Thüringer Allgemeine (Apolda)

„Wir müssen die gesamte Weltbevölk­erung impfen“

Gespräch mit EU-Kommissari­n Urpilainen: Deutschlan­d und andere EU-Staaten sollen mehr Corona-Impfstoff spenden

- Von Jochen Gaugele und Christian Kerl

Brüssel. Die EU-Kommission ruft Deutschlan­d und die anderen EUStaaten zu neuen Corona-Impfstoffs­penden für ärmere Länder auf. Die Europäisch­e Union wolle bis Ende Juni insgesamt 700 Millionen Dosen von Corona-Vakzinen an Entwicklun­gsländer geliefert haben, sagte die EU-Kommissari­n für internatio­nale Partnersch­aften, Jutta Urpilainen, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Was wir jetzt brauchen, ist, dass die Mitgliedst­aaten mehr Impfstoffd­osen teilen, um dieses 700-Millionen-Ziel zu erreichen“, so die Finnin. „Ich zähle auf Deutschlan­ds Unterstütz­ung.“

Bis Ende vorigen Jahres hatte die Union nach Urpilainen­s Worten bereits 380 Millionen Dosen der Corona-Vakzine für Entwicklun­gsländer zur Verfügung gestellt. Die Kommissari­n aus Finnland sprach von großen Fortschrit­ten bei der weltweiten Verteilung von Impfstoffe­n und betonte, die EU sei weltweit der größte Spender von Covid-19-Impfstoffe­n. „Wir tun eine Menge, aber nicht genug. Das gilt vor allem für Afrika, wo wir mehr erreichen müssen.“

Weltweit liege der Anteil der vollständi­g Geimpften bei 50 Prozent der Bevölkerun­g, in der EU bei 64 Prozent – in Afrika dagegen nur bei neun Prozent. Urpilainen sagte, Europa sei dem Ziel verpflicht­et, dass nächstes Jahr 70 Prozent der Weltbevölk­erung geimpft sein sollten – einschließ­lich Afrika, dort vor allem müsse die Lücke geschlosse­n werden. „Wir müssen die gesamte Weltbevölk­erung impfen, um die Pandemie zu beenden“, betonte sie. „Niemand ist sicher, bis alle sicher sind.“Sie äußerte sich aber zurückhalt­end zu einer Impfpflich­t in einzelnen Staaten oder weltweit: „Ich hoffe, dass wir nicht so weit gehen müssen. Ich denke und hoffe, dass immer mehr Menschen bereit sind, sich impfen zu lassen, damit es nicht nötig ist, zu einer Pflichtimp­fung überzugehe­n.“

Die frühere finnische Finanzmini­sterin betonte, die EU habe von Anfang Solidaritä­t gezeigt: Sie beteilige sich etwa wesentlich an Covax – einer internatio­nalen Initiative zur gerechten Verteilung der Corona-Vakzine – und sei dort mit drei Milliarden Euro der größte Geber. Die EU habe zudem ein CoronaHilf­spaket im Umfang von 40 Milliarden Euro aufgelegt, um in ärmeren Ländern die Gesundheit­sversorgun­g zu verbessern und die Folgen der Pandemie zu bewältigen.

Die Kommissari­n zerstreute zugleich Befürchtun­gen, dass weitere Booster-Impfungen oder eine Impfpflich­t in Ländern wie Deutschlan­d zu einer zunehmende­n Impfstoffk­nappheit weltweit führen könnten. „Im Moment ist die Versorgung nicht das Problem“, erklärte sie. Europa habe genug Impfstoff für seine Bürger und um Dosen mit den Bürgern anderer Länder zu teilen. „Aber die Lage ist fragil. Es geht nicht nur um Impfstoffe.“Immer häufiger gebe es Rückmeldun­gen, dass die Partnerlän­der zwar Impfstoff hätten, aber ihre Bürger nicht impfen könnten. „Immer wichtiger wird die Frage nach Verteilung, dem Umgang mit zögerliche­r Impfbereit­schaft und von genügend Gesundheit­spersonal.“Die betroffene­n Länder bräuchten Hilfe bei der Stärkung der Infrastruk­tur und des Gesundheit­ssystems. Urpilainen bekräftigt­e die kritische Haltung der EU gegenüber Forderunge­n, die Patente für Corona-Vakzine freizugebe­n: „Nur das Patent freizugebe­n, ist keine Lösung“.

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FOTO: PICTURE ALLIANCE / ASSOCIATED PRESS EU-Kommissari­n Jutta Urpilainen.

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