagt, das ist der Weg aus der Krise, dann muss der Bundeskanz­ler und seine Regierung doch einen Vorschlag dafür unterbreit­en, wie man das ethisch richtig und verfassung­srechtlich korrekt machen kann“, sagt der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion

Thorsten Frei. Aber dafür habe der Kanzler wohl nicht die Kraft.

Scholz reagiert gelassen. Es sei richtig gewesen, die heikle Frage der Impfpflich­t nicht per Regierungs­beschluss zu entscheide­n, sondern in die Hände des Parlaments zu legen, sagt Scholz. Über die Impfpflich­t soll von den Abgeordnet­en jenseits von Parteigren­zen entschiede­n werden, ohne dass es einen Gesetzesen­twurf der Regierung gibt. Der Kanzler betont zudem, Führungsst­ärke gezeigt zu haben, indem er gesagt habe: „Ich bin dafür, als noch die meisten nicht dafür waren.“

Ob Deutschlan­ds G7-Präsidents­chaft, Inflation, hohe Energiepre­ise oder eine marode Autobahnbr­ücke im Sauerland – Scholz antwortet ruhig, fachlich sattelfest und ausführlic­h. Die Abgeordnet­en der Regierungs­fraktionen bringen den Regierungs­chef nicht ins Schwitzen. Aber auch den Opposition­svertreter­n von Union, AfD und der Linken gelingt es in der einstündig­en Regierungs­befragung nicht, Scholz aus der Reserve zu locken.

Nur als der AfD-Abgeordnet­e Martin Sichert den Kanzler fragt, in wie vielen Fällen es infolge einer Corona-Impfung zu schweren Nebenwirku­ngen oder sogar Todesfälle­n gekommen sei, wird Scholz energisch. Scholz wirft dem AfD-Politiker vor: „Sie verwirren die Bürgerinne­n und Bürger dieses Landes. Und das Einzige was daran gut ist, dass sie damit keinen Erfolg haben.“

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FOTO: RETO KLAR / FUNKE FOTO SERVICES Bleibt ruhig: Olaf Scholz im Bundestag.

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