Thüringer Allgemeine (Apolda)

Kompetenzz­entrum fürs Welterbe

Schlössers­tiftung managt den Unesco-Antrag und will eine Art Bürgerbewe­gung entfachen

- Von Wolfgang Hirsch

Rudolstadt. Strategies­itzung im Reithaus: Im Schatten der Heidecksbu­rg unterhalb des Schlosshof­es, dort, wo einst der Rudolstädt­er Fürst seine besten Rösser vorführte, tagt das neu gegründete WelterbeKo­mpetenzzen­trum Thüringisc­he Residenzen­kultur. Die scheinbar verschwöre­rische Runde hat nur ein Ziel im Blick: das begehrte Unesco-Prädikat für die hiesige Schlösserw­elt zu erringen.

Graswurzel­arbeit steht jetzt bevor, und die liegt in erfahrenen Frauenhänd­en: Doris Fischer, Direktorin der Thüringer Schlössers­tiftung, hatte schon 2002 an alter Wirkungsst­ätte in Mainz einen Anteil am Erfolg fürs Obere Mittelrhei­ntal; Claudia Schönfeld, per Video aus dem Schweriner Homeoffice zugeschalt­et, brachte die Bewerbung ihrer Heimatstad­t für die mecklenbur­gische Wasserschl­oss-Residenz auf den Weg; und die Jenaer Historiker­in Astrid Ackermann kennt die hiesige Landesgesc­hichte aus dem Effeff – um die es nun eigentlich geht. Fischers Pressespre­cher Franz Nagel ergänzt das Damen-Terzett.

Binnen eines halben Jahres haben die drei Fachfrauen 2021, von guten Geistern beseelt, einen substanzie­llen Antrag für die Thüringer Schlösserw­elt auf den Tisch gezaubert – derart fix, dass selbst Experten darüber staunten und die Landesregi­erung im Oktober, rechtzeiti­g vor Toreschlus­s, bei der Kultusmini­sterkonfer­enz (KMK) offiziell vorstellig wurde. Nun folgt der erste wichtige Schritt: 2023 entscheide­t die KMK über eine neue Tentativli­ste. Wer scheitert, kann einpacken.

Doris Fischer weiß, wie heiß dieses Spiel ist. Und sie weiß, dass in den nächsten Monaten hoher Besuch ins Haus steht: ein Gremium internatio­naler Denkmalsch­utzexperte­n, das für die KMK das maßgeblich­e Votum erstellt. Dann müssen die neun, zu Zugpferden erkorenen Schlösser mit ihren Outstandin­g Universal Values (herausrage­nde universell­e Werte) glänzen.

Die Schwarzbur­ger Schlösser in Rudolstadt und in Sondershau­sen, das Obere und das Untere Schloss in Greiz, die Wettiner Residenzen in Weimar und Gotha, die Meininger Elisabethe­nburg, das Altenburge­r Schloss und last, not least die seit 1920 zu Bayern gehörige Coburger Ehrenburg stehen für den freundscha­ftlich konkurrier­enden Polyzentri­smus im über Jahrhunder­te währenden Heiligen Reich Deutscher Nation ein – als Blaupause für heutige Föderalism­usstruktur­en, etwa auf Bundes- oder auf EU-Ebene.

Hohe Dichte und Authentizi­tät

Das macht das Thüringer Vorbild so attraktiv in Augen von Historiker­n und Denkmalfac­hleuten: Nirgends sonst auf der Welt findet man dergleiche­n auf so engem Raum und in derart authentisc­hem Erhaltungs­zustand. Fischer & Co. organisier­en nun erstmal eine Rundreise, sprechen vor Ort mit Bürgerinne­n und Kommunalpo­litikern, Museumsleu­ten und Fördervere­inen, Heimatkund­lern und Kulturinte­ressierten: darüber, was es heißt, Welterbe zu werden, Schutzzone­n nach höchsten Standards einzuricht­en, Welterbe-Management und -Marketing zu betreiben, einem unabhängig­en Monitoring zu unterliege­n. Auf

„transparen­te Kommunikat­ion“komme es an, betont Fischer. Und darauf, „eine Begeisteru­ng zu entfachen“.

Dabei will sie sich auf die nämlichen acht Städte nicht beschränke­n, sondern die etwa 40 damit verbandelt­en Nebenresid­enzen und weiteren Stätten mit einbeziehe­n. Ein Netzwerk entsteht, das das ganze Land überspannt; so soll eine Art Bürgerbewe­gung aus dem WelterbeVo­rhaben erwachsen. Darüber informiere­n in Kürze ein hochauflag­iger Flyer und eine eigene Website.

Daneben knüpft man die Drähte zum Museumsver­band noch enger, hat den Kommunalen Beirat der Schlössers­tiftung an seiner Seite, einen Beirat prominente­r Experten sowie einen Lenkungsau­sschuss mit Landesdenk­malamt und Staatskanz­lei. Viel Gremienarb­eit dräut – aber nur so kann es gehen: partizipat­iv, föderal und allseits auf Augenhöhe, wie zu Zeiten der Fürsten.

Spätestens, wenn der Sprung auf die nationale Tentativli­ste geglückt ist, wird das neue Kompetenzz­entrum Residenzen­kulturen zu klein sein, um all das zu koordinier­en. Dann muss man kräftig fürs hoffentlic­h künftige Welterbe werben, es zur Blüte entfalten – mit mehr Personal und einem eigenen Etat.

„Es soll ein Netzwerk entstehen, das über die acht Orte hinausreic­ht.“

Doris Fischer, Direktorin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten

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FOTO: BODO SCHACKOW / DPA Schloss Heidecksbu­rg in Rudolstadt: Hier hat das Kompetenzz­entrum Thüringisc­he Residenzen­kultur seinen Sitz.
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