So tickt das glücklichste Bundesland
Schleswig-Holstein wählt einen neuen Landtag. Ministerpräsident Günther hat gute Chancen
Kiel. In diesem Land ist das Glück zu Hause. Und das seit Jahren, hat die Deutsche Post herausgefunden, die regelmäßig den „Glücksatlas“der Bundesländer veröffentlicht. Demnach leben die glücklichsten Menschen in – Schleswig-Holstein. Experten sagen, das liege an der hohen „emotionalen Stabilität“der Menschen. Hier, im glücklichsten Bundesland, haben sie am Sonntag die Wahl: Weitermachen mit CDU-Chef Daniel Günther, der seit fünf Jahren als Ministerpräsident eine Jamaika-Koalition gemeinsam mit Grünen und FDP anführt? Oder doch ein Regierungswechsel?
Einer, der aus dem nördlichsten Zipfel des Landes kommt, ist Robert Habeck. Grüner, Bundeswirtschaftsminister, Flensburger und etliche Jahre selbst Minister in Kiel. Sein Blick zurück auf die jüngere politische Geschichte des Landes ist nicht ganz so glückserfüllt. „Schleswig-Holstein war viele Jahre lang polarisiert, die Gräben zwischen konservativen und progressiven Parteien waren tief, die politische Kultur verhunzt, wenn man an die Barschel-Affäre, an den ‚HeideMord‘ denkt“, sagt Habeck.
Warum die politische Lage heute eine andere ist, lieferte Habeck im
Interview mit unserer Redaktion gleich mit: weil die Grünen seit zehn Jahren mitregieren. Dadurch habe sich eine „neue politische Kultur etabliert“, sagt Habeck.
Seit 2017 regiert Jamaika im Land zwischen den Meeren, das Bündnis, das Daniel Günther, Monika Heinold (Grüne) und Heiner Garg (FDP) geschmiedet haben. Für viele Beobachter überraschend hatte Amtsinhaber Torsten Albig 2017 die Wahl für die SPD versemmelt – auch weil er den Herausforderer der CDU unterschätzte, der zunächst mehr eine Not- als eine Dauerlösung zu sein schien. Und so kam es zum Wechsel.
Regierungswechsel sind in Schleswig-Holstein so normal wie die Stürme im Herbst. Vor mehr als 20 Jahren, bei der Landtagswahl 2000, wurde zuletzt eine Landesregierung bestätigt. Rot-Grün, Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb, RotGrün-Blau
(SSW) und jetzt Schwarz-Grün-Gelb. Der politische Wechsel ist hier die Regel. Die Ausnahme könnte es an diesem Sonntag geben – wenn 2,3 Millionen Schleswig-Holsteiner zur Wahl des Landtags aufgerufen sind. Denn anders als zuvor ist von einer Wechselstimmung nichts zu spüren. Die Zustimmung zu Daniel Günther und der Arbeit der Landesregierung ist hoch. Drei Viertel der Wahlberechtigten geben in Umfragen an, mit der Arbeit von Günther „zufrieden“bis „sehr zufrieden“zu sein. Dürften die Menschen den Ministerpräsidenten direkt wählen, Günther käme laut der jüngsten Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR auf 61 Prozent – sein auch im Norden eher unbekannter Herausforderer Thomas Losse-Müller von der SPD auf neun Prozent.
In der jüngsten Infratest-Erhebung landet die CDU in der Sonntagsumfrage
bei 38 Prozent, die SPD bei der Hälfte. Die Grünen, die angetreten sind, Monika Heinold zur ersten grünen Ministerpräsidentin Deutschlands zu machen, kämen demnach auf 16 Prozent, die FDP auf neun Prozent. Für die aktuell im Landtag vertretene AfD könnte es knapp werden – sie lag zuletzt in der NDR-Umfrage gleichauf mit dem SSW bei fünf Prozent. Allerdings ist der SSW als die Partei der dänischen Minderheit von der Fünfprozenthürde ausgenommen.
Käme es zu einem solchen Ergebnis – Daniel Günther bliebe wohl Ministerpräsident: Selbst ein Dreierbündnis um die SPD hätte keine Mehrheit. Losse-Müller, der 2020 von den Grünen zur SPD gewechselt ist, könnte mangels Mehrheit weder eine Ampel nach bundespolitischem Vorbild und erst recht keine Küsten-Ampel schmieden. Günther strebt ein Ergebnis von 40 Prozent und mehr an. So könnte er sich den Regierungspartner aussuchen. Schmiedet er ein Bündnis mit den Grünen? Oder mit der FDP, zu der es größere Schnittmengen gibt? Oder setzt er sein Jamaika-Wunschbündnis fort? Günther dürfte nach der Abstimmung am Sonntag die Qual der Wahl haben. Die Stimmung spricht für ihn und Jamaika, die Zufriedenheit der Menschen auch.