Kompetenzzentrum fürs Welterbe
Schlösserstiftung managt den Unesco-Antrag und will eine Art Bürgerbewegung entfachen
Rudolstadt. Strategiesitzung im Reithaus: Im Schatten der Heidecksburg unterhalb des Schlosshofes, dort, wo einst der Rudolstädter Fürst seine besten Rösser vorführte, tagt das neu gegründete WelterbeKompetenzzentrum Thüringische Residenzenkultur. Die scheinbar verschwörerische Runde hat nur ein Ziel im Blick: das begehrte Unesco-Prädikat für die hiesige Schlösserwelt zu erringen.
Graswurzelarbeit steht jetzt bevor, und die liegt in erfahrenen Frauenhänden: Doris Fischer, Direktorin der Thüringer Schlösserstiftung, hatte schon 2002 an alter Wirkungsstätte in Mainz einen Anteil am Erfolg fürs Obere Mittelrheintal; Claudia Schönfeld, per Video aus dem Schweriner Homeoffice zugeschaltet, brachte die Bewerbung ihrer Heimatstadt für die mecklenburgische Wasserschloss-Residenz auf den Weg; und die Jenaer Historikerin Astrid Ackermann kennt die hiesige Landesgeschichte aus dem Effeff – um die es nun eigentlich geht. Fischers Pressesprecher Franz Nagel ergänzt das Damen-Terzett.
Binnen eines halben Jahres haben die drei Fachfrauen 2021, von guten Geistern beseelt, einen substanziellen Antrag für die Thüringer Schlösserwelt auf den Tisch gezaubert – derart fix, dass selbst Experten darüber staunten und die Landesregierung im Oktober, rechtzeitig vor Toreschluss, bei der Kultusministerkonferenz (KMK) offiziell vorstellig wurde. Nun folgt der erste wichtige Schritt: 2023 entscheidet die KMK über eine neue Tentativliste. Wer scheitert, kann einpacken.
Doris Fischer weiß, wie heiß dieses Spiel ist. Und sie weiß, dass in den nächsten Monaten hoher Besuch ins Haus steht: ein Gremium internationaler Denkmalschutzexperten, das für die KMK das maßgebliche Votum erstellt. Dann müssen die neun, zu Zugpferden erkorenen Schlösser mit ihren Outstanding Universal Values (herausragende universelle Werte) glänzen.
Die Schwarzburger Schlösser in Rudolstadt und in Sondershausen, das Obere und das Untere Schloss in Greiz, die Wettiner Residenzen in Weimar und Gotha, die Meininger Elisabethenburg, das Altenburger Schloss und last, not least die seit 1920 zu Bayern gehörige Coburger Ehrenburg stehen für den freundschaftlich konkurrierenden Polyzentrismus im über Jahrhunderte währenden Heiligen Reich Deutscher Nation ein – als Blaupause für heutige Föderalismusstrukturen, etwa auf Bundes- oder auf EU-Ebene.
Hohe Dichte und Authentizität
Das macht das Thüringer Vorbild so attraktiv in Augen von Historikern und Denkmalfachleuten: Nirgends sonst auf der Welt findet man dergleichen auf so engem Raum und in derart authentischem Erhaltungszustand. Fischer & Co. organisieren nun erstmal eine Rundreise, sprechen vor Ort mit Bürgerinnen und Kommunalpolitikern, Museumsleuten und Fördervereinen, Heimatkundlern und Kulturinteressierten: darüber, was es heißt, Welterbe zu werden, Schutzzonen nach höchsten Standards einzurichten, Welterbe-Management und -Marketing zu betreiben, einem unabhängigen Monitoring zu unterliegen. Auf
„transparente Kommunikation“komme es an, betont Fischer. Und darauf, „eine Begeisterung zu entfachen“.
Dabei will sie sich auf die nämlichen acht Städte nicht beschränken, sondern die etwa 40 damit verbandelten Nebenresidenzen und weiteren Stätten mit einbeziehen. Ein Netzwerk entsteht, das das ganze Land überspannt; so soll eine Art Bürgerbewegung aus dem WelterbeVorhaben erwachsen. Darüber informieren in Kürze ein hochauflagiger Flyer und eine eigene Website.
Daneben knüpft man die Drähte zum Museumsverband noch enger, hat den Kommunalen Beirat der Schlösserstiftung an seiner Seite, einen Beirat prominenter Experten sowie einen Lenkungsausschuss mit Landesdenkmalamt und Staatskanzlei. Viel Gremienarbeit dräut – aber nur so kann es gehen: partizipativ, föderal und allseits auf Augenhöhe, wie zu Zeiten der Fürsten.
Spätestens, wenn der Sprung auf die nationale Tentativliste geglückt ist, wird das neue Kompetenzzentrum Residenzenkulturen zu klein sein, um all das zu koordinieren. Dann muss man kräftig fürs hoffentlich künftige Welterbe werben, es zur Blüte entfalten – mit mehr Personal und einem eigenen Etat.
„Es soll ein Netzwerk entstehen, das über die acht Orte hinausreicht.“
Doris Fischer, Direktorin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten