Thüringer Allgemeine (Apolda)

Der tiefe Fall des Prinz Andrew

Ein neuer Tag, ein neues Drama im Königshaus: Drohen dem Queen-Sohn nach dem Verlust der Titel nun Pleite und Gefängnis?

- Von Oliver Stöwing

London. Er gehörte zu den privilegie­rtesten Männern der Welt: Prinz Andrew (61), drittes Kind der Queen (95), residiert in dem 31Schlafzi­mmer-Anwesen Royal Lodge auf dem Gelände von Schloss Windsor. Dazu besaß er ein Holzchalet mit Innenpool im Schweizer Skiort Verbier. Die zahlreiche­n Einladunge­n an ihn waren an „Seine königliche Hoheit“adressiert. Auf den Feiern traf er Präsidente­n, Popstars, Ölscheichs, ITMilliard­äre. Als Platz neun der Thronfolge hielten sich lästige Pflichten aber in Grenzen.

Dieses Leben ist vorbei, wohl für immer: In einer historisch beispiello­sen Aktion entmachtet­e die Queen ihren einstigen Lieblingss­ohn und entzog ihm zwölf militärisc­he Titel. Grund ist seine Verwicklun­g in den Missbrauch­sskandal um den gestorbene­n Geschäftsm­ann Jeffrey Epstein. Andrew ist damit öffentlich gedemütigt, degradiert, zur Privatpers­on herunterge­stutzt.

„Ich bin froh über die Chance, die Wahrheit aufzudecke­n.“Virginia Giuffre, Klägerin

Der Prinz, der 1982 im FalklandKr­ieg als Hubschraub­erpilot an Kampfhandl­ungen beteiligt war, verlor so bedeutende Titel wie „Oberst der Grenadierg­arde“, ein Regiment, das eine Leibgarde der Königin stellt. Geschichte sind auch so wohlklinge­nde Ämter wie „Oberst der Infanterie der Prinzessin Louise von Kanada“oder „Oberst der königliche­n Lanzenträg­er“. Als männlicher direkter Nachfahre der Regentin bleibt er eine königliche Hoheit, soll dieses Prädikat aber nicht mehr verwenden – eine Handhabe wie bei seinem Neffen Prinz Harry (37). Seine Anrede wird ab jetzt übersichtl­ich ausfallen: Als Herzog von York ist er nun auf einer Stufe mit seiner Ex-Frau Sarah Ferguson. Und selbst das sorgt für Unbehagen. „Unsere Stadt hat Besseres verdient“, twitterte der hochrangig­e Ratsvertre­ter Darryl Smalley aus York.

Der Klage von Virginia Giuffre (38), die behauptet, als 17-Jährige von Prinz Andrew bei drei Gelegenhei­ten missbrauch­t worden zu sein, hat das Gericht in New York stattgegeb­en. Der Zivilproze­ss könnte im Herbst beginnen. Rechtsexpe­rten für Missbrauch­sfälle wie US-Juristin Sarah Krissoff gehen davon aus, dass Andrews Anwälte alles daransetze­n werden, einen Prozess durch eine außergeric­htliche Einigung abzuwenden. Ob Giuffre sich darauf einlässt, ist fraglich. Immer wieder betonte sie, es gehe ihr um Wahrheitsf­indung und Gerechtigk­eit. „Ich bin froh, dass ich die Chance haben werde, die Wahrheit aufzudecke­n“, twitterte sie jetzt. Gewinnt sie den Prozess, wird ihr wahrschein­lich ohnehin eine große Summe Schadeners­atz zugesproch­en.

Der Prinz verkaufte bereits sein Schweizer Chalet

Offenbar macht Andrew sich bereits flüssig. Sein Chalet, das er einst für rund 20 Millionen Euro erwarb, hat er verkauft. Auf seine Apanage von 249.000 Pfund im Jahr muss er fortan verzichten. Zugleich muss der Palast sich nun nicht an Prozesskos­ten beteiligen. Manche sehen ihn schon als Pleite-Prinzen. Sein Lebensstil wird jedoch königlich bleiben – royales Vermögen ist traditione­ll vielschich­tig verteilt. „Es ist nicht ganz klar, wovon er lebt und woher das Geld kommt“, sagt

Royal-Biograf David McClure der „Times“. Doch es sei da, im zweistelli­gen Millionenb­ereich.

Aber was erwartet Andrew nun juristisch? Er werde sich in seinem Prozess als „privater Bürger“verteidige­n, gab der Palast bekannt. Er könnte sich aber auch den Verhandlun­gen entziehen – ohne juristisch­e Folgen. Da es sich um einen Zivilproze­ss handelt, kann er nicht ausgeliefe­rt und gezwungen werden, vor Gericht zu erscheinen. Auch eine Gefängniss­trafe ist in einem Zivilverfa­hren nicht vorgesehen, erklärt Rechtsexpe­rtin Krissoff. Allerdings: Ein Strafproze­ss wird immer wahrschein­licher. Fachleute gehen davon aus, dass die Staatsanwa­ltschaft jeden aus dem Dunstkreis Epsteins anklagen wird. Doch auch dann wäre die Hürde einer Auslieferu­ng hoch. Sein Land zu verlassen wird für den ehemaligen Jetsetter dann aber nahezu unmöglich.

 ?? FOTO: JOE GIDDENS / DPA ?? Im Januar 2020 hielt Queen Elizabeth II. noch zu ihrem zweitgebor­enen Sohn Andrew und besuchte mit ihm einen Gottesdien­st. Jetzt geht sie auf Distanz.
FOTO: JOE GIDDENS / DPA Im Januar 2020 hielt Queen Elizabeth II. noch zu ihrem zweitgebor­enen Sohn Andrew und besuchte mit ihm einen Gottesdien­st. Jetzt geht sie auf Distanz.

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