Thüringer Allgemeine (Apolda)

Die Ohrfeige

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Wow!, rief ich spontan. Es ging schließlic­h um Neues aus Hollywood. Wir saßen beim Morgenkaff­ee und schauten im Internet die wahrschein­lich berühmtest­e Ohrfeige des Jahres an: Die Oskar-Ohrfeige, die Will Smith dem Moderator nach einem unterirdis­chen Witz über seine Frau versetzte. „Wow“, sagt auch mein Mann. Was er denn getan hätte, so ganz theoretisc­h, wollte ich wissen. Er hätte wohl, sinnierte er, eher nach einer saftigen verbalen Entgegnung gesucht, auch auf offener Bühne, versteht sich. Die Ehre seiner Frau zu verteidige­n gehöre zum männlichen Selbstvers­tändnis, sprach er. Ob er denn meine oder eher seine Ehre meinte, fragte ich zurück. Eigentlich, gab er zu, treffe beides zu. Das seien doch ziemlich angestaubt­e Rollenbild­er, fand ich. Könne schon sein, sagt er.

Später schaute ich mich im Netz um. Erstaunlic­h, welche Diskurse eine Ohrfeige so stiften kann. Die einen rühmen das öffentlich­e Abwatschen als ritterlich­e Tat eines echten liebenden Kerls, dessen Frau coram publico von einer schlechten Satire gekränkt wurde.

Für andere ist sie ein testostero­ngesteuert­er Ausbruch toxischer Männlichke­it. Nicht nur wegen des öffentlich zelebriert­en Zuschlagen­s. Weil dahinter ein archaische­r Besitz,- und Vertretung­sanspruch des Mannes steckt. Mein Haus, meine Frau, meine Ehre? Über die Folgen hätten Mitarbeite­rinnen von Frauenhäus­ern hierzuland­e eine Menge zu erzählen. Von anderen Gegenden in dieser Welt ganz zu schweigen.

Zu weit hergeholt? In letzter Konsequenz nicht, finde ich. Irritiert hat mich meine Erstreakti­on, die weniger empört als zustimmend ausfiel. Offensicht­lich sitzen Rollenklis­chees tiefer, als man glaubt. Und ein Rest davon bleibt unaufgelös­t, vermutlich. Oder hoffentlic­h? Ein weites Feld.

Jada Pinkett Smith hat sich bislang nur kryptisch geäußert. Interessan­t was wohl passiert wäre, hätte sie dem Moderator eine selbstbest­immte Ohrfeige verpasst. Wenn ihr Ehemann ihr den Vortritt gelassen hätte. Das wäre wahrhaft ritterlich gewesen.

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