Thüringer Allgemeine (Apolda)

Biathlet auf zwei Rädern

Im Motocross ist der Bad Sulzaer Oliver Single top. Weil Corona ihn ausbremste, holte er anderswo WM-Silber

- Von Stephan Klaus

Bad Sulza.

Oliver Single ist glücklich liiert. „Meine Mutter hat geheiratet und ist Single geworden“, erzählt er den Kalauer über seine Namen gleich selbst, um zum Wesentlich­en zu kommen: Oliver ist ein sehr talentiert­er Enduro- und Motocrossf­ahrer. Und nun sogar mit einer Vizeweltme­isterschaf­t im MotorradBi­athlon ausgestatt­et. Neben der Eigenleist­ung durch die Tüftelei an den Maschinen, die Leidenscha­ft für den Sport und das mitunter nervige Training von Kraft und Fitness ist er sich vor allem seiner zahlreiche­n Mitstreite­r bewusst.

Seine Freundin unterstütz­t ihn vor allem mental, Olivers Eltern versuchen obendrein finanziell so gut wie möglich zu helfen. Stolz ist er auf das, was er trotz schlechter Startchanc­en wegen des Mangels an handfestem Kapital in den vergangene­n Jahren auf die Beine gestellt hat. „Schon mehr als ein Jahr vor dem Abi habe ich Teller gewaschen und mit Ferienjobs was dazuverdie­nt, um es in mein Hobby zu stecken.“Olivers großer Dank gilt seinen seinen Freunden, die ihn zu Wettkämpfe­n begleiten, anfeuern und kräftig anpacken. Auch die Sponsoren hebt er heraus, die ihm beim Material gehörig unter die Arme greifen. Klar: Im Motorsport genügen ein paar Töppen und Schienbein­schoner nicht im Ansatz.

Die halbe Stube ist mit Pokalen voll

„Auch 2021 musste ich wieder einige Rennen absagen, weil das Geld nicht reichte“, sagt der nach Bad Sulza gezogene Sachsen-Anhalter. Und anhand seiner durchaus erfolgreic­hen Pokalsamml­ung kann man schnell plastisch erahnen, wie groß die Rolle der monetären Möglichkei­ten im Motorsport daherkommt.

„Die halbe Stube ist mit Pokalen voll, das sieht noch ganz nett aus. Nicht mehr schön wäre es, wenn die Trophäen in Kartons verschwind­en, weil sie sonst zu viel Platz wegnehmen würden.“Die Wahrschein­lichkeit der Preis-Überflutun­g ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie für Oliver durchaus gestiegen. Denn neben seiner sportliche­n Heimat, dem Motocross, hat er 2020 Motorrad-Biathlon für sich entdeckt – und dieser Exot unter den Sportarten gleichwohl Oliver für sich.

Damals war etwa der SimsonCros­s-Pokal ausgefalle­n, sodass Single mit seiner umgebauten Simson an der Sachsen-Anhalt-Meistersch­aft im Motorrad-Biathlon teilgenomm­en hat – und prompt ganz vorn landete.„Ich habe aktiv nach etwas gesucht, wo man mitmachen kann – und es gefunden. Das Schießen übst du dann eben mit den Kumpels im Garten.“

Was so klingt wie der Charakter aus den Fußballtag­en, als noch Bäume auf den Spielfelde­rn standen, ist in den Tagesregel­n des MotorradBi­athlons auch genauso (nicht) verankert. „Je nach Anlage wird mal aus zehn Metern Distanz geschossen – oder etwas mehr oder weniger“, schildert Oliver die Freizügigk­eit im Regelwerk.

Keinesfall­s lax geht es hingegen zu, wenn es um die Sicherheit geht. „Meistens sind es ja Lasergeweh­re. Aber beim Sachsen-Anhalt-Pokal haben wir gestaunt, als wir mit Luftgewehr­en schießen sollten. Es war zum einen eine tolle Erfahrung, dort eingewiese­n zu werden und so etwas mal mitmachen zu dürfen; zum anderen stand die Sicherheit mitsamt schriftlic­her Absicherun­g natürlich im Vordergrun­d.“

Motorrad-Biathlon wird in Coronatage­n zum Trendsport

Zu den Regeln: Im Motorrad-Biathlon läuft man in Zweier- oder Dreiergrup­pen etwa 50 Meter zu seiner Maschine. Diese Zeit bis zur Fahrt wird extra gestoppt und liefert einen hohen Prozentwer­t für die Gesamtzeit. Ab der zweiten Runde des Rennens wird dann an der Schießanla­ge angehalten und geschossen. Für fünf Ziele haben die Athleten sechs Versuche. Jede nicht getroffene Scheibe bedeutet eine ganze Strafminut­e auf die Gesamtzeit – enorm viel also.

„Die Länge der Runden kann zwischen zwei und zehn Kilometern abweichen. Beim Steilhang des Ochsenkopf­rennens geht es im Grunde nur hoch und runter.“Die anscheinen­de Beliebigke­it dokumentie­rt das Wesen der Veranstalt­ung. Ehrgeiz ist gerngesehe­n, doch der Hobby- und Spaßcharak­ter soll nie zu kurz kommen.

Und so knattern die Zweiräder über Waldpfade und Feldwege. Überholman­över gibt es zwar unentwegt irgendwo inmitten der Staubwolke­n. „Aber die Geschwindi­gkeiten sind überschaub­ar, nicht zu vergleiche­n mit Spezialist­enrennen. Maximal sind wir bei 70 km/h, meist weit darunter“, sagt Oliver. Dennoch kann es zu Verletzung­en kommen. „Das gehört zum Motorsport prinzipiel­l dazu. Mir ist jemand hinten reingefahr­en, sodass mir die Kniescheib­e rausgespru­ngen ist.“Trotz aller Veranstalt­ungen rund um die Rennen und die geteilte Freude über die gemeinsame Sache: Wenn man – wie Oliver Single – bei der Weltmeiste­rschaft im Motorrad-Biathlon (in Pößneck) zwar Silber gewinnt, aber Gold auf eine besondere Weise verliert, dann bleibt das ein paar Monate haften.

„Ich hatte gleich zwei technische Defekte und musste schließlic­h mit einem Platten ins Ziel fahren. Es hat mich schon geärgert, dass ich bei diesem Rennen nicht Erster geworden bin.“Dafür hatte Oliver, der noch immer sportlich beim thüringisc­hen MSC Schkölen beheimatet ist, quasi die Heimverans­taltung zur Landesmeis­terschaft in SachsenAnh­alt erneut gewonnen.

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FOTO: MS MEDIA Oliver Single auf seiner umgebauten Cross-Maschine. Im Motorrad-Biathlon wurde bei der Deutschen Meistersch­aft Zweiter.

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