Weimars wohlhabendster Bürger
Vor 200 Jahren starb das Unternehmergenie Friedrich Justin Bertuch
Weimar. Als Friedrich Justin Bertuch am 3. April vor 200 Jahren stirbt, ist er der wohlhabendste Bürger Weimars. Mit seiner Übersetzung von Cervantes „Don Quijote“hatte er als junger Mann den Grundstein für seinen wirtschaftlichen Erfolg gelegt. Zugleich verhalf das Unternehmergenie dem spanischen Weltroman in Deutschland zum Durchbruch.
Bertuch ist als Verleger der Goethezeit in Erinnerung geblieben. „Er war aber viel mehr“, sagt Héctor Canal, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Weimarer Goethe- und Schiller-Archivs. Dort befindet sich Bertuchs 113.000 Blätter umfassender Nachlass. Friedrich Justin Bertuch war Unternehmer und Publizist. Er engagierte sich politisch, setzte sich für Urheber- und Verlagsrechte ein und war vor allem auch ein großer Netzwerker – auch dank seiner Freimaurer-Kontakte.
1747 geboren, wird der Sohn eines Garnisonsarztes früh Waise. Mit fünf Jahren verliert er die Mutter, mit 15 den Vater. Sein Studium in Jena beendet er ohne Abschluss. „Das war damals nicht unüblich“, sagt Héctor Canal, da man dafür habe extra Gebühren entrichten müssen. Nach der Uni nimmt Bertuch nahe Altenburg die Stelle eines Hofmeisters an – eines Hauslehrers. Angeregt durch seinen Dienstherrn, lernt er in wenigen Wochen Spanisch und macht sich an die „Don
Quijote“-Übersetzung. Darüber hinaus überträgt er französische und englische Literatur ins Deutsche.
Gesundheitlich angeschlagen, kehrt er 1773 nach Weimar zurück. Dort wird er Mitarbeiter Wielands und dessen großer Literaturzeitschrift „Teutscher Merkur“. Bertuch kümmert sich um alles Geschäftliche. Auf Wielands Empfehlung hin beruft ihn der junge Herzog Carl August 1775 zum Geheimsekretär und Schatullier.
„Parallel dazu beginnt er mit dem Kapital aus der Cervantes-Übersetzung weitere Geschäfte anzustoßen“, sagt der promovierte Literaturwissenschaftler Canal. Bertuch gründet eine Fabrik für künstliche Blumen, in der auch Goethes spätere Frau Christiane Vulpius arbeitet. Er gibt das berühmte „Journal des Luxus und der Moden“heraus, das als erste Illustrierte Europas gilt. Und er vermarktet Büsten der Weimarer Persönlichkeiten. Sein größtes Buchprojekt ist das „Bilderbuch für Kinder“, eine Sachbuchreihe mit kunstvollen Illustrationen. Die Kupferstiche entstehen in der Freien Zeichenschule Weimar, deren Idee und Konzept ebenfalls von Bertuch stammen.
In Goethes frühen Weimarer Jahren gehört Bertuch zu dessen engerem Kreis. Später kühlt sich das Verhältnis jedoch ab. Goethe soll 1779 sogar vom persönlichen Du zum förmlichen Sie zurückgekehrt sein. „Die Weimarer Geistesgrößen Herder, Wieland, später auch Schiller hatten ein ambivalentes Verhältnis zu Bertuch“, erläutert Héctor Canal. „Nach Außen grenzten sie sich von dem Unternehmer ab, der für sie für das Populäre, das Triviale, stand.“Vermutlich spielt auch Neid auf dessen finanzielle Erfolge eine Rolle. Zugleich bedienen sich die Weimarer Dichter laut Canal aber auch seiner Kontakte und Fähigkeiten. So wird etwa die erste große Goethe-Ausgabe von Bertuch vermittelt und finanziell unterstützt.
Seine verlegerischen und übrigen Geschäfte bündelt Friedrich Justin Bertuch 1791 im „Landes-Industrie-Comptoir“, das sich zum größten Arbeitgeber Weimars entwickelt. Darunter firmiert auch sein Geografisches Institut, das Karten und Atlanten noch vor Perthes’ Gothaer Kartenverlag veröffentlicht.
„Bertuch hatte einen unglaublichen Riecher für die Bedürfnisse des Publikums und die Tendenzen des Marktes“, sagt Héctor Canal.