Thüringer Allgemeine (Apolda)

So setzen Sie ihren Bildungsur­laub durch

Die meisten Arbeitnehm­er haben Anspruch auf bezahlte Tage für Lernzeit. Was Interessie­rte wissen sollten

- Von Nicolas Heronymus Dieser Beitrag erscheint in Kooperatio­n mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbrauche­r ist Teil der Finanztip-Stiftung.

Berlin. Nach fast zwei Jahren Pandemie möchten viele im neuen Jahr etwas für sich tun: eine neue Fähigkeit erlernen, sich besser gegen die Alltagshek­tik wappnen oder einfach den Horizont erweitern. Das ist leichter als gedacht, denn Angestellt­e dürfen dafür in den meisten Bundesländ­ern fünf Tage bezahlten Urlaub nehmen.

Die Bundesrepu­blik Deutschlan­d hat sich bereits im Jahr 1974 völkerrech­tlich verpflicht­et, Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern Bildungsur­laub zu ermögliche­n. Da Bildung aber Ländersach­e ist, gibt es ihn nicht in allen Bundesländ­ern. Bayern und Sachsen haben noch keine Regeln für Bildungsur­laub erlassen. Allerdings nutzen auch dort, wo es ihn gibt, nur wenige ihren Anspruch. Befragunge­n in Hessen und Baden-Württember­g zeigen, dass nur knapp 1 von 100 Arbeitnehm­ern Bildungsur­laub nimmt.

Dabei bringt es viel, sich für ein paar Tage nur um sich selbst zu kümmern. Denn das Berufslebe­n verlangt heutzutage von allen, flexibel zu sein und sich ständig weiterzuen­twickeln. Viele müssen darüber hinaus Beruf und Familie vereinbare­n.

Das Angebot ist riesig

Wer sich für Bildungsur­laub interessie­rt, kann aus diversen Angeboten wählen: Von „English Business Classic“über Yoga-Kurse auf Norderney bis zu „Souverän kommunizie­ren in Beruf und Alltag“ist vieles möglich. Voraussetz­ung ist nur, dass das Angebot den Teilnehmer oder die Teilnehmer­in beruflich oder politisch weiterbrin­gt. Daher können zum Beispiel auch Reisen und Wanderunge­n mit entspreche­ndem Fokus anerkannt werden. Sogar der Besuch von Kursen im Ausland ist grundsätzl­ich möglich. Die Regeln variieren allerdings von Bundesland zu Bundesland.

Arbeitnehm­er und Firmen streiten hin und wieder darüber, ob ein Kurs anerkannt ist. Dann müssen Gerichte entscheide­n. Das Landgerich­t Berlin etwa urteilte im Jahr 2019, dass „Yoga I – erfolgreic­h und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation“als Bildungsur­laub gilt. Ein Seminar zur politische­n und sozialen Situation auf Kuba hingegen erkannte das Bundesarbe­itsgericht im Jahr 2000 nicht an. Wer sichergehe­n möchte, kann in den meisten Bundesländ­ern in Listen anerkannte Seminare suchen. Hamburg, Berlin und Hessen zum Beispiel haben solche Datenbanke­n. Tipp: Wer eine Extra-Qualifikat­ion für ein Ehrenamt benötigt, kann auch diese in einem Bildungsur­laub erwerben.

Anspruch, Dauer, Kosten Bildungsur­laub können Arbeitnehm­er in der Regel nehmen, sobald sie sechs oder zwölf Monate in ihrem Unternehme­n angestellt sind. Ob und unter welchen Bedingunge­n Beamte und Auszubilde­nde das Angebot nutzen dürfen, unterschei­det sich von Bundesland zu Bundesland. Mehr zu den Regelungen in den einzelnen Bundesländ­ern hat der Geld-Ratgeber Finanztip auf seiner Website zusammenge­fasst.

In den meisten Bundesländ­ern stehen jedem Angestellt­en fünf Tage pro Jahr für Weiterbild­ung zu. Wer sie in einem Jahr nicht genommen hat, kann die Tage in vielen Bundesländ­ern ins folgende Jahr mitnehmen. In Hamburg und NordrheinW­estfalen gilt beispielsw­eise von vornherein: Arbeitnehm­er haben zehn Tage in zwei Jahren.

Den Kurs müssen Bildungsur­lauber zwar selbst zahlen, sie können ihn unter Umständen aber als Werbungsko­sten von der Steuer absetzen – etwa wenn er in engem Zusammenha­ng mit der berufliche­n Tätigkeit steht. Darüber hinaus zahlen manche Krankenkas­sen einen Zuschuss für bestimmte Kurse.

Bis Ende 2021 gab es vom Bundesbild­ungsminist­erium eine Bildungspr­ämie von bis zu 500 Euro. Eine Verlängeru­ng ist aktuell nicht geplant. Wer in Nordrhein-Westfalen arbeitet, kann unter Umständen einen individuel­len Bildungssc­heck bekommen. Näheres dazu bietet die Website des Arbeitsmin­isteriums von Nordrhein-Westfalen.

Antrag rechtzeiti­g stellen

Der Antrag auf Bildungsur­laub muss in der Regel erst sechs bis acht Wochen vor Beginn beim Arbeitgebe­r sein. Interessie­rte haben also genug Zeit, sich einen Überblick über das Angebot für dieses Jahr zu verschaffe­n. Trotzdem empfiehlt es sich, den Chef möglichst früh anzusprech­en, denn in vielen Firmen ist Bildungsur­laub eher unbeliebt.

Arbeitnehm­er sollten vorher überlegen, mit welchen Argumenten sie Chefin oder Chef überzeugen wollen. Wohl immer gilt: Wer sich Zeit für einen Bildungsur­laub nimmt, ist hinterher motivierte­r und deutlich zufriedene­r. Am Ende profitiert also auch die Firma.

Den Antrag auf Bildungsur­laub ablehnen dürfen Arbeitgebe­r nur, wenn dringende betrieblic­he Belange oder Urlaubszei­ten von Kollegen dagegenspr­echen – sofern der Kurs anerkannt ist. Eine Ablehnung muss der Arbeitgebe­r begründen.

Damit es mit dem Antrag klappt, sollten Interessie­rte beim Arbeitgebe­r

mit dem Antrag auch eine Anmeldebes­tätigung des Veranstalt­ers, einen Ablaufplan und eine Bestätigun­g über die grundsätzl­iche Anerkennun­g als Bildungsur­laub einreichen. Wer nicht alles selbst formuliere­n will, kann auch Musterschr­eiben wie das von Finanztip nutzen.

Bildungsur­laub trotz Pandemie?

Wer einen Präsenzkur­s buchen möchte, sollte bedenken, dass es wahrschein­lich mindestens bis in den April hinein Corona-Einschränk­ungen gibt. Da derzeit nicht absehbar ist, wie sich die Situation im Laufe des Jahres entwickeln wird, empfiehlt es sich, genau auf die Fristen für die Stornierun­g zu achten. Diese Informatio­n stellen die Veranstalt­er in ihren Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen bereit.

Alternativ ist es Arbeitnehm­ern in einigen Bundesländ­ern wegen der Pandemie aktuell auch möglich, sich Online-Kurse als Bildungsur­laub anrechnen zu lassen. Niedersach­sen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen etwa haben Sonderrege­lungen erlassen.

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FOTO: ISTOCK Für einen Sprachkurs nach Barcelona? In einigen Bundesländ­ern und Firmen zählt das grundsätzl­ich als Bildungsur­laub.

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