Biathlet auf zwei Rädern
Im Motocross ist der Bad Sulzaer Oliver Single top. Weil Corona ihn ausbremste, holte er anderswo WM-Silber
Bad Sulza.
Oliver Single ist glücklich liiert. „Meine Mutter hat geheiratet und ist Single geworden“, erzählt er den Kalauer über seine Namen gleich selbst, um zum Wesentlichen zu kommen: Oliver ist ein sehr talentierter Enduro- und Motocrossfahrer. Und nun sogar mit einer Vizeweltmeisterschaft im MotorradBiathlon ausgestattet. Neben der Eigenleistung durch die Tüftelei an den Maschinen, die Leidenschaft für den Sport und das mitunter nervige Training von Kraft und Fitness ist er sich vor allem seiner zahlreichen Mitstreiter bewusst.
Seine Freundin unterstützt ihn vor allem mental, Olivers Eltern versuchen obendrein finanziell so gut wie möglich zu helfen. Stolz ist er auf das, was er trotz schlechter Startchancen wegen des Mangels an handfestem Kapital in den vergangenen Jahren auf die Beine gestellt hat. „Schon mehr als ein Jahr vor dem Abi habe ich Teller gewaschen und mit Ferienjobs was dazuverdient, um es in mein Hobby zu stecken.“Olivers großer Dank gilt seinen seinen Freunden, die ihn zu Wettkämpfen begleiten, anfeuern und kräftig anpacken. Auch die Sponsoren hebt er heraus, die ihm beim Material gehörig unter die Arme greifen. Klar: Im Motorsport genügen ein paar Töppen und Schienbeinschoner nicht im Ansatz.
Die halbe Stube ist mit Pokalen voll
„Auch 2021 musste ich wieder einige Rennen absagen, weil das Geld nicht reichte“, sagt der nach Bad Sulza gezogene Sachsen-Anhalter. Und anhand seiner durchaus erfolgreichen Pokalsammlung kann man schnell plastisch erahnen, wie groß die Rolle der monetären Möglichkeiten im Motorsport daherkommt.
„Die halbe Stube ist mit Pokalen voll, das sieht noch ganz nett aus. Nicht mehr schön wäre es, wenn die Trophäen in Kartons verschwinden, weil sie sonst zu viel Platz wegnehmen würden.“Die Wahrscheinlichkeit der Preis-Überflutung ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie für Oliver durchaus gestiegen. Denn neben seiner sportlichen Heimat, dem Motocross, hat er 2020 Motorrad-Biathlon für sich entdeckt – und dieser Exot unter den Sportarten gleichwohl Oliver für sich.
Damals war etwa der SimsonCross-Pokal ausgefallen, sodass Single mit seiner umgebauten Simson an der Sachsen-Anhalt-Meisterschaft im Motorrad-Biathlon teilgenommen hat – und prompt ganz vorn landete.„Ich habe aktiv nach etwas gesucht, wo man mitmachen kann – und es gefunden. Das Schießen übst du dann eben mit den Kumpels im Garten.“
Was so klingt wie der Charakter aus den Fußballtagen, als noch Bäume auf den Spielfeldern standen, ist in den Tagesregeln des MotorradBiathlons auch genauso (nicht) verankert. „Je nach Anlage wird mal aus zehn Metern Distanz geschossen – oder etwas mehr oder weniger“, schildert Oliver die Freizügigkeit im Regelwerk.
Keinesfalls lax geht es hingegen zu, wenn es um die Sicherheit geht. „Meistens sind es ja Lasergewehre. Aber beim Sachsen-Anhalt-Pokal haben wir gestaunt, als wir mit Luftgewehren schießen sollten. Es war zum einen eine tolle Erfahrung, dort eingewiesen zu werden und so etwas mal mitmachen zu dürfen; zum anderen stand die Sicherheit mitsamt schriftlicher Absicherung natürlich im Vordergrund.“
Motorrad-Biathlon wird in Coronatagen zum Trendsport
Zu den Regeln: Im Motorrad-Biathlon läuft man in Zweier- oder Dreiergruppen etwa 50 Meter zu seiner Maschine. Diese Zeit bis zur Fahrt wird extra gestoppt und liefert einen hohen Prozentwert für die Gesamtzeit. Ab der zweiten Runde des Rennens wird dann an der Schießanlage angehalten und geschossen. Für fünf Ziele haben die Athleten sechs Versuche. Jede nicht getroffene Scheibe bedeutet eine ganze Strafminute auf die Gesamtzeit – enorm viel also.
„Die Länge der Runden kann zwischen zwei und zehn Kilometern abweichen. Beim Steilhang des Ochsenkopfrennens geht es im Grunde nur hoch und runter.“Die anscheinende Beliebigkeit dokumentiert das Wesen der Veranstaltung. Ehrgeiz ist gerngesehen, doch der Hobby- und Spaßcharakter soll nie zu kurz kommen.
Und so knattern die Zweiräder über Waldpfade und Feldwege. Überholmanöver gibt es zwar unentwegt irgendwo inmitten der Staubwolken. „Aber die Geschwindigkeiten sind überschaubar, nicht zu vergleichen mit Spezialistenrennen. Maximal sind wir bei 70 km/h, meist weit darunter“, sagt Oliver. Dennoch kann es zu Verletzungen kommen. „Das gehört zum Motorsport prinzipiell dazu. Mir ist jemand hinten reingefahren, sodass mir die Kniescheibe rausgesprungen ist.“Trotz aller Veranstaltungen rund um die Rennen und die geteilte Freude über die gemeinsame Sache: Wenn man – wie Oliver Single – bei der Weltmeisterschaft im Motorrad-Biathlon (in Pößneck) zwar Silber gewinnt, aber Gold auf eine besondere Weise verliert, dann bleibt das ein paar Monate haften.
„Ich hatte gleich zwei technische Defekte und musste schließlich mit einem Platten ins Ziel fahren. Es hat mich schon geärgert, dass ich bei diesem Rennen nicht Erster geworden bin.“Dafür hatte Oliver, der noch immer sportlich beim thüringischen MSC Schkölen beheimatet ist, quasi die Heimveranstaltung zur Landesmeisterschaft in SachsenAnhalt erneut gewonnen.