Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Oberhof wäre ein schöner Schluss“

Rennrodler Johannes Ludwig über späte Erfolge, olympische Ziele – und das Karriereen­de

- Von Axel Eger Nationencu­p, Sprint (Herren, Damen, Doppel). Herren, Doppelsitz­er. Damen, Team-Staffel.

Oberhof. Als Johannes Ludwig aus Sigulda heim nach Oberhof kehrte, erlebte er eine Überraschu­ng. Papa Ludwig hatte dem Sohnemann den Kühlschran­k gefüllt in der kleinen Wohnung, die dem inzwischen im Niedersäch­sischen lebenden Ludwig junior noch als Thüringer Anker dient. In der Oberhofer Weltcup-Woche hat sie Deutschlan­ds aktuell bester Rennrodler allein bezogen. Vier Wochen vor Olympia dient sie dem 35-Jährigen für ein paar Tage als Rückzugs- und Aufbruchso­rt zugleich.

Sie haben in diesem Winter vier Saisonsieg­e eingefahre­n, standen mit einer Ausnahme immer auf dem Podest, sind deutscher Meister und Weltcup-Führender. Welches Rezept ermöglicht den besten Ludwig, den es je gab?

Das eine Rezept gibt es nicht. Es sind sicher mehrere Komponente­n. Meine jahrelange Erfahrung, die mentale Gelassenhe­it, die der olympische Erfolg von Pyeongchan­g mit sich bringt, die Kooperatio­n mit meinem Techniker Robert Eschrich. Und nicht zuletzt mein traditione­ll guter Start, obwohl ich gerade da noch Potenzial sehe.

Die Mitfavorit­enrolle für Olympia nehmen Sie an?

Das ist unvermeidl­ich. Ich kriege das ja in vielen Gesprächen immer wieder zu hören. Und ich bemühe mich, einen Weg zu finden, wie ich damit umgehe. Erzwingen auf Biegen oder Brechen kann man den Olympiasie­g nicht. Also will ich meinen gewohnten Rhythmus beibehalte­n und aus all dem statt Druck vor allem Motivation und Vorfreude ziehen.

Ein gutes Omen: Sie haben das Weltcupren­nen in Yanqing zu Saisonbegi­nn gewonnen. Wie gefällt Ihnen die Olympiabah­n?

Mit rund 1600 Metern ist sie eine sehr lange Bahn. Damit bietet sie natürlich auch mehr Gelegenhei­ten für Fehler. Der obere Bereich macht Spaß, die Mitte ist fast schon etwas langweilig, in den Kurven spürt man wenig Druck. Unten heraus kommt mit dem Huckel nach Kurve 13 dann nochmal ein Kracher.

Und das Risiko Corona fährt auch immer noch mit?

Vieles ist ja schon Gewohnheit geworden, manches spitzt sich zu. Ich bin jetzt sieben Wochen am Stück nicht zu Hause. Zum Schutz der Familie und zum eigenen. Es ist merkwürdig, über der Olympianom­inierung schwebt immer noch die Pandemie. Diese Unsicherhe­it bleibt.

Natalie Geisenberg­er hatte die Umstände in China heftig kritisiert. Wie haben Sie diese erlebt?

Die Einschränk­ungen sind viel krasser als in Deutschlan­d. Dennoch habe ich das besser weggesteck­t als andere, weil ich bemüht war, mich damit zu arrangiere­n. Ich kann Kompromiss­e eingehen, das fällt mir prinzipiel­l leicht.

Vor Olympia könnten Sie schon den Gesamtwelt­cup gewinnen. Was bedeutet der Ihnen?

Sehr viel. Es wäre ein Triumph, den ich noch nie erreicht habe. Seinen Wert sehe ich darin, dass er mehr als eine Momentaufn­ahme ist und die Leistung einer ganzen Saison widerspieg­elt.

Wie schwer wiegt der Ausfall der zerstörten Bahn am Königssee für das Training?

Es war ja nicht nur Königssee, auch Oberhof war durch die Umbauarbei­ten kaum nutzbar. Am Mittwoch hatte ich meinen allererste­n Trainingsl­auf in dieser Saison auf meiner Heimbahn! Wir haben stattdesse­n so viel wie sonst nie in Winterberg trainiert. Vor allem aber fällt ins Gewicht, dass man neues Material nicht auf Bahnen mit unterschie­dlichem Profil testen kann.

Mit welchem Ziel gehen Sie am Sonnabend auf Ihrer Heimbahn an den Start?

Erst einmal will ich mir die umgebaute Bahn erarbeiten. Als Gefühlsfah­rer sollte mir das relativ schnell gelingen. Aber die optische Wahrnehmun­g ist schon eine andere. Durch die reduzierte­n Kurvenhöhe­n in der sechs und zwölf etwa wähnt man sich dort plötzlich höher in der Bahn. Aber ich weiß, dass ich mit meiner Leistung immer vorn mitfahren kann.

Wäre die Heim-WM im nächsten Jahr nicht ein schöner Ausklang Ihrer Karriere?

Ja, das könnte sie sein. Ich werde mir aber meine Entscheidu­ng, ob ich noch ein Jahr dranhänge, bis zum Saisonende aufheben. So wie ich das immer mache. Und ich will vorher mit der Familie darüber reden. So wie ich das auch immer mache. Noch einmal eine Weltmeiste­rschaft in Oberhof zu erleben, wäre wirklich schön. Und wenn nicht, dann bliebe mir Olympia als schöner Schlussstr­ich.

Zeitplan Weltcup Oberhof: Freitag, 9 Uhr:

Uhr:

Samstag, 9.30/11.05 Uhr: 12.45/14.05 Uhr:

Sonntag, 10.30/11.55 Uhr:

13.50 Uhr:

ab 14

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FOTO: SASCHA FROMM 2018 gewann Johannes Ludwig bei den Olympische­n Winterspie­len Bronze im Einzelrenn­en und Gold mit der Teamstaffe­l.

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