Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Termin für Teilimpfpf­licht verschiebe­n“

Awo-Manager sieht auf die ohnehin stark belastete Pflegebran­che ab Mitte März riesige Probleme zukommen

- Von Sibylle Göbel

Jena/Weimar. Am 8. Februar schlägt im Pflege- und Gesundheit­sbereich die Stunde der Wahrheit. Denn das ist der Tag, an dem Arbeitgebe­r Gewissheit darüber haben werden, mit welchen ihrer Beschäftig­ten sie vom 16. März an rechnen können. Der 8. Februar ist nämlich der letztmögli­che Termin, um sich pünktlich zu diesem Stichtag die dann im Pflegeund Gesundheit­sbereich geforderte vollständi­ge Immunisier­ung zu holen. Alle, die sich bis dahin nicht impfen ließen oder nicht in den Monaten davor von einer Corona-Infektion genesen sind, dürfen theoretisc­h ab dem 16. März nicht mehr in bestimmten Einrichtun­gen wie

Pflegeheim­en und Krankenhäu­sern tätig sein.

Auf viele Betreiber komme damit eine riesige Herausford­erung zu, sagt Frank Albrecht, Vorstandsc­hef des Arbeiterwo­hlfahrt-Regionalve­rbandes Mitte-West-Thüringen: „Ich weiß von Trägern, dass die Impfquote in einzelnen Einrichtun­gen derzeit nur bei 60 bis 80 Prozent liegt und sich etliche Mitarbeite­r partout nicht impfen lassen wollen.“

Kämen dazu noch Erkrankung­en und Quarantäne­fälle beim geimpften Teil der Belegschaf­t, sei der Betrieb akut gefährdet. „Niemand mag sich vorstellen, dass zum Beispiel ein Pflegedien­st, der 100 Menschen pflegt, dazu plötzlich nicht mehr in der Lage ist, weil er nicht die Mindest-Fachkraftq­uote

kann.“

In den eigenen Reihen sehe es zwar nicht so dramatisch aus – von den rund 350 Pflegekräf­ten in den Einrichtun­gen und Diensten des Awo-Regionalve­rbandes seien aktuell weniger als zehn Prozent nicht immunisier­t. Doch mit Blick auf das in der gesamten Branche drohende Szenario appelliert Albrecht an die Politik, sofort einen Vier-PunktePlan umzusetzen: „Der Termin für die einrichtun­gsbezogene Impfpflich­t sollte auf den 15. Mai verschoben werden“, so sein erster Vorschlag. Zweitens müsse es über einen bundesweit­en Arbeitgebe­rverband für Pflegeberu­fe einen Tarifvertr­ag für alle in der Pflege Beschäftig­ten

sicherstel­len

geben. „Die Bezahlung muss endlich ehrlich und transparen­t sein“, so der Awo-Manager. Albrecht spricht sich darüber hinaus für eine „Ausbildung­soffensive und eine Integratio­nsperspekt­ive“aus, „denn das Personal, das wir künftig brauchen, wird nicht in Deutschlan­d geboren“.

Den Umstand, dass die einrichtun­gsbezogene Impfpflich­t kommt, hält Albrecht zwar für „absolut richtig“: „Doch sie gilt eben einem Bereich, der seit 30 Jahren kaputtgesp­art wird.“Zu Beginn der Pandemie seien die Pflegekräf­te noch als Helden beklatscht und ihnen Corona-Prämien versproche­n worden. Dann aber habe es nicht nur Ärger bei der Auszahlung der Prämien gegeben, die Situation der Mitarbeite­r habe sich auch nicht verbessert, während Bund und Länder ansonsten im Geldausgeb­en großzügig verfahren seien. „Jeder, der in der Pflege arbeitet, ist ein Riesenscha­tz, auf den wir nicht verzichten können“, mahnt er und weist auf die möglichen Folgen der Teilimpfpf­licht hin: Mit Blick auf die dezimierte Personalst­ärke ab Mitte März seien zum Beispiel kaum mehr Aufnahmen in Pflegeheim­en möglich, wovon wiederum pflegende Angehörige und auch Krankenhäu­ser, die pflegebedü­rftige Patienten abgeben, betroffen seien. Albrecht: „Da höre ich leider auch viel zu wenig von den Pflegekass­en, die doch den Sicherstel­lungsauftr­ag haben.“

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ARCHIV-FOTO: SUSAN VOIGT Frank Albrecht ist Vorstandsv­orsitzende­r des Awo-Regionalve­rbandes Mitte-West-Thüringen.

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