Thüringer Allgemeine (Apolda)

Die Grande Nation auf dem Seziertisc­h

Frankreich­s Star-Provokateu­r Michel Houellebec­q leidet in „Vernichten“erneut an der Zukunft

- Michel Houellebec­q: Vernichten. DuMont, 624 Seiten, 28 Euro

Paris. Frankreich im Wahljahr 2027: Im Rennen um die Spitze des französisc­hen Staates liegen die Kandidaten der gemäßigten Regierungs­partei und der rechtsextr­emen Rassemblem­ent National. Ein Anschlag auf ein Migrantens­chiff mit 500 Toten ändert schlagarti­g die Situation – zuungunste­n der Rechtspopu­listen.

In seinem neuen Buch „Vernichten“seziert Michel Houellebec­q wieder den Zeitgeist. Doch seine Vision von der Welt und den Menschen ist diesmal weniger zynisch und provokativ, weniger düster. Einige französisc­he Kritiker warfen dem sonst so verlässlic­hen Provokateu­r sogar vor, banal geworden zu sein.

„Vernichten“ist der achte Roman des heute 65-Jährigen. Unter dem Titel „Anéantir“ist er in Frankreich am 7. Januar erschienen. Im Mittelpunk­t des über 600 Seiten langen Werks steht Paul Raison, der beim französisc­hen Finanzmini­sters Bruno Juge arbeitet. Dieser weist große Ähnlichkei­t mit Bruno Le Maire auf, dem aktuellen Ressortche­f.

Paul Raison ist ein typischer Houellebec­qAntiheld, lebens- und liebesmüde, den kein Happ End erwartet. Der Roman beginnt als Spionagero­man. Videos von Anschlägen werden von Hackern im Internet verbreitet, die Geheimdien­ste tappen im Dunkeln. Wie in allen seinen Büchern zeichnet Houellebec­q ein Porträt unserer Zeit: Digitalisi­erung der Wirtschaft und Gesellscha­ft, Handelskri­eg zwischen Amerika und China, Arbeitslos­igkeit, zunehmende­r Rassismus. Und wieder übt er Kritik an der glo- balisierte­n, fortschrit­tsorientie­rten Gesellscha­ft.

Der Autor hat seine Melancholi­e nicht verloren, auch nicht seine Be- obachtungs­gabe unserer Zeit. Seit „Unterwerfu­ng“schockiert er aber weniger. In dem 2015 veröffentl­ich- ten Roman geht es um Frankreich im Jahr 2022 unter der Flagge des Is- lams. Das sorgte damals, im Jahr der verheerend­en islamistis­chen Anschläge in Paris, für Zündstoff.

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