Zwei Männer im Bad
Theaterhaus Jena: Leon Pfannenmüller und Sankar Venkateswaran spielen mit dem Tod
Jena. Wir sind zwar schon hier, aber offensichtlich noch gar nicht so richtig dabei. Und dort sowieso nicht: auf jener anderen Seite, auf die sie so langsam zugleiten, auf die sie uns gleichsam ziehen werden.
„Alle Schauspieler auf die Bühne, bitte“, so lautet der Ruf. Doch Leon Pfannenmüller und Sankar Venkateswaran betreten Bretter, die den Abschied von der Welt bedeuten.
Der fränkische Schauspieler aus dem Jenaer Wunderbaum-Ensemble und der südindische Regisseur aus dem eigenen Sahyande Theater in Attappady, Bundesstaat Kerala, sind gestorben. Pfannenmüller erinnert genau den letzten Atemzug, Venkateswaran indes gar nichts. Sein Geist muss erst in Erfahrung bringen: Es war ein Motorradunfall, nicht sein erster, aber nun der letzte.
Das ist die Situation, das ist die Szene. Und das kreist unter anderem um die Frage: Wie stellt man den Tod im Theater dar? Die binnen achtzig Minuten erspielte Antwort geht in etwa so: jedenfalls nicht, indem man sich tot stellt. Es geht hier schließlich um ein Lebensthema!
Sich ihm zu widmen, heißt oft, an ein Tabu zu rühren. Aber es bricht. „Unsere Gesellschaft muss den Umgang mit Tod und Trauer wieder lernen“, lesen wir im Programm zum Stück namens „Im Tod – in my time of dying“, für das sie auch in Jenas Palliativmedizin recherchierten.
Zu Beginn: fast eine Viertelstunde Stille und Langsamkeit
Zeitgleich mit dessen Premiere brachte DNT-Schauspielerin Anna Windmüller am Donnerstag ihr Solo „Black Bird“heraus, eine Collage über den Tod im Weimarer E-Werk, wo Jan Neumanns Stückenentwicklung „Sensemann & Söhne“bereits seit Herbst 2020 komödiantisch grundierte Trauerarbeit leistet.
Pfannenmüller und Venkateswaran erkunden das Thema derweil derart, dass ihnen ein glänzendes Spiel mit der Transzendenz gelingt, eines mit der An- und Abwesenheit. Sie wechseln ohne Schnickschnack die Ebenen und damit die Sphären.
Das technisch aufwendigste ist vielleicht die geschwungene Badewanne mit Messingfüßen, die Maarten van Otterdijk auf der leeren Bühne installierte und in die stoisch Wasser plätschert. Das scheint wie bereitet für den Auftakt zum LoriotSketche-Abend. Herr Müller-Lüdenscheidt und Dr. Klöbner könnten jetzt auftreten und abtauchen: Die Ente bleibt draußen, und so.
Stattdessen spielen sie: Das Ende bleibt drinnen, als Teil vom Ganzen. Lustig geht es aber trotzdem zu. Die Wanne ist voll und nimmt volle Fahrt auf, gleichsam den Fluss hinab, der Leben und Tod scheidet.
Zu Beginn aber: fast eine Viertelstunde Stille und Langsamkeit – ein wiederkehrendes Thema in Venkateswarans Theater. Er und Pfannenmüller betreten als Einzelgänger die Bühne und bewegen sich in Zeitlupe hoch Zehn. Dann, endlich, eine Begegnung, ein Erkennen. Mag geht gar nicht, da seien das Gesetz, die Verfassung und die Gerichte vor. Und das, obwohl die Zahlen durch die Decke gehen. Tut nichts, die Maske wird verbannt.
Jetzt könnten ja, sagt der Bundesgesundheitsminister, die Supermärkte von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und die Maskenpflicht fortschreiben, und bittet, das doch auch zu tun. Mit anderen Worten, er bittet die Märkte, ihren Umsatz zu reduzieren, viele ihrer Kunden zu verärgern, um eben die Verantwortung zu übernehmen, die zu übernehmen die Bundesregierung auf Druck der freiheitsliebenden FDP nicht in der Lage ist. So, auch so geht Politik.
Und wie im Himmel, so auf Erden, will sagen, in Thüringen. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung scheiterte mit ihrem Versuch, die bisherigen Corona-Maßnahmen bis zum 8. Mai fortzuschreiben, vor auch jeder für sich alleine sterben, danach gibt’s doch wieder Gesellschaft. Und auch wieder: Theater.
Dafür bräuchte es, dem großen alten Regisseur Peter Brook zufolge, im Grunde ja nicht mehr als den einen im Raum und einen anderen, der ihm zusieht. So probieren sie es auch hier. Doch Pfannenmüller, der aus dem Tagebuch zum Sterben der Mutter vorträgt, reicht das nicht. Er will Publikum. Venkateswaran hilft ihm, es sich herbei zu imaginieren.
Dann sieht er: uns. Dann holen sie uns zu sich herüber : vom Atmen durchs rechte zum Atmen durchs linke Nasenloch, vom Intellektuellen zum Intuitiven. Im Sanskrit bedeutet ātman so viel wie Seele. Dieser Abend, übrigens auf Deutsch, Englisch und Malayalam (mit Übertiteln) tut beides: Er atmet und er beseelt. Und dabei spielen beide weniger Theater als das sie es eher ermöglichen: in unseren Köpfen. allem an der CDU. Zwar hatte die Thüringer Bundestagsabgeordnete Antje Tillmann (CDU), wofür ihr Respekt gebührt, an ihre Parteifreunde appelliert und gehofft: „Es werden sich doch wohl vier finden, die nicht alles riskieren, wofür wir zwei Jahre vorsichtig waren.“
Aber sie fanden sich nicht. Immerhin, einer aus der CDUFraktion erklärte, er halte einige der Maßnahmen – es wurde über jede einzeln abgestimmt – durchaus für sinnvoll, aber in diesem Kontext hätte er nicht dafür votieren können. Und sein Fraktionsvorsitzender Mario Voigt gab zu Protokoll: „Ich werbe dafür, in geschlossenen Räumen Masken zu tragen“. Was ja wohl bedeuten muss, er hält die Maske für ein sinnvolles Mittel. Tut nichts, die Maske wird verbannt. Denn die CDU will es sich nicht leisten, Stimmen an AfD und FDP zu verlieren. Deshalb heißt das Zauberwörtchen „Eigenverantwortung“.
Es ist nur so, Steffen Dittes (Die Linke) wies eindrücklich darauf hin, dass mindestens die gefährdeten Gruppen unter dieser Eigenverantwortung leiden werden, da sie nicht nur in Einrichtungen leben; sie wollen auch ins Kino, ins Theater, sie wollen auch Essen gehen. Auch die Thüringer Krankenhausgesellschaft bat die Politik, die bisherigen Schutzmaßnahmen fortzuschreiben. Tut nichts, die Maske wird verbannt.
Mario Voigt prägte den denkwürdigen Satz: „Wir müssen wieder die Menschen und nicht das Virus zum Ausgangspunkt machen“. Ja, am Sonntag ist so gut wie Freedom Day.
Und weil das ein Anglizismus ist, darf die Bedeutung dieses Tages auch so erklärt werden: Survival of the Fittest.