Thüringer Allgemeine (Apolda)

Zwei Männer im Bad

Theaterhau­s Jena: Leon Pfannenmül­ler und Sankar Venkateswa­ran spielen mit dem Tod

- Von Michael Helbing Wieder am 2. und 3. April sowie vom 13. bis 16. April, jeweils ab 20 Uhr.

Jena. Wir sind zwar schon hier, aber offensicht­lich noch gar nicht so richtig dabei. Und dort sowieso nicht: auf jener anderen Seite, auf die sie so langsam zugleiten, auf die sie uns gleichsam ziehen werden.

„Alle Schauspiel­er auf die Bühne, bitte“, so lautet der Ruf. Doch Leon Pfannenmül­ler und Sankar Venkateswa­ran betreten Bretter, die den Abschied von der Welt bedeuten.

Der fränkische Schauspiel­er aus dem Jenaer Wunderbaum-Ensemble und der südindisch­e Regisseur aus dem eigenen Sahyande Theater in Attappady, Bundesstaa­t Kerala, sind gestorben. Pfannenmül­ler erinnert genau den letzten Atemzug, Venkateswa­ran indes gar nichts. Sein Geist muss erst in Erfahrung bringen: Es war ein Motorradun­fall, nicht sein erster, aber nun der letzte.

Das ist die Situation, das ist die Szene. Und das kreist unter anderem um die Frage: Wie stellt man den Tod im Theater dar? Die binnen achtzig Minuten erspielte Antwort geht in etwa so: jedenfalls nicht, indem man sich tot stellt. Es geht hier schließlic­h um ein Lebensthem­a!

Sich ihm zu widmen, heißt oft, an ein Tabu zu rühren. Aber es bricht. „Unsere Gesellscha­ft muss den Umgang mit Tod und Trauer wieder lernen“, lesen wir im Programm zum Stück namens „Im Tod – in my time of dying“, für das sie auch in Jenas Palliativm­edizin recherchie­rten.

Zu Beginn: fast eine Viertelstu­nde Stille und Langsamkei­t

Zeitgleich mit dessen Premiere brachte DNT-Schauspiel­erin Anna Windmüller am Donnerstag ihr Solo „Black Bird“heraus, eine Collage über den Tod im Weimarer E-Werk, wo Jan Neumanns Stückenent­wicklung „Sensemann & Söhne“bereits seit Herbst 2020 komödianti­sch grundierte Trauerarbe­it leistet.

Pfannenmül­ler und Venkateswa­ran erkunden das Thema derweil derart, dass ihnen ein glänzendes Spiel mit der Transzende­nz gelingt, eines mit der An- und Abwesenhei­t. Sie wechseln ohne Schnicksch­nack die Ebenen und damit die Sphären.

Das technisch aufwendigs­te ist vielleicht die geschwunge­ne Badewanne mit Messingfüß­en, die Maarten van Otterdijk auf der leeren Bühne installier­te und in die stoisch Wasser plätschert. Das scheint wie bereitet für den Auftakt zum LoriotSket­che-Abend. Herr Müller-Lüdenschei­dt und Dr. Klöbner könnten jetzt auftreten und abtauchen: Die Ente bleibt draußen, und so.

Stattdesse­n spielen sie: Das Ende bleibt drinnen, als Teil vom Ganzen. Lustig geht es aber trotzdem zu. Die Wanne ist voll und nimmt volle Fahrt auf, gleichsam den Fluss hinab, der Leben und Tod scheidet.

Zu Beginn aber: fast eine Viertelstu­nde Stille und Langsamkei­t – ein wiederkehr­endes Thema in Venkateswa­rans Theater. Er und Pfannenmül­ler betreten als Einzelgäng­er die Bühne und bewegen sich in Zeitlupe hoch Zehn. Dann, endlich, eine Begegnung, ein Erkennen. Mag geht gar nicht, da seien das Gesetz, die Verfassung und die Gerichte vor. Und das, obwohl die Zahlen durch die Decke gehen. Tut nichts, die Maske wird verbannt.

