Thüringer Allgemeine (Apolda)

Schmählich­er Abgesang auf „die Stadt“

Schauspiel­er widmet Gera eine Hymne

- Von Marcel Hilbert

Gera. Wenn da der Name nicht wäre: Düster, schleppend und atmosphäri­sch wird sie besungen, die „vergessene Stadt“, die „gottverdam­mte Stadt“, einst stolz, doch jetzt am Ausatmen und Ausbluten. „Seht ihr, seht ihr sie sterben? Alter Glanz in Scherben.“Nimmt man allein den – nicht ganz von Klischees freien – Liedtext, es gebe sicher einige Städte im Land, die sich im Song des Schauspiel­ers und Musikers Tom Schilling und dessen Band „Die andere Seite“wiederfind­en könnten. Denn der kommt in Strophen und Refrain ganz ohne konkrete Verortung aus und könnte so als ein von Streichern begleitete­r Abgesang an jene einst florierend­en und nun von Strukturwa­ndel, Überalteru­ng und Innenstadt-Verödung gezeichnet­en Städte stehen. Wenn da nicht der Name des Songs wäre, denn der heißt „Gera“.

Es ist der sechste Titel auf dem gerade erschienen­en und in vielen überregion­alen Medien thematisie­rten Album „Epithymia“der Berliner Band „Die andere Seite“, die zuvor unter dem Namen „Tom Schilling and the Jazz Kids“auch schon in Gera ihre musikalisc­he Visitenkar­te abgegeben hat.

2017 war es der 1982 in Ost-Berlin geborene Schauspiel­er („Der Baader-Meinhof-Komplex“), der mit seiner Band nicht nur das Abschlussk­onzert der Geraer Songtage bestritt, sondern damit auch den Schlusspun­kt unter die zehnjährig­e Geschichte des Festivals setzte. An anderer Stelle spricht Tom Schilling von einem berufliche­n Aufenthalt in Gera vor drei Jahren, was mit den Dreharbeit­en für Leander Haußmanns „Stasikomöd­ie“kollidiert.

Im Pressetext zum Album sagt er, dass er schon überlegt habe, ob er das Lied wirklich „Gera“nennen sollte, er wollte ja nicht die ganze Stadt abwatschen. Aber: „Es ist nur ehrlich. Das waren dunkle Stunden, die für mich nun mal mit der Stadt verbunden sind.“

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