Russland startet Sturm auf Stahlwerk in Mariupol
Ziel ist laut Moskau die Zerstörung ukrainischer Gefechtsstellungen. Berichten zufolge wurden zwei Zivilisten getötet
Russland hat am Dienstag offenbar mit dem Sturm auf die letzte Bastion ukrainischer Kämpfer in der Hafenstadt Mariupol begonnen. Es laufe ein groß angelegter Angriff russischer Bodentruppen mit Panzern auf den Industriekomplex des Konzerns Asow-Stahl, erklärte der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, in einer Videobotschaft auf Telegram. Die russischen Streitkräfte versuchten „eine große Anzahl an Bodentruppen mit Booten“anzulanden. „Wir werden alles tun, um diesen Angriff abzuwehren“, sagte Palamar weiter. „Aber wir fordern sofortige Maßnahmen zur Evakuierung der Zivilisten,
die sich auf dem Gelände der Anlage befinden.“
Einheiten der russischen Armee und prorussische Separatisten hatten laut dem russischen Verteidigungsministerium zuvor mit Artillerie und Flugzeugen begonnen, „Gefechtsstellungen“der ukrainischen Truppen in dem Stahlwerk zu zerstören. Palamar hatte berichtet, der Komplex sei die gesamte Nacht über bombardiert worden, zwei Frauen seien dabei getötet worden.
Das Werk ist der letzte Rückzugsort des ukrainischen Widerstands in der strategisch wichtigen Stadt. In den vergangenen Tagen waren 120 Zivilisten, die in einem Tunnelsystem unter dem Werksgelände
Zuflucht gesucht hatten, dank eines Waffenstillstands evakuiert worden. Das Verteidigungsministerium in Moskau warf der ukrainischen Seite vor, die Feuerpause genutzt zu haben, um ihre Gefechtsstellungen wieder einzunehmen. Mariupol ist fast vollständig unter russischer Kontrolle und weitgehend zerstört.
Am Dienstag haben russische Truppen nach ukrainischen Angaben versucht, weiter von Norden in den Donbass vorzustoßen, um die dortigen Truppen Kiews einzukesseln. In mehreren Landesteilen wurden am Abend Städte von russischen Raketen getroffen. Teile von Lwiw im Westen waren ohne Strom, weil laut Bürgermeister Andrij Sadowyj drei Kraftwerke durch Raketen beschädigt wurden. Raketenangriffe wurden auch aus Winnyzja und Kirowograd im Zentrum sowie Odessa im Südwesten gemeldet. Erstmals seit Beginn des Krieges wurde auch die Region Transkarpathien an der Grenze zu Ungarn angegriffen, wie Gouverneur Viktor Mikita berichtete.
Derweil wächst die Sorge, dass die russische Offensive ausgeweitet wird. Kremlchef Wladimir Putin könnte nach Spekulationen im USSender CNN und in ukrainischen Medien in wenigen Tagen den Kriegszustand in Russland verhängen und die Generalmobilmachung anordnen.