Heißlaufen vor Schaulaufen
Bundestrainer Alfred Gíslason lässt sich auf keine Spekulationen zu einer Turnierüberraschung ein, DHB-Präsident Andreas Michelmann hält die Erwartungen klein und auch Kapitän Johannes Golla denkt nicht weiter als über die Vorrunde hinaus. Zurückhaltend wie lange nicht starten die deutschen Handballer in die EM. Ein Vorteil, aber kein Freibrief.
Mit Vorfreude sind die Deutschen in Bratislava angekommen, aber auch im Wissen um die Außenseiterrolle. Fast die Hälfte des 17er-Kaders gibt ihr Debüt. Nur ein Grund mehr für den Bundestrainer, eine Medaillenkandidatur wegzuschieben. Zu viel fehle seiner Ansicht nach, um Weltspitze zu sein.
Das heißt nicht, dass für die DHB-Auswahl sechs Jahre nach ihrem EM-Coup kein Top-Ergebnis möglich wäre. Der Sieg im abschließenden Test mit Olympiasieger Frankreich belegt kämpferische Qualität. Und er verleiht dem jungen Team vor den Partien in der ausgeglichenen Vorrundengruppe viel Rückenwind. Der größte Gegner aber heißt ohnehin Corona.
In die Hauptrunde zu kommen muss Minimalziel sein. Mehr noch. Im steten Ringen um Aufmerksamkeit, Fernsehzeit und Förderung geht es gerade in der fußballärmeren Periode darum, Begeisterung zu wecken. Das Olympia-Aus im Viertelfinale haftet noch schwer an.
Die EM in Ungarn und der Slowakei ist ein Finden, ein Warmund Heißlaufen vorm Schaulaufen. Die nächste kontinentale Meisterschaft findet 2024 in Deutschland statt, drei Jahre später die WM. Gepaart mit der Co-Gastgeberrolle der Frauen-WM 2025 mit den Niederlanden eine Dekade des Handballs. Die Erwartungen ans bevorstehende Turnier mögen gering sein. Zeit, um zu scheitern, hat das neu formierte DHB-Team dennoch nicht.