Abschied nach 55.771 Patienten im Alter von bis zu 106 Jahren
HNO-Facharzt Peter-Michael Wieczorek übergibt seine Praxis an Michael Schneider
Weimar. Der Generationenwechsel in der Weimarer Ärzteschaft geht weiter. An der Carl-August-Allee 4 hat am Freitag Dr. med. Peter-Michael Wieczorek (67) seine HNOPraxis „guten Gewissens“, wie er betont, an Dr. med. Michael Schneider (39) übergeben. Der Nachfolger arbeitet seit drei Jahren als angestellter Arzt in der Praxis und übernimmt drei Mitarbeiterinnen.
In den Ruhestand wechseln mit Peter-Michael Wieczorek auch seine Frau Vera (64) und Schwester Uta (66). Vera Wieczorek hat ihren Mann seit der Eröffnung im August 1991 in der Praxis begleitet. Besonders zu Beginn kam ihr ein berufliches Intermezzo in der Baubranche zugute. „Wir hatten das Glück, dass hier eine Hausarztpraxis den Betrieb aufgab und wir das Haus erwerben konnten“, erinnert sie sich.
Peter-Michael Wieczorek kam damals aus der Poliklinik-HNO. Zehn Jahre hatte er nach dem Studium in Jena an der Uniklinik Erfahrungen gesammelt. 1980 erhielt er die staatliche Approbation. Heute blickt er so auf 42 Jahre als Arzt und auf 40 als Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde zurück.
Er beließ es nicht bei seinem Wissen aus der Schulmedizin. Er erwarb in mehrjähriger Ausbildung die Voraussetzungen für die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren, bildete sich an den naturheilkundlichen Fakultäten von Mailand und Verona weiter. Gern verweist er auf seinen Onkel, Dr. Hugo Wolf (18761961) aus Waltershausen, der den legendären Hustenbalsam Pulmotin entwickelte.
Eine besondere Affinität wird dem heute 67-Jährigen zu Weimars Bühnenkünstlern nachgesagt. Ob sie in einer Begebenheit aus dem 1980er-Jahren ihren Ursprung hat, lässt sich heute nur vermuten: PeterMichael Wieczorek hatte HNORufbereitschaft, als daheim in Oberweimar mit viel Getöse ein Feuerwehrfahrzeug
und ein Wartburg vorfuhren. Einem Sänger war auf der Bühne im DNT die Stimme weggeblieben. Die Eskorte sollte ihn holen. „Der Fahrzeugaufwand war zwar übertrieben“, erinnert er sich. „Aber ich gab ihm eine Spritze, und die Stimme kam zurück.“
Die Zahl seiner Patienten muss Peter-Michael Wieczorek nicht schätzen: „Bis Donnerstag waren es genau 55.771“, kann er dank genauer Abrechnung in der Zeit als Kassenarzt
sagen. Aber er erinnert sich auch an seine Jüngste Patientin, die gerade einmal sieben Tage alt war.
„Ein Satz wie ,Sie sind austherapiert’ wäre mir nie über die Lippen gekommen“, betont er zum Abschied. Das käme einer Bankrotterklärung gleich, die den Patienten im Stich lässt. Vielleicht war diese Einstellung auch der Grund für das Versprechen seiner mit 106 Jahren ältesten Patientin: „Ich halte Ihnen ein Plätzchen im Himmel frei.“