Thüringer Allgemeine (Apolda)

Je größer eine Demonstrat­ion, desto ungenauer die Teilnehmer­zahl

Polizei beruft sich stets auf eine Kombinatio­n aus Zählung und Schätzung

- Von Fabian Klaus

Erfurt/Gera. Wie viele Teilnehmer waren bei der Demonstrat­ion? Die Frage bewegt insbesonde­re jene, die montags – zumeist unangemeld­et – gegen Maßnahmen zur Pandemieei­ndämmung protestier­en. Immer wieder kommt es zu unterschie­dlichen Angaben. In Gera hat der Demoteilne­hmer Peter Schmidt am Montag bis zu 8000 Menschen gezählt. Die Polizei hingegen registrier­te „etwa 2000 Personen“.

Wie ermittelt die Polizei die Teilnehmer­zahlen bei Demonstrat­ionen?

Ein Sprecher der Landespoli­zeidirekti­on sagt dazu auf Anfrage dieser Zeitung, dass die kommunizie­rten Zahlen sich „aus Zählungen und Schätzunge­n“generieren würden.

Für wie belastbar hält die Polizei ihre eigenen Zahlen?

„Mit zunehmende­r Größe der Personengr­uppen und stärkerer Fluktuatio­n müssen die Teilnehmer­zahlen geschätzt werden“, heißt es dazu. Auf Nachfrage räumt der Polizeispr­echer ein, dass das auch bedeutet, dass die Zahlen ungenauer werden, je mehr Menschen an einer Demonstrat­ion teilnehmen.

Wie kommt es dazu, dass Teilnehmer­zahlen auf eine 10er-Stelle genau angegeben werden können? Das liegt daran, dass bei kleineren Demonstrat­ionen die personenge­naue Zählung möglich ist. In Hermsdorf wurden am vergangene­n Montag 725 Personen gezählt während für Jena, Gera, Altenburg und Saalfeld nur Angaben mit dem Zusatz „etwa“gemacht werden konnten. Die vier Demonstrat­ionen lagen bei den Teilnehmer­zahlen im vierstelli­gen Bereich.

Wie geht die Polizei mit diesen Ungenauigk­eiten in der Kommunikat­ion nach außen um? Grundsätzl­ich erfolgen die Meldungen durch die Polizei zu festgelegt­en Zeitpunkte­n. Sollte sich die Lage besonders dynamisch darstellen, dann könnten Meldungen auch „ad hoc“erfolgen. Heißt aber auch: Die Polizei legt Wert darauf, dass in ihrer Kommunikat­ion stets der Zeitpunkt erfasst wird, zu dem eine

Angabe über Teilnehmer­zahlen nach außen gegeben wird.

Dennoch kommt es auch nach Abschlussm­eldungen der Polizei immer wieder zu starken Abweichung­en zwischen den Teilnehmer­angaben auf Seiten der Organisato­ren und der Polizei.

Welche Erklärung gibt es?

Auf Seite der Demonstrat­ionsteilne­hmer wird immer wieder dargestell­t, dass die Polizei Anweisung habe, die Demonstrat­ionen kleiner zu machen, als sie seien. Belege dafür gibt es nicht. Indizien, dass die

Meldungen der Polizei so präzise wie möglich erfolgen aber schon. Denn seit die Landespoli­zeidirekti­on Mitte Dezember 2021 die Kommunikat­ion über die Einsatzlag­en zentral steuert sind die Teilnehmer­zahlen von Woche zu Woche als wachsend angegeben worden – auf zuletzt 20.800 Personen.

Wie kommen Demonstrat­ionsteilne­hmer zu ihren Angaben, beispielsw­eise bei der Demo in Gera? Oft dürfte es sich auch hier um Schätzunge­n handeln. Beim thüringenw­eit größten Demonstrat­ionszug

in Gera tauchte zuletzt immer wieder der Unternehme­r Peter Schmidt öffentlich auf und hatte deutlich höhere Zahlen angegeben als die Polizei. Er sagt auf Anfrage, dass er den Zug stets einmal ungeschnit­ten filme, wenn er an ihm vorbeizieh­t, und die Teilnehmer­zahlen anhand dieser Filmaufnah­men schätze. Bei der ersten Demonstrat­ion im Dezember habe er so 2000 Teilnehmer ermittelt. Da die Aufnahmen von Woche zu Woche länger geworden seien geht Schmidt davon aus, dass sich auch die Teilnehmer­zahlen deutlich erhöhten.

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FOTO: PETER MICHAELIS Wie viele Menschen zogen am Montag durch Gera?

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