Corona-Variante zwingt US-Gesundheitswesen in die Knie
Mehr als fünf Millionen Neu-Infektionen pro Woche. Größtes Sorgenkind ist der Südosten mit niedrigen Impfquoten
Washington. Im Wochendurchschnitt fangen sich in den USA gerade fünf Millionen Menschen das Coronavirus ein, berichtet die Johns-Hopkins-Universität. Tendenz steigend. An einzelnen Tagen sind es bis zu 1,4 Millionen Neuinfektionen. Die sich rasend schnell verbreitende Omikron-Variante hat für einen neuen Rekord bei Hospitalisierungen gesorgt und zwingt das Gesundheitswesen jeden Tag mehr in die Knie.
Rund 150.000 Amerikaner liegen heute in Krankenhäusern, darunter 4500 Kinder. 24.000 Menschen werden auf Intensivstationen behandelt. 90 Prozent der Neueinweisungen, meist jünger als 60 Jahre, gehen auf Ungeimpfte zurück. Epidemiologen sagen bis zu 300.000 Krankenhaus-Fälle in wenigen Wochen voraus. Janet Woodcock, Chefin der Arzneimittelbehörde FDA, sagte zu Wochenbeginn bei einer Anhörung im Senat: „Wir müssen sicherstellen, dass die Krankenhäuser noch funktionieren.“Dort arbeitet das medizinische Personal längst über dem Limit. Seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 hat der Gesundheitssektor landesweit 20 Prozent Personal verloren. Zigtausende Ärzte und Krankenschwestern
leiden unter Burn-out. Sie erwägen den Ausstieg aus einem Job, der enorme Risiken für die eigene Gesundheit birgt, trotz Schutzbrille, Maske und Handschuhen.
Auch wenn Omikron nach vorläufigem Stand der Wissenschaft bisher vor allem mildere Krankheitsverläufe auslöst, steigt zeitversetzt auch die Totenzahl beständig. Zuletzt starben alle 24 Stunden etwa 1700 Menschen in den Vereinigten
Staaten an den Folgen von Corona. Derzeit sind knapp 208 Millionen Amerikaner (rund 63 Prozent) komplett geimpft. Aber nur 76 Millionen haben bisher die Auffrischungsimpfung bekommen.
Größtes Sorgenkind ist für Epidemiologen der Südosten des Landes. Republikanisch beherrschte Bundesstaaten wie Florida, Georgia, Louisiana und Mississippi haben die geringsten Impfquoten. Politisch wird dort, ein Relikt der Trump-Präsidentschaft, aktiv gegen Vorsichtsmaßnahmen wie Maskentragen agitiert. Hier ist der Anstieg bei Krankenhauseinweisungen am steilsten. In ländlichen Gebieten mit schlechter Krankenhausversorgung werden kurzfristig „katastrophale Zustände“erwartet, heißt es bei der Gesundheitsbehörde CDC.
In etlichen Bundesstaaten haben die Gouverneure medizinisch geschultes Personal der Nationalgarden in die Krankenhäuser abkommandiert, um Personalengpässe zu lindern. Viele Hospitäler haben nicht unabdingbar notwendige Operationen auf unbestimmte Zeit verschoben.
Dr. Craig Spencer, Direktor der Notfall-Medizin der Presbyterian/ Columbia-Universitätsklinik in New York, warnt davor, sich auf milde(re) Krankheitsverläufe bei der Omikron-Variante zu verlassen. „Selbst eine milde Variante produziert mehr behandlungsbedürftige Patienten, als unser bereits jetzt überlastetes System bewältigen kann.“Dr. Anthony Fauci, der ChefEpidemiologe der US-Regierung, geht davon aus, dass die OmikronVariante aufgrund der „außergewöhnlichen und beispiellosen Effektivität der Übertragung letztlich fast jeden Menschen finden wird“.