Je größer eine Demonstration, desto ungenauer die Teilnehmerzahl
Polizei beruft sich stets auf eine Kombination aus Zählung und Schätzung
Erfurt/Gera. Wie viele Teilnehmer waren bei der Demonstration? Die Frage bewegt insbesondere jene, die montags – zumeist unangemeldet – gegen Maßnahmen zur Pandemieeindämmung protestieren. Immer wieder kommt es zu unterschiedlichen Angaben. In Gera hat der Demoteilnehmer Peter Schmidt am Montag bis zu 8000 Menschen gezählt. Die Polizei hingegen registrierte „etwa 2000 Personen“.
Wie ermittelt die Polizei die Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen?
Ein Sprecher der Landespolizeidirektion sagt dazu auf Anfrage dieser Zeitung, dass die kommunizierten Zahlen sich „aus Zählungen und Schätzungen“generieren würden.
Für wie belastbar hält die Polizei ihre eigenen Zahlen?
„Mit zunehmender Größe der Personengruppen und stärkerer Fluktuation müssen die Teilnehmerzahlen geschätzt werden“, heißt es dazu. Auf Nachfrage räumt der Polizeisprecher ein, dass das auch bedeutet, dass die Zahlen ungenauer werden, je mehr Menschen an einer Demonstration teilnehmen.
Wie kommt es dazu, dass Teilnehmerzahlen auf eine 10er-Stelle genau angegeben werden können? Das liegt daran, dass bei kleineren Demonstrationen die personengenaue Zählung möglich ist. In Hermsdorf wurden am vergangenen Montag 725 Personen gezählt während für Jena, Gera, Altenburg und Saalfeld nur Angaben mit dem Zusatz „etwa“gemacht werden konnten. Die vier Demonstrationen lagen bei den Teilnehmerzahlen im vierstelligen Bereich.
Wie geht die Polizei mit diesen Ungenauigkeiten in der Kommunikation nach außen um? Grundsätzlich erfolgen die Meldungen durch die Polizei zu festgelegten Zeitpunkten. Sollte sich die Lage besonders dynamisch darstellen, dann könnten Meldungen auch „ad hoc“erfolgen. Heißt aber auch: Die Polizei legt Wert darauf, dass in ihrer Kommunikation stets der Zeitpunkt erfasst wird, zu dem eine
Angabe über Teilnehmerzahlen nach außen gegeben wird.
Dennoch kommt es auch nach Abschlussmeldungen der Polizei immer wieder zu starken Abweichungen zwischen den Teilnehmerangaben auf Seiten der Organisatoren und der Polizei.
Welche Erklärung gibt es?
Auf Seite der Demonstrationsteilnehmer wird immer wieder dargestellt, dass die Polizei Anweisung habe, die Demonstrationen kleiner zu machen, als sie seien. Belege dafür gibt es nicht. Indizien, dass die
Meldungen der Polizei so präzise wie möglich erfolgen aber schon. Denn seit die Landespolizeidirektion Mitte Dezember 2021 die Kommunikation über die Einsatzlagen zentral steuert sind die Teilnehmerzahlen von Woche zu Woche als wachsend angegeben worden – auf zuletzt 20.800 Personen.
Wie kommen Demonstrationsteilnehmer zu ihren Angaben, beispielsweise bei der Demo in Gera? Oft dürfte es sich auch hier um Schätzungen handeln. Beim thüringenweit größten Demonstrationszug
in Gera tauchte zuletzt immer wieder der Unternehmer Peter Schmidt öffentlich auf und hatte deutlich höhere Zahlen angegeben als die Polizei. Er sagt auf Anfrage, dass er den Zug stets einmal ungeschnitten filme, wenn er an ihm vorbeizieht, und die Teilnehmerzahlen anhand dieser Filmaufnahmen schätze. Bei der ersten Demonstration im Dezember habe er so 2000 Teilnehmer ermittelt. Da die Aufnahmen von Woche zu Woche länger geworden seien geht Schmidt davon aus, dass sich auch die Teilnehmerzahlen deutlich erhöhten.