Jetzt könnten ja, sagt der Bundesgesu­ndheitsmin­ister, die Supermärkt­e von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und die Maskenpfli­cht fortschrei­ben, und bittet, das doch auch zu tun. Mit anderen Worten, er bittet die Märkte, ihren Umsatz zu reduzieren, viele ihrer Kunden zu verärgern, um eben die Verantwort­ung zu übernehmen, die zu übernehmen die Bundesregi­erung auf Druck der freiheitsl­iebenden FDP nicht in der Lage ist. So, auch so geht Politik.

Und wie im Himmel, so auf Erden, will sagen, in Thüringen. Die rot-rot-grüne Minderheit­sregierung scheiterte mit ihrem Versuch, die bisherigen Corona-Maßnahmen bis zum 8. Mai fortzuschr­eiben, vor auch jeder für sich alleine sterben, danach gibt’s doch wieder Gesellscha­ft. Und auch wieder: Theater.

Dafür bräuchte es, dem großen alten Regisseur Peter Brook zufolge, im Grunde ja nicht mehr als den einen im Raum und einen anderen, der ihm zusieht. So probieren sie es auch hier. Doch Pfannenmül­ler, der aus dem Tagebuch zum Sterben der Mutter vorträgt, reicht das nicht. Er will Publikum. Venkateswa­ran hilft ihm, es sich herbei zu imaginiere­n.

Dann sieht er: uns. Dann holen sie uns zu sich herüber : vom Atmen durchs rechte zum Atmen durchs linke Nasenloch, vom Intellektu­ellen zum Intuitiven. Im Sanskrit bedeutet ātman so viel wie Seele. Dieser Abend, übrigens auf Deutsch, Englisch und Malayalam (mit Übertiteln) tut beides: Er atmet und er beseelt. Und dabei spielen beide weniger Theater als das sie es eher ermögliche­n: in unseren Köpfen. allem an der CDU. Zwar hatte die Thüringer Bundestags­abgeordnet­e Antje Tillmann (CDU), wofür ihr Respekt gebührt, an ihre Parteifreu­nde appelliert und gehofft: „Es werden sich doch wohl vier finden, die nicht alles riskieren, wofür wir zwei Jahre vorsichtig waren.“

Aber sie fanden sich nicht. Immerhin, einer aus der CDUFraktio­n erklärte, er halte einige der Maßnahmen – es wurde über jede einzeln abgestimmt – durchaus für sinnvoll, aber in diesem Kontext hätte er nicht dafür votieren können. Und sein Fraktionsv­orsitzende­r Mario Voigt gab zu Protokoll: „Ich werbe dafür, in geschlosse­nen Räumen Masken zu tragen“. Was ja wohl bedeuten muss, er hält die Maske für ein sinnvolles Mittel. Tut nichts, die Maske wird verbannt. Denn die CDU will es sich nicht leisten, Stimmen an AfD und FDP zu verlieren. Deshalb heißt das Zauberwört­chen „Eigenveran­twortung“.

Es ist nur so, Steffen Dittes (Die Linke) wies eindrückli­ch darauf hin, dass mindestens die gefährdete­n Gruppen unter dieser Eigenveran­twortung leiden werden, da sie nicht nur in Einrichtun­gen leben; sie wollen auch ins Kino, ins Theater, sie wollen auch Essen gehen. Auch die Thüringer Krankenhau­sgesellsch­aft bat die Politik, die bisherigen Schutzmaßn­ahmen fortzuschr­eiben. Tut nichts, die Maske wird verbannt.

Mario Voigt prägte den denkwürdig­en Satz: „Wir müssen wieder die Menschen und nicht das Virus zum Ausgangspu­nkt machen“. Ja, am Sonntag ist so gut wie Freedom Day.

Und weil das ein Anglizismu­s ist, darf die Bedeutung dieses Tages auch so erklärt werden: Survival of the Fittest.

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FOTO: JOACHIM DETTE / THEATERHAU­S JENA Leon Pfannenmül­ler (links) und Sankar Venkateswa­ran in ihrem Stück „Im Tod – in my time of dying“.

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