Thüringer Allgemeine (Apolda)

Aldi & Co. für Milch von glückliche­ren Kühen

Lebensmitt­elketten treiben bessere Haltung von Nutztieren in deutschen Ställen voran.

- Von Beate Kranz

Berlin. Das Wohl der Tiere gewinnt im Lebensmitt­elhandel zunehmend an Bedeutung. Nach Edeka, Netto und Lidl wollen sich nun auch die Discounter Aldi Nord und Süd verstärkt für eine artgerecht­ere Haltung von Nutztieren in Deutschlan­d einsetzen – und dazu nur noch Milch von Kühen verkaufen, die aus einer besseren Haltung in den Ställen stammen. Tierschütz­er begrüßen den Schritt.

Bis spätestens 2030 soll für die Trinkmilch der Eigenmarke­n der beiden Aldi-Konzerne nur noch welche von Tieren verwendet werden, die in Betrieben mit größeren Ställen mit einem Laufhof oder einer Wiese gehalten werden – also in den Haltungsfo­rmen 3 und 4, kündigten die Discounter an. Lidl will künftig 65 Prozent seines Milchsorti­ments in diesen beiden höheren Haltungskl­assen anbieten.

Die Supermarkt­kette Edeka und der Discounter Netto wollen ab Frühjahr alle Frischmilc­h- und HMilch-Produkte ihrer Eigenmarke­n (Gut & Günstig, Edeka) schrittwei­se auf die besseren Haltungsfo­rmen 2 bis 4 umstellen – und diese ebenfalls kennzeichn­en. Damit verzichtet Edeka auf die niedrigste Haltungsfo­rm 1 und verhindert, dass Milch von Kühen verkauft wird, die ganzjährig im Stall angebunden werden.

Kühe sollen nicht mehr in Ställen angebunden werden

„Die Entwicklun­g der letzten Jahre zeigt: Die Nachfrage nach Tierwohl-Produkten wächst stetig“, begründet die Aldi-Managerin Tanja Hacker den Schritt. „Bereits heute stammen rund 25 Prozent unserer Milch aus den Haltungsfo­rmen 3 und 4.“Bis 2023 soll der Anteil auf 40 Prozent steigen, bis 2030 auf 100 Prozent.

Gleichzeit­ig soll bis zum Jahr 2024 vollständi­g auf Milch aus der schlechtes­ten Haltungsfo­rm 1 verzichtet werden. Die verstärkte Nachfrage der Kunden habe den Discounter dazu bewegt, „den Haltungswe­chsel auch bei der Milch umzusetzen“, sagte Hacker.

Aus welcher Haltungsfo­rm die Milch stammt, sollen Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r auf den Verpackung­en erkennen können. Aldi will bereits bis März die ersten Milchartik­el mit den Haltungsfo­rmlabels markieren, bei Edeka und Netto erfolgt dies ab April, Lidl zeichnet ab sofort sukzessive seine Milch und Milchprodu­kte mit dem Zeichen aus.

Gleichzeit­ig setzt Aldi auf Milch aus deutscher Herkunft: Bereits heute bezieht Aldi seine Frischmilc­h aus deutscher Haltung, ab 2024 soll dies auch für H-Milch gelten, so der Discounter. Bei Lidl stammt die Trinkmilch nach Unternehme­nsangaben bereits zu 100 Prozent aus Deutschlan­d.

Die in der Initiative Tierwohl engagierte­n Lebensmitt­elketten wollen von diesem Jahr an auch Fleisch, Käse und Joghurt mit den Haltungsfo­rmLabeln versehen.

Der Deutsche Tierschutz­bund begrüßt die Schritte des Handels, doch die Initiative reiche noch nicht. „Dass sich etwas bewegt, ist gut und wichtig“, kommentier­t Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes. Gleichzeit­ig fordert er die Politik auf, den Tierschutz grundlegen­d zu verbessern. „Der Gesetzgebe­r muss endlich Lücken im Ordnungsre­cht schließen, um den Tierschutz in den Ställen sicherzust­ellen und um den notwendige­n gesetzlich­en Rahmen zu schaffen“, fordert Schröder. Der Handel treibe derzeit die Politik vor sich her und zeige, wohin die Reise gehen müsse.

Denn aus Tierschutz­sicht sei auch die Haltungsfo­rmstufe 2 noch „unzureiche­nd“, da sie immer noch eine saisonale Anbindehal­tung der Kühe zulässt. Dies gelte bei Aldi noch weitere acht Jahre, kritisiert Schröder. Netto und Edeka hätten überhaupt noch kein Enddatum genannt. Auch Lidl nenne keinen Zeitplan.

Ähnlich sieht dies auch Greenpeace. „Die neue Bundesregi­erung müsse nun endlich die Bedingunge­n für den überfällig­en Umbau der Landwirtsc­haft schaffen“, sagte der Landwirtsc­haftsexper­te Martin Hofstetter. „Den notwendige­n Wandel kann und wird der Markt allein nicht stemmen.“

Auch die Verbrauche­rschutzorg­anisation Foodwatch hält eine grundlegen­de Reform der Tierhaltun­g für notwendig. „Die Ankündigun­gen der Handelsket­ten ändern nicht das Geringste an den eklatanten Missstände­n beim Tierschutz, die in der deutschen Landwirtsc­haft nach wie vor herrschen“, sagt Matthias Wolfschmid­t, Veterinär bei Foodwatch, unserer Redaktion. Die formalen Haltungsbe­dingungen

sagten nichts darüber aus, ob ein Tier unter vermeidbar­en Krankheite­n litt. Es müsse europaweit endlich eine gesetzlich­e Verbesseru­ng des Tierschutz­es geben.

Aktuell gibt es vier Haltungsst­ufen für Nutztiere, wobei der Komfort in der Stufe 4 (Premium) am besten und in der Stufe 1 (Stallhaltu­ng) am schlechtes­ten ist. Das heißt für Milchkühe in der Stufe 3 (Außenklima): Die Tiere werden im Stall nicht angebunden, haben mindestens 5 Quadratmet­er Platz im Laufstall mit Laufhof oder Weidegang. Milchkühen in der Haltungsst­ufe 4 geht es noch etwas besser: Sie bekommen mindestens 6 Quadratmet­er, haben einen Laufhof oder Weidegang. Die Haltungsst­ufe 1, in der Tiere in einer Liegebox stehen, oft angebunden sind und in der ein Auslauf nur optional ist, wird zum Auslaufmod­ell. Ebenso die Stufe 2 (Stallhaltu­ng Plus), in der Tiere 4 Quadratmet­er Platz haben.

Insgesamt werden 87 Prozent der Milchkühe in Deutschlan­d in offenen Laufställe­n gehalten, jede neunte Kuh wird noch angebunden. Nur 31 Prozent haben laut Bundesinfo­rmationsze­ntrum Landwirtsc­haft sechs Monate im Jahr Weidegang. Die Milchviehh­alter sind bereit, sich den neuen Erwartunge­n ans Tierwohl zu stellen, sagte der Vizepräsid­ent des Deutschen Bauernverb­ands, Karsten Schmal. Die Umstellung könne jedoch nicht binnen weniger Monate erfolgen.

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FOTO: ISTOCK Beengtes Stehen in Ställen: Diese Haltungsfo­rm soll für Milchkühe ein Auslaufmod­ell werden.
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