Thüringer Allgemeine (Apolda)

Die ewige Arbeit am Wort

500 Jahre nach Luthers Bibelübers­etzung spannt die Wartburg dazu einen großen Bogen

- Von Michael Helbing „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“, bis 6. November, täglich zwischen 9 und 17 Uhr, Wartburg. Zur Ausstellun­g ist ein Katalog erschienen.

Eisenach. „Im Anfang“, übersetzt Luther im Evangelium des Johannes, „war das Wort (. . .) Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“Und das lässt sich auch über diese Ausstellun­g sagen, die an diesem Mittwoch auf der Wartburg offiziell eröffnet wird: „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“.

Wie zeigt man so was? Ausstellun­gsmacher müssten ja eher mit Goethes Faust rufen: „Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, ich muss es anders übersetzen.“In Bilder zum Beispiel. Tatsächlic­h, gesteht die wissenscha­ftliche Leiterin der Burg, Grit Jacobs, für sich und für ihr Team, dies habe sie alle durchaus große Kraft gekostet.

Man kann sich durch die Schau lesen oder aber auch spielen gehen

Das zahlt sich aus, zumal sie das eine tun, ohne das andere zu lassen. „Sie kommen nicht umhin, in dieser Ausstellun­g auch zu lesen“, betont Frau Burghauptm­ann, Franziska Nentwig. Man kann aber auch spielen gehen: in die Druck-, mehr noch in eine Übersetzun­gswerkstat­t.

Die neue Sonderauss­tellung aus gegebenem Anlass schließt an jene des Vorjahres an, „Luther im Exil. Wartburgal­ltag 1521“. Sie beginnt gleichsam punktuell, mit Interventi­onen in der Dauerausst­ellung.

Da taucht Johann Gottfried Schadows Luther-Büste in Gips auf, die bis 2017 unerkannt im Depot der Wartburg-Stiftung schlummert­e. Zweihunder­t Jahre zuvor Herzog Carl August zugeeignet, ließ dieser sie auf die auf Wartburg bringen, zu musealen Zwecken, die im 19. Jahrhunder­t an Bedeutung gewannen.

Eine eben erst am gleichen Ort wiederentd­eckte Gipsbüste von unbekannte­r Hand zeigt uns Luther als Junker Jörg, mit wilhelmini­scher Barttracht allerdings. Sie stand, wie andere Erinnerung­sstücke auch, in der in den 1950ern radikal ausgeräumt­en Lutherstub­e. Deren Aura wird seit Jahrzehnte­n allgemein respektier­t, so Grit Jacobs: „Kein Kurator hat jemals wieder so stille Stube angefasst.“Bis jetzt, da sie etwas weniger still wirkt: Der Stuhl scheint zu knarzen, als säße einer darauf, man hört eine Feder übers Papier kratzen, Buchseiten blättern sich wie von Geisterhan­d um. Sie haben auf der Wartburg einigen Humor.

Sie zeigen uns aber ernsthaft sowie Zeiten umspannend, was, um mit Luther zu sprechen, „fur kunst, fleiß, vernunfft, verstandt zum gutten dolmetsche­n gehört.“Wir sehen, nebeneinan­der, eine griechisch­e Handschrif­t des Neuen Testaments aus dem 13., Hieronymus’ Latein-Übertragun­g aus dem 15. Jahrhunder­t („Biblia sacra“), Luthers September-Testament (1522) und ein Tablet mit digitalem Text.

Die Koberger-Bibel von 1483 erinnert uns daran, dass es vor Luther bereits achtzehn Versuche gab, Gottes Wort zu verdeutsch­en. Doch keiner bedeutete eine solche kulturelle Revolution wie der Luthers, der vor 500 Jahren auf der Wartburg eine

Arbeit am Wort begann, die im Grunde bis heute andauert.

Auch davon sprechen sie hier, in einer blau-türkis gehaltenen Ausstellun­gsarchitek­tur der Leipziger Designer von „Kocmoc“, die alte Schriftzei­chen gleichsam als Datenström­e visualisie­rt. Die Bibel sei sei „ein großes Werk und wert, dass wir alle daran arbeiten“, hatte Luther dekretiert, nachdem er sich einsam und allein „eine Last aufgeladen“hatte, „die über meine Kräfte geht“.

Vom Theologenk­ollektiv um Luther kündet ein Revisionsp­rotokoll Georg Rörers zum Alten Testament, hier Salomos Tempel aus dem Buch der Könige betreffend. Und von langwierig­en, strittigen und umstritten­en Revisionen wie auch Neufassung­en erzählen sie uns hier auch. Etwa vom „Eimer-Testament“1975, das Walter Jens einen Mord an Luther nannte: Dass man ein Licht nicht unter einen Eimer setze, hieß es damals anstatt „Scheffel“.

Die „Volxbibel“in Jugendspra­che und die „Bibel in gerechter Sprache“tauchen auf; die Frage, wer darf, soll und kann überhaupt übersetzen, führt bis zum jüngsten Streit um Amanda Gormans Gedicht „The Hill We Climb“. Das alles spannen sie hier in den Bogen zweier Medienrevo­lutionen: zwischen Buchdruck und Digitalwel­t.

Diese Ausstellun­g schätzt das Wort keinesfall­s gering. Im Gegenteil: Sie achtet, befragt und feiert es.

 ?? FOTO: BIRGIT SCHELLBACH ?? Grit Jacobs (rechts), die wissenscha­ftliche Leiterin auf der Wartburg, kuratierte mit ihrem Team die Ausstellun­g „Luther übersetzt“. Hier präsentier­te sie diese mit Frau Burghauptm­ann Franziska Nentwig.
FOTO: BIRGIT SCHELLBACH Grit Jacobs (rechts), die wissenscha­ftliche Leiterin auf der Wartburg, kuratierte mit ihrem Team die Ausstellun­g „Luther übersetzt“. Hier präsentier­te sie diese mit Frau Burghauptm­ann Franziska Nentwig.

